Als Menschen ins Weltall vorstießen, erwarteten sie dort seltsame und verblüffende Entdeckungen, und zu den sonderbarsten von ihnen gehörte vielleicht die Tatsache, dass es praktisch überall Leben gab.
Dieses Wissen wuchs langsam, mit jedem Schritt in den Kosmos: Leben auf der Erde; Fossilien auf dem Mars; Organismen, die sich im Sonnenwind treiben ließen; Pflanzen-Analogien auf Titan; und dann der überraschende Erstkontakt der Ikarus mit den Centauriern, dem kurze Zeit später die Feststellung folgte, dass noch viele andere raumfahrende Völker existierten.
Zuerst konnten viele Bewohner des Planeten Erde kaum glauben, dass nicht etwa die Existenz von Leben eine Ausnahme darstellte, sondern sein Fehlen. Hier und dort fand man Anzeichen dafür, dass ein geheimnisvolles Volk – inoffiziell ›Bewahrer‹ genannt – auf verschiedenen Welten Biokeime gesät hatte, und deshalb ließ sich die wahre Häufigkeit von unabhängig entstandenem Leben kaum berechnen. Doch sorgfältige Analysen führten oft zu folgendem Ergebnis: Das Leben war praktisch ein unvermeidliches Nebenprodukt der planetaren Entwicklung überall in der Galaxis. Da die Planeten ein unvermeidliches Nebenprodukt der Entwicklung von Sternen darstellten, überraschte es die zeitgenössischen Wissenschaftler, wenn sie in einem neu entdeckten Sonnensystem kein Leben fanden.
Eine weitere bemerkenswerte Feststellung kam hinzu: Offenbar zeichnete sich das Leben überall in der Galaxis – vielleicht sogar überall im Universum – durch eine verblüffende Kongruenz aus. Wenn die Atmosphäre eines Planeten dicht genug war, so entstanden Geschöpfe, die fliegen konnten. Wenn es genügend große Wasserflächen gab, so formte die Evolution Wesen, die schwammen und Sauerstoff durch kiemenartige Vorrichtungen aufnahmen. Und wenn auf einem Planeten die Umweltbedingungen lange genug konstant blieben, wenn es nicht zu ökologischen Traumata irgendeiner Art kam … Dann brachte die betreffende Welt intelligentes Leben hervor. Nach den letzten Schätzungen der Föderation gab es Millionen solcher Welten in der Galaxis. Und wenn man an die vielen Millionen oder gar Milliarden von anderen Galaxien dachte, die sich jenseits der großen Barriere am Rand der Milchstraße im unermesslich weiten All drehten … Solche Überlegungen veranlassten selbst den logischsten und rationalsten Vulkanier zu ehrfürchtigem Staunen.
Die Vielfalt des intelligenten Lebens ermöglichte es der Föderation nicht nur, zusätzliches Wissen zu sammeln, sondern bürdete ihr auch eine große Verantwortung auf. Für jede Zivilisation, die einen höheren Entwicklungsstand erreicht hatte als die Kulturen des interstellaren Völkerbunds, gab es hundert andere, die erst noch den Weg ins All finden mussten. Jede dieser nicht so hoch entwickelten Welten hätte durch die Begegnung mit der weit überlegenen Föderation einen profunden Schock erlitten, der ihr nicht nur die Selbstachtung zu nehmen drohte, sondern auch die Identität des betreffenden Volkes zerstören konnte. Drastische Maßnahmen waren nötig, um so etwas zu verhindern.
Um den interstellaren Frieden zu wahren, die Einzigartigkeit jeder Kultur ohne Vorurteile irgendeiner Art anzuerkennen und das Recht aller intelligenten Lebensformen auf Selbstbestimmung zu respektieren, gab sich die Föderation ihr wichtigstes und ehrenvollstes Gesetz: die Erste Allgemeine Direktive Starfleets.
Der Grundsatz lautete: Die Föderation wollte sich nicht anmaßen, eine fremde Kultur zu be- oder gar zu verurteilen. Fremde Zivilisationen erfuhren erst dann von der Existenz des interstellaren Völkerbunds, wenn sie einen angemessenen Entwicklungsstand erreicht hatten.
Die Föderation ermächtigte Starfleet, eine spezielle Organisation zu schaffen, um die Entwicklung fremder Völker zu beobachten und zu entscheiden, wann der richtige Augenblick kam, um das Schweigen zu beenden. Jene Organisation bezeichnete man als Erstkontakt-Amt, und ihre Angehörigen waren die Hüter der Ersten Direktive.
Kirk glaubte, nie zuvor soviel Erleichterung in der Stimme des Steuermanns gehört zu haben, als Sulu verkündete, dass die Enterprise in den Standardorbit des Mondes von Talin IV geschwenkt war. Offenbar teilten die übrigen Brückenoffiziere Sulus Empfinden, denn sie alle applaudierten – Spock bildete die einzige Ausnahme.
»Gut gemacht, Mr. Sulu.« Kirk drehte den Kommandosessel. »Wann können wir eine Verbindung zum EKA herstellen, Lieutenant Uhura?«
»In drei Minuten erreichen wir den Kom-Horizont, Captain. Ein Subraum-Richtstrahl ist vorbereitet, um zu senden und zu empfangen.«
»Ausgezeichnet.« Kirk wandte sich wieder dem Wandschirm zu und genoss es zu fühlen, wie das Schiff um ihn herum Aktivität entfaltete. Noch nie zuvor waren ihm fünf Tage an Bord so lang erschienen. »Zeigen Sie uns ein bisschen Landschaft, Mr. Chekov.«
»Aye-aye, Captain.« Das Bild wechselte und zeigte die vom Sonnenlicht erhellte Oberfläche von Talins Mond, etwa achthundert Kilometer unter dem Schiff. Der Anblick entsprach dem eines typischen Himmelskörpers ohne Atmosphäre: überall Krater, die Flanken der Berge kantig und unverwittert, weite ›Meere‹ aus uralter Lava. Wie Luna, dachte Kirk. Wie der Mond der Erde, bevor man dort Industrien ansiedelte und Städte baute. Nun, Luna war das letzte Opfer einer derartigen Gedankenlosigkeit. Vielleicht dauerte es noch lange, aber die Erfolge der Föderation zeigten, dass der Mensch sein Verhalten ändern konnte, das individuelle ebenso wie das kollektive.
Chekov sah plötzlich von seinem Pult auf. »Captain, ein Raumschiff nähert sich uns. Entfernung noch dreitausend Kilometer, Sir. Und sie verringert sich schnell.«
»Spock? Ein EKA-Shuttle?«
Der Vulkanier blickte in den Sichtschlitz des Scanners – die von den Sensoren ermittelten Daten wurden ihm dort direkt präsentiert, in holographischer Form. »Schwer zu sagen, Captain. Derzeit können wir nur die passiven Sensoren für Ortungszwecke verwenden. Nichts deutet auf ein Impulstriebwerk hin.« Er sah auf. »Es existieren überhaupt keine Antriebsemissionen.«
»Vielleicht ein Meteor?«, spekulierte Kirk.
»Nein, Sir«, widersprach Chekov. »Das Reflexionsmuster im sichtbaren Spektrum zeigt eine regelmäßige Struktur, die zweifellos künstlichen Ursprungs ist.«
»Ein von den Talin konstruierter Mondsatellit?« Kirks Finger trommelten auf die Armlehne des Sessels.
»Das Objekt befindet sich nicht in der Umlaufbahn«, erwiderte Spock. Er richtete seine Aufmerksamkeit einmal mehr auf die Anzeigen des Scanners. »Allerdings lässt die Flugbahn Talin IV als Startort vermuten.«
Kirk verließ den Befehlsstand und sah über Chekovs Schulter zum Deviationsdisplay. »Wir wissen, dass die Talin drei Expeditionen zu ihrem Mond geschickt haben. Gibt es eine Möglichkeit, ohne aktive Sensoren festzustellen, ob sich eine Crew an Bord jenes Schiffes befindet?«
»Es lässt sich nicht mit Gewissheit verifizieren, Captain«, sagte Spock. »Dazu ist die Entfernung noch zu groß. Ich nehme gerade eine Datenkorrelation in Hinsicht auf die bekannten Konfigurationsmuster von bemannten und unbemannten Talin-Schiffen vor.«
Kirk drehte sich zur Kommunikationsstation um. »Wie lange dauert's noch bis zum EKA-Richtstrahl, Uhura?«
»Die Distanz zum Kom-Horizont ist auf eine Flugminute geschrumpft, Sir. Wenn Sie mir eine Bemerkung gestatten: Falls es sich tatsächlich um ein Talin-Schiff handelt, so hätte uns das Erstkontakt-Amt sicher mit einem Notfall-Impuls gewarnt.«
»Vorausgesetzt, das EKA weiß von dem Objekt da draußen, Lieutenant. Spock? Mir genügt eine gut fundierte Vermutung.«
»Ich kann Ihnen mehr bieten, Captain: Der Computer hat es gerade bestätigt – wir haben es eindeutig mit einem Raumschiff von Talin IV zu tun.«
»Mit oder ohne Besatzung?«
»Diese Frage lässt sich derzeit noch nicht beantworten. Ich führe eine thermische Sondierung durch, um …«
»Captain!«, entfuhr es Chekov. »Ich registriere ein Strahlungsmuster.«
Kirks Hände schlossen sich fest um die Rückenlehne von Chekovs Sessel. Wenn sich ihnen ein unbemanntes Schiff näherte, gab es keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Wenn jedoch das Risiko bestand, dass ein Talin-Astronaut die Enterprise sah … In dem Fall blieb Kirk nichts anderes übrig, als zu befehlen, den Orbit unverzüglich zu verlassen. Doch dann konnten sie sich nicht mehr per Richtstrahl mit der EKA-Basis in Verbindung setzen und mussten eine ›offene‹ Frequenz benutzen, wodurch sie riskierten, dass die Signale von den Talin empfangen und vielleicht sogar entschlüsselt wurden. Jim brauchte zusätzliche Informationen, um eine Entscheidung zu treffen. »Stammt das Strahlungsmuster von einem Energiegenerator, Chekov?«
»Es ist nicht stark genug ausgeprägt, wenn man die Menge von spaltbarem Material an Bord berücksichtigt.«
»Spock?«
»Im Innern des Objekts gibt es große, mit Gas gefüllte Hohlräume. Ich habe eine Wahrscheinlichkeit von siebzig Prozent dafür berechnet, dass eine Talin-Crew existiert und …«
»Sulu! Steuern Sie uns sofort aus dem Orbit. Verwenden Sie maximale Impulskraft unter der Bedingung, dass wir auch weiterhin nicht die Deflektoren aktivieren dürfen.«
Die Finger des Steuermanns tanzten über Tasten, und der Wandschirm zeigte plötzlich Sterne, als Talins Mond jäh schrumpfte. Sulu hatte den Kurs mit vergleichsweise geringer Geschwindigkeit geändert, und deshalb war es gar nicht notwendig, dass die Trägheitsabsorber Andruckkräfte kompensierten. Die Enterprise glitt geschmeidig durchs All, und an Bord spürte man nicht einmal eine Vibration.
»Das Talin-Schiff behält den Kurs bei. Die Entfernung beträgt dreitausendfünfhundert Kilometer und nimmt zu.«
Kirk kehrte zum Befehlsstand zurück. »Uhura, wie lange dauert es, bis wir wieder in Richtstrahl-Reichweite der Basis sind?«
Die Kommunikationsspezialistin sah von ihrer Konsole auf und hielt sich mit der einen Hand das Kom-Modul ans Ohr. »Bevor wir den Orbit verließen, bestand für mehrere Sekunden eine Verbindung.«
»Und …?«, drängte Kirk. Uhuras Gesichtsausdruck bereitete ihm Unbehagen.
»Hören Sie sich die Aufzeichnung an, Sir.« Die dunkelhäutige Frau drückte eine Taste.
Statisches Rauschen drang aus dem Lautsprecher, und dann ertönte die zornige Stimme eines Mannes. »… Enterprise. Ändern Sie den Kurs! Sie sollen den Kurs ändern! Ein bemanntes Talin-Schiff nähert sich Ihnen! Verdammt, Enterprise! Warum kontrollieren Sie nicht die Notruf-Kanäle? Verlassen Sie die Umlaufbahn! Ver…« Neuerliche Statik überlagerte die Stimme.
»Mehr haben wir nicht empfangen, Sir.«
Kirk stützte sich am Kommandosessel ab. »Was ist mit den Notruf-Kanälen?«
»Sie sind überwacht worden, Sir. Aber seit fünf Tagen wurde uns auf jenen Frequenzen nicht ein einziges Signal übermittelt.«
Kirk trat zu Uhuras Station. »Und der Vorwurf, den wir gerade gehört haben?«
»Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, Sir.«
»Überprüfen Sie die Kanäle.«
Uhura betätigte einige Tasten, und anschließend herrschte Stille.
Kirk sah auf die Anzeigen ihres Pults. »Mit den Geräten ist alles in Ordnung.«
Die Kommunikationsspezialistin versteifte sich. »Zweifeln Sie an meinen Fähigkeiten, Captain?«
»Nein, Lieutenant«, erwiderte Jim in einem beschwichtigenden Tonfall. »Aber während der vergangenen Tage haben Sie Ihren Posten mehrmals weniger erfahrenen Personen überlassen. Vielleicht wurde dabei etwas … übersehen.«
Mit dieser Erklärung gab sich Uhura nicht zufrieden. »Ich habe dieses System selbst programmiert, Captain. Signale auf den Notruf-Frequenzen werden automatisch aufgezeichnet – ganz gleich, wer an diesem Pult sitzt. Anschließend hätte der Computer sofort den diensthabenden Kommandanten und mich verständigt.«
Spock blieb hinter Kirk stehen. »Uhuras Programm ist fehlerlos, Captain. Bevor sie ihre Station Junior-Offizieren überließ, bat sie mich, die codierten Anweisungen zu analysieren. Wenn das Kom-Logbuch keine Hinweise auf den Empfang von Notfall-Mitteilung enthält, so bedeutet das: Uns haben keine derartigen Signale erreicht.«
»Vielleicht liegt ein Defekt bei den Kommunikationsgeräten der EKA-Basis vor, Captain«, vermutete Uhura. »Bestimmt werden sie nur selten verwendet, und deshalb fallen Fehlfunktionen nicht sofort auf.«
Spock nickte. »Eine Möglichkeit, die sich nicht ausschließen lässt.«
Kirk akzeptierte diese Einschätzung der Situation. Er sah keinen Grund, die Meinung von Spezialisten in Frage zu stellen, erst recht nicht die seiner eigenen. »Na schön. Aber wir wissen, dass die Richtstrahl-Technik der Basis funktioniert.« Er wandte sich von Uhuras Konsole ab. »Mr. Sulu, wie schnell können Sie uns in Kom-Reichweite der Basis bringen?«
Der Steuermann sah zum Ersten Offizier. »Mr. Spock, kann ich volle Impulskraft einsetzen, solange sich die Enterprise hinter dem Mond von Talin befindet?«
»Um diese Frage zu beantworten, muss ich zunächst die Dauer des von den Deflektoren hervorgerufenen Ionisierungseffekts berechnen und sie mit der Rotationsdauer des lunaren Trabanten vergleichen.« Der Vulkanier schwieg drei Sekunden lang. »Ja, Sie können das volle Impulspotenzial benutzen. Vorausgesetzt, Sie kehren siebenhundertdreiundachtzig Kilometer vor dem Ortungshorizont der Talin zum niedrigen Impulsniveau zurück und wahren einen Mindestabstand von fünftausend Kilometern zum fremden Raumschiff.«
Sulu sah auf sein Pult hinab. »Das sind fünfzehn Minuten, um zur Rückseite des Mondes zu gelangen, zwanzig Sekunden für einen halben Orbit, noch einmal sechs Minuten … Captain, es dauert etwa dreiundzwanzig Minuten, bis wir wieder in Richtstrahl-Reichweite sind. Ich muss uns in eine polare Umlaufbahn steuern, um zu verhindern, dass wir uns dem Talin-Schiff zu sehr nähern.«
Kirk bedachte Spock und Sulu mit anerkennenden Blicken. »Geben Sie die notwendigen Daten ein, Mr. Sulu. Und Uhura: Überwachen Sie auch weiterhin die Notfrequenzen. Falls man in der Basis die Fehlfunktion der Kom-Geräte bemerkt und behebt«, fügte er hinzu.
Uhura lächelte. »Aye-aye, Captain.«
Dreiundzwanzig Minuten später kam es wieder zu einem Kommunikationskontakt zwischen der Enterprise und dem EKA-Stützpunkt. Erneut drang eine zornige Stimme aus dem Lautsprecher.
»Enterprise? Melden Sie sich endlich, Enterprise. Hier ist EKA-Basis 47 per Richtstrahl …«
»Basis Siebenundvierzig, hier spricht Captain Kirk von der Enterprise. Offenbar gibt es bei Ihnen einige technische Pro …«
Doch davon wollte das Erstkontakt-Amt nichts wissen. Es war nur an einer Sache interessiert: »Hat man Sie gesehen, Kirk?«, fauchte die Stimme.
»Meinen Sie das Talin-Schiff?«, vergewisserte sich der Captain.
»Was denn sonst? Geben Sie mir Ihren wissenschaftlichen Offizier. Ich verlange alle Daten in Hinsicht auf die Begegnung. Und eines versichere ich Ihnen: Wenn durch Ihre Inkompetenz die Gefahr besteht, dass man unseren Außenposten entdeckt …«
»Wer spricht da?« Kirk blickte zum Wandschirm, der noch immer die pockennarbige Oberfläche des Mondes zeigte, und Unmutsfalten bildeten sich in seiner Stirn – der Ton des Fremden gefiel ihm ganz und gar nicht. »Identifizieren Sie sich.«
»Dafür haben wir jetzt keine Zeit, Enterprise«, erwiderte der Mann scharf. »Übermitteln Sie uns die Daten, damit wir feststellen können, wie groß der von Ihnen angerichtete Schaden ist. Stator rel!«
Kirk hob überrascht die Brauen – ein EKA-Beamter, der in der orionischen Händlersprache fluchte? Mit einer sehr knappen Geste bedeutete er Uhura, seine nächsten Worte nicht zu senden. »Könnte uns die Talin-Crew gesehen haben, bevor wir den Kurs änderten, Spock?«
»Eine Sichtung ohne Instrumente halte ich für nahezu ausgeschlossen. Um uns zu bemerken, hätten die Talin direkt in unsere Richtung sehen und dabei teleskopartige Geräte verwenden müssen. Allerdings besteht eine Wahrscheinlichkeit von zwei Prozent dafür, dass eine automatische Navigationskamera ein Bild der Enterprise aufzeichnete. Wenn das tatsächlich der Fall sein sollte, so finden die Talin schlimmstenfalls nach ihrer Rückkehr zum Planeten heraus, dass sie ein fremdes Raumschiff fotografiert haben. Bestenfalls gelangt man zu dem Schluss, dass eine chromatische Aberration zu der Aufnahme führte.«
»Wenn keine schlimmeren Folgen zu befürchten sind …« Kirk gab Uhura ein zweites Zeichen. »Basis Siebenundvierzig, identifizieren Sie sich.«
Der bisher noch namenlose Mann wusste natürlich, dass die Kom-Verbindung von der Enterprise unterbrochen worden war, und er klang jetzt noch wütender als vorher. »Übermitteln Sie uns die angeforderten Daten, und zwar sofort!«
Kirk nahm im Kommandosessel Platz und lehnte sich zurück. »Basis Siebenundvierzig, die Vorschriften fordern, dass Sie sich identifizieren – als Bestätigung dafür, dass Sie nicht von einer fremden Macht übernommen worden sind.«
»Die Zeit ist zu knapp, um …«
Jim gab dem Mann keine Gelegenheit, den Satz zu beenden. »Wenn Sie sich nicht identifizieren, sind wir befugt, dieses Sonnensystem zu verlassen, um eine ungestörte Entwicklung der hiesigen Kultur zu gewährleisten.«
Die Stimme überschlug sich fast: »Verdammt, ich werde Sie melden und …«
»Ich melde Sie«, unterbrach Kirk den Unbekannten. »Enterprise Ende.«
Er wartete einige Sekunden lang, wandte sich dann Uhura zu und hob kurz die linke Hand. Sie verstand sofort und öffnete den Kanal wieder. Einmal mehr erklang die Stimme, aber jetzt vibrierte nicht mehr soviel Zorn in ihr wie vorher. »Nun gut, Captain Kirk von der Enterprise …« Jim hörte, wie der Mann zögerte und offenbar versuchte, seinen Zorn zu unterdrücken. »Für Ihr Logbuch: Ich bin Dr. Alonzo Richter, Sonderberater des EKA.« Er legte eine Pause ein, damit sich seine Zuhörer über die Bedeutung des Namens klarwerden konnten.
Kirk sah zu Spock, und der Vulkanier wölbte beide Brauen.
Die Lippen des Captains formulierten eine lautlose Frage – »Wussten Sie davon?« –, und der Erste Offizier schüttelte stumm den Kopf.
»Und nun, Captain …«, fuhr Richter fort. »Wären Sie vielleicht so freundlich, Ihren wissenschaftlichen Offizier zu veranlassen, die Karskat-Daten der Begegnung mit dem Talin-Schiff zu übermitteln?«
»Transferbeginn«, sagte Spock knapp und ignorierte den Umstand, dass Richter seine Anfrage durch einen andorianischen Fluch erweitert hatte.
»Wurde auch höchste Zeit«, entgegnete Richter. »In einer Stunde erwarte ich Sie hier, Captain. In höchstens einer Stunde! Das Thema unseres Gesprächs hängt von der Analyse Ihrer Daten ab: Entweder erörtern wir Ihre Mission für das EKA – oder wir suchen nach einer Antwort auf die Frage, warum ich Ihnen in meinem Bericht für Starfleet Command keine Verletzung der Ersten Direktive vorwerfen sollte. Richter Ende.«
Kirk saß noch immer zurückgelehnt im Kommandosessel, rieb sich das Kinn und betrachtete Erinnerungsbilder. Als Kadetten hatten Gary Mitchell und er den Brücken-Simulator der Akademie manipuliert: Wenn jemand eine Übung im Andocken befahl, sollten statt dessen Kampfmanöver unter Hochschwerkraft-Bedingungen beginnen. Sie konnten damals nicht ahnen, dass ausgerechnet Konteradmiral Chan den Simulator benutzen würde. Nun, Chan hatte bereits den hundertzehnten Geburtstag hinter sich, aber zum Glück war er während der romulanischen Kriege zum Admiral geworden. Er zeigte großes Geschick bei den Kampfmanövern und verlangte keine Ermittlungen, um festzustellen, auf wen die veränderte Programmierung zurückging. Doch die für Taktik zuständigen Ausbilder wussten, dass nur zwei Kadetten in Frage kamen; schon einen Tag später begann für Gary und Jim ein ganz besonderer individueller Gymnastikkurs, der einen ganzen Monat dauerte.
Alonzo Richters Reputation ließ sich allerdings kaum mit dem Ruf von Konteradmiral Chan vergleichen. Kirk fragte sich, ob er während der Besprechung einen Ergschild zur Abwehr von Phaserstrahlen tragen sollte … Aber wenn Richter wirklich so schlimm war, wie man ihm nachsagte, so gab es keinen Schutz für den Captain der Enterprise.
Nie zuvor hatte es Kirk mit einer so vollständigen Kommunikationsblockade zu tun bekommen. Die Enterprise durfte nicht einmal ihre Transporter benutzen, während sie über die Talin IV zugewandte Seite des Mondes flog – obgleich der Grund dafür ein Rätsel blieb. Es bedeutete, dass zumindest während der nächsten zehn Tage der Verkehr zwischen Schiff und Basis allein mit Hilfe von Shuttles erfolgen konnte. Um Transitzeit zu sparen, beschloss Kirk, eine komplette Landegruppe mit zwei Raumfähren zum Stützpunkt zu bringen. Dadurch konnten mehr EKA-Spezialisten zur Enterprise transportiert werden, wenn es Zeit wurde, mit dem Einsatz auf Talin IV zu beginnen.
Sulu steuerte die Galileo, und außer ihm befanden sich Uhura, Chekov und Carolyn Palamas an Bord. Kirk saß an den Kontrollen des zweiten Shuttles namens John Burke; Spock und McCoy begleiteten ihn.
Der Captain berichtete dem Arzt vom Kom-Kontakt mit dem EKA-Außenposten, und daraufhin brachte auch Leonard Überraschung darüber zum Ausdruck, dass sich Richter in der Basis aufhielt. Doch bei ihm hatte die Verwunderung einen anderen Grund.
»Ist er nicht längst tot, Jim?«
»Sie haben gerade vom Captain gehört, dass er mit Dr. Richter gesprochen hat, Doktor. Angesichts dieser Tatsache muss Ihre Frage als extrem unlogisch bezeichnet werden.«
»Ich lasse mich gern belehren, Spock.«
»Damit haben Sie eine ganz neue Eigenschaft entwickelt.«
»Um es besser und genauer auszudrücken: Ich lasse mich sehr gern von Leuten belehren, die es besser wissen.«
Mit geringer Impulskraft dauerte es dreißig Minuten, um die Bergkette zu erreichen, unter der man die EKA-Basis errichtet hatte. Kirk befürchtete, dass ihm eine sehr lange und unangenehme halbe Stunde bevorstand, wenn Spock und McCoy die ganze Zeit über versuchten, sich rhetorisch zu übertreffen.
»Wie kommst du darauf, dass Richter tot sein könnte, Pille?«, fragte er, um seine beiden Freunde aus dem Rhythmus zu bringen.
»Während des Medizinstudiums habe ich einen wahlfreien Kurs belegt: Geschichte der theoretischen Kulturdynamik. Wenn ich mich recht entsinne, befassten wir uns mit der kulturellen Richter-Skala – und ihr Entwickler Alonzo Richter war schon damals ziemlich alt. Inzwischen müsste er weit über hundert sein.«
»Er ist hundertsieben Jahre alt«, sagte Spock. »Ich kenne seine Arbeit, und daher weiß ich: Trotz des fortgeschrittenen Alters zeichnet er sich noch immer durch eine bemerkenswerte Leistungsfähigkeit aus.«
Kirk hörte die Herausforderung in McCoys Stimme, als der Arzt sagte: »Nun, da Sie seine Arbeit so gut kennen … Verstehen Sie die sogenannte Richter-Skala der Kultur?«
»Die Skala identifiziert und quantifiziert miteinander vergleichbare Organisationsprinzipien unterschiedlicher Zivilisationen, wobei eine systematische Folge von …«
»Ja oder nein, Spock«, brummte McCoy.
»Die kulturelle Richter-Skala ist kein Ja- oder Nein-System, Doktor. Gerade aus diesem Grund …«
»Er meint folgendes, Jim«, unterbrach Leonard den Vulkanier, und Kirk sah aus den Augenwinkeln, wie sich der Arzt vorbeugte. »Er versteht sie ebenso wenig wie ich.«
»Gibt es überhaupt jemanden, der sie versteht?« Kirk erwiderte McCoys Lächeln. Die Richter-Skala der Kultur war mehr Kunst als Wissenschaft, aber bisher hatten die vereinten Wissenschaften von Geschichte, Anthropologie, komparative Techtronistik, Exopsychologie, Soziologie und nichtmenschliche Ethnologie keine bessere Methode hervorgebracht, um die Entwicklung fremder Zivilisationen einzuschätzen.
Seit ihrer ersten Publikation vor inzwischen mehr als sechzig Jahren war die Skala von Dr. Richter immer wieder verbessert worden und stellte jetzt das wichtigste Instrument der Föderation dar, um festzustellen, wann einem bestimmten Volk gegenüber auf die weitere Anwendung der Ersten Direktive verzichtet werden konnte. Unglücklicherweise hatten jene sechs Jahrzehnte auch dazu geführt, dass die Skala immer komplizierter wurde – bis nur noch wenige Experten imstande waren, sie auf Kulturen anzuwenden, deren Entwicklungsstand sich nicht mehr auf die erste Phase der Bronzezeit beschränkte, von der Skala mit dem Ausdruck ›A.34534010-1 dr.1‹ beschrieben.
Den meisten Nichtspezialisten fiel es relativ leicht, die einfachen Skala-Bewertungen zu erkennen, indem sie sich an den insgesamt dreiundvierzig aus Buchstaben bestehenden Markierungskomponenten orientierten. Sie reichten von AA – ›kein Gebrauch von Werkzeugen‹ – bis hin zu Q: ›keine Technik, die höher entwickelt ist als ihre Äquivalente beziehungsweise die betreffenden wissenschaftlichen Theorien in der Föderation.‹ Das Interesse der aus Laien bestehenden Öffentlichkeit galt insbesondere der vierundvierzigsten Kategorie, die Starfleet gelegentlich erhebliche Sorgen bereitete: XX – anscheinend ein Volk, das anscheinend über eine Technik verfügte, die anscheinend nicht mit den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen der Föderation erklärt oder gedeutet werden konnte.
Qualifizierte Personen, die sich mehr als zwei Jahre lang mit theoretischer kultureller Dynamik beschäftigt hatten, konnten detailliertere Bewertungen interpretieren. In manchen Fällen bestanden sie aus drei Markierungskomponenten, kombiniert mit einundzwanzig erläuternden Qualifikationsziffern, denen fünf Ausnahme-Buchstaben und zwölf philosophische Vergleichszeiger folgten. Wenn es jedoch darum ging, eine neue technologische Zivilisation zu analysieren und ihr eine Richter-Skala-Bewertung zu geben … In der ganzen Föderation gab es höchstens tausend Personen, die dazu in der Lage waren. Die meisten von ihnen arbeiteten für das Erstkontakt-Amt, und deshalb hielt es Kirk für um so erstaunlicher, dass man ausgerechnet Alonzo Richter gebeten hatte, ins Talin-System zu kommen, um eine Zeitlang in einem vergleichsweise spartanisch eingerichteten Stützpunkt zu leben und zu arbeiten.
»Eigentlich ist die kulturelle Richter-Skala nicht so schwer zu verstehen, Captain«, sagte Spock.
Kirk nickte. »Mag sein.« Ein guter Bibliothekscomputer konnte die genaue Definition einer vollständigen Richter-Bewertung liefern. »Ich glaube, Pille bezog sich auf eine andere Problematik: Es ist ziemlich schwierig, eine entsprechende Einstufung zu erstellen.«
»Da haben Sie recht, Captain«, entgegnete Spock. Kirk wusste: Selbst wenn McCoy die gleichen Worte formuliert hätte – ihm hätte der Vulkanier sicher nicht so ohne weiteres zugestimmt.
Stille schloss sich an, und Kirk genoss sie einige Sekunden lang, bevor er wieder daran dachte, dass er sich vielleicht in erhebliche Schwierigkeiten gebracht hatte. Alonzo Richters Einfluss beim Föderationsrat und Starfleet Command galt als legendär. »Spock, da Sie sich mit Dr. Richters Arbeit beschäftigt haben – kennen Sie den Grund für seinen Aufenthalt in der Basis?«
»Es gibt keine offensichtliche Antwort auf diese Frage, Captain, und ihr Fehlen veranlasst mich zu folgender Vermutung: Ich nehme an, Starfleet hat Dr. Richters Präsenz im hiesigen Sonnensystem geheim gehalten.«
»Aber das ergibt doch keinen Sinn«, wandte McCoy ein. »Wir sind einige hundert Lichtjahre von umstrittenen stellaren Territorien entfernt, und daher dürfte es sehr unwahrscheinlich sein, dass hier Klingonen oder Romulaner aktiv werden. Die Talin stellen keine militärische Gefahr für die Föderation dar. Warum also sollte die Tätigkeit des EKA geheim gehalten werden?«
»Nicht die Tätigkeit des Erstkontakt-Amts an sich, Doktor. Nur Dr. Richters Gegenwart.«
»Und der Grund?«, fragte Kirk, als er die Flugbahn des Shuttles änderte. Mit einem Blick auf die Kontrollen stellte er fest, dass Sulu sofort eine Kursanpassung vornahm: Die Galileo blieb genau zwei Kilometer entfernt und flog hinter der John Burke.
»Da Dr. Richters Präsenz bisher in keinem Bericht erwähnt worden ist, mangelt es verständlicherweise auch an Erklärungen. Daher bin ich hinsichtlich der Gründe für seine Anwesenheit auf Spekulationen angewiesen.«
Kirk hörte, wie McCoy hin und her rutschte. »Meine Güte, Spock, beantworten Sie endlich die Frage.«
»Es sind mehrere Antworten denkbar«, betonte Spock. McCoy nahm diesen Hinweis zum Anlass, verächtlich zu schnauben. »In diesem Zusammenhang sehe ich für folgenden Aspekt eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit: Vielleicht sind einige Faktoren entdeckt worden, die eine Neueinstufung von Talin IV in Hinblick auf die Kultur-Skala erfordern; möglicherweise kam es zu einem Disput, den Dr. Richter schlichten soll.«
»Aber verschiedene Interpretationen von Richter-Bewertungen sind doch keineswegs selten, oder?«, erkundigte sich Kirk. »Insbesondere dann, wenn es sich um relativ hochentwickelte Zivilisationen handelt.«
»In der Tat, Captain. Einige Debatten dauerten Jahrzehnte und betrafen geringfügige Unterschiede bei den philosophischen Vergleichszeigern und Qualifikationsziffern. Aber welche Diskussionen auch immer in Hinsicht auf die Richter-Bewertungen von Talin IV stattfinden – sie dürfen nicht mehr als eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen.«
»Weil die Gefahr besteht, dass eine globale nukleare Katastrophe die Zivilisation der Talin auslöscht?«, fragte McCoy.
»Nicht unbedingt, Doktor. Richter-Klassifikationen sind auch bei nicht mehr existierenden Kulturen möglich. Das EKA beobachtet Talin schon seit einigen Jahren, und ich bin sicher, dass angesichts der vielen gesammelten Daten auch dann eine Skala-Einstufung vorgenommen werden kann, wenn die Bewohner des Planeten kollektiven Selbstmord begehen.«
Kirk steuerte das Shuttle in den Schatten eines lunaren Gebirges und aktivierte den Autopiloten – manuelle Kontrollen wurden erst wieder notwendig, wenn der Landeanflug begann. Und selbst jene Flugphase hätte der Bordcomputer zuverlässig kontrollieren können – Kirk liebte nur das Gefühl, die Raumfähre selbst zu fliegen. Doch jetzt erschien es ihm wichtiger, Spocks Ausführungen die notwendige Beachtung zu schenken.
»Wenn es nur darum ging, eine bereits vorgenommene Skala-Klassifikation zu modifizieren … Das hätte Dr. Richter auch erledigen können, ohne das Richter-Institut auf dem Mars zu verlassen. Seine Präsenz in der EKA-Basis deutet auf die große Bedeutung des Zeitfaktors hin, was wiederum den Schluss zulässt, dass die Kriegsgefahr auf Talin IV größer ist als bisher angenommen.«
»Einen Augenblick«, warf Kirk ein. »Wissen Sie noch, was Carolyn – Lieutenant Palamas – vor einigen Tagen sagte? Angeblich hoffen einige Besatzungsmitglieder, dass sich unser Einsatz in eine Erstkontakt-Mission verwandelt.«
McCoy lächelte. »Ja, ich erinnere mich daran, dass Carolyn davon sprach.«
»Und wenn das EKA solche Hoffnungen teilt?«
»Das wäre im höchsten Maße unangemessen, Captain. Nach der Richter-Einstufung von Talin IV …«
»Darum geht es ja gerade, Spock! Vielleicht wird derzeit die ursprüngliche Einschätzung überprüft, aus der hervorgeht, dass es erst in einigen Jahrzehnten zu einem Kontakt zwischen den Talin und der Föderation kommen darf. Für eine so weit fortgeschrittene Zivilisation könnte die Neueinstufung bedeuten, dass sich plötzlich die Tür für den Erstkontakt öffnet.«
Spock blieb skeptisch und schüttelte den Kopf. »Ich gebe zu: Die Vorstellung, einen Weltkrieg zu verhindern, übt großen Reiz aus. Aber die Erste Direktive schreibt eine technologische Schwelle vor, die überschritten sein muss, bevor die Föderation einen direkten Kontakt herstellen darf, und die Talin sind noch nicht soweit.«
»Und wenn sie ganz dicht vor der Schwelle stehen, Spock?«
Der Vulkanier musterte den Captain nachdenklich. »Sie meinen vermutlich: Was wäre, wenn Talin IV die Kontaktschwelle nicht erst in einigen Jahrzehnten erreicht, sondern schon in einigen Monaten oder gar Wochen?«
»Genau.« Kirk sprach schneller, als seine Überzeugung wuchs, dass er die Erklärung für Richters Präsenz in der EKA-Basis und die besonderen Umstände dieser Mission gefunden hatte. »Denken Sie an die Kom-Blockade. Es ist durchaus üblich, auf die Deflektoren zu verzichten, wenn man durch ein Sonnensystem fliegt, in dem die Technik der Radioastronomie existiert. Aber wie oft hat man uns aufgefordert, auf aktive Sensoren und Subraum-Kommunikation zu verzichten?«
»Solche Beschränkungen beziehen sich normalerweise auf die Gefechtsbereitschaft«, erwiderte Spock sofort. »Abgesehen davon habe ich keine Präzedenzfälle erlebt, weder unter Ihrem Kommando noch unter dem von Captain Pike.«
»Wie oft hat man uns die Verwendung von Transportern in der Nähe eines Planeten verboten, für den die Erste Direktive gilt?«
Spock dachte kurz nach. »Mir ist kein Beispiel dafür bekannt, dass man irgendeinem Starfleet-Schiff jemals eine solche Anweisung gab. Ich muss mich wiederholen: Solche Order betreffen allein Kampfsituationen.«
»Und was folgt daraus?« Es war eine rhetorische Frage – Kirk kannte die Antwort bereits.
Das galt auch für McCoy. »Auf Talin IV existiert nicht nur die Möglichkeit, Strahlungssignale im elektromagnetischen Spektrum zu entdecken. Die Bewohner des Planeten sind auch imstande, Subraum-Impulse zu empfangen.«
»Unmöglich«, sagte Spock. »Die mir bekannten Berichte über den technischen Entwicklungsstand der Talin enthalten nicht den geringsten Hinweis darauf, dass erste Transtatoren konstruiert wurden – ganz zu schweigen von der Anwendung multidimensionaler Mathematik, die entsprechende Funktionen beschreibt. Ohne Transtator-Technik steht jenes energetische Subraum-Spektrum, das wir für ÜL-Kommunikation, aktive Sensorsondierungen und Materietransmission benutzen, nicht zur Verfügung.«
Einige Sekunden lang war in der John Burke nur das leise Summen des Impulstriebwerks zu hören, das kaum zwei Prozent seines Leistungspotenzials entfaltete. »Ob Sie es für unmöglich halten oder nicht, Spock …«, murmelte Kirk. »Die ungewöhnliche Kom-Blockade sowie Alonzo Richters Präsenz im EKA-Stützpunkt deuten meiner Ansicht nach darauf hin, dass es irgendwo auf Talin IV ein Gerät gibt, das Subraum-Signale registrieren kann. Vielleicht ist es das erste seiner Art. Vielleicht handelt es sich um den primitiven Prototyp eines Transtators, so groß wie dieses Shuttle. Aber er existiert und befindet sich dort unten. Eine andere Erklärung gibt es nicht.«
Für einen Sekundenbruchteil zeigte sich Unbehagen in Spocks Gesicht. »In Ihren Worten kommt Logik zum Ausdruck, Captain. Gleichzeitig können sie unmöglich der Wahrheit entsprechen.«
»Gibt es etwas Schlimmeres als einen sturen Vulkanier?«, stöhnte McCoy und sah wie flehentlich zu einem imaginären Himmel.
»Viele Dinge, Doktor«, entgegnete der Vulkanier. »Unter anderem Ärzte, die …«
Kirk hob die Hand. »Im Ernst, Spock: Kommt eine andere Erklärung in Frage?«
»Derzeit fällt mir keine ein, doch die Unfähigkeit, eine Alternative zu formulieren, ist kein Beweis für ihre Nichtexistenz.«
»Aber wenn ich wirklich recht habe …«, sagte Jim. »Wenn es auf dem Planeten tatsächlich einen Signaldetektor gibt, der auf Transtatorbasis funktioniert … Sie wissen sicher, was das bedeutet.«
Spock nickte und bestätigte damit die Stichhaltigkeit von Kirks Argumenten. »Wenn die Talin über ein solches Gerät verfügen, dauert es höchstens noch einige Tage, bis sie Subraum-Signale empfangen und herausfinden, dass ein großes interstellares Kommunikationsnetz existiert.«
»Welche Konsequenzen ergäben sich daraus?«, fragte der Captain.
Spocks Antwort bezog sich auf die Präambel der EKA-Charta – offenbar wollte er vermeiden, Kirks Theorien durch persönliche Bemerkungen zusätzliches Gewicht zu verleihen. »In dem Fall gelangen die Talin durch ihre eigenen Bemühungen zu der Erkenntnis, dass viele andere Planeten intelligentes Leben hervorgebracht haben. Damit überschreiten sie jene technologische Schwelle, die in der Ersten Direktive als Minimalbedingung für einen Erstkontakt genannt wird. Dann ist das EKA befugt, sich mit einer Grußbotschaft an die bis dahin isolierte Welt zu wenden und einen auf dem Prinzip der Gleichberechtigung basierenden Dialog mit den Talin zu beginnen.«
Kirk lehnte sich zufrieden zurück. »Und das könnte innerhalb der nächsten Tage passieren.«
Spocks Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. »Ebenso möglich ist eine nukleare Katastrophe, die den ganzen Planeten ins Verderben führt.«
Kirk bekam keine Gelegenheit zu einem Kommentar: Der Navigationscomputer löste den programmierten Alarm aus – ein rhythmisches Summen – und wies damit auf den unmittelbar bevorstehenden Landeanflug hin. Jim beugte sich vor und betätigte die Kontrollen.
Genug der Spekulationen, dachte er. Jetzt wird es Zeit, zwei verschiedene Theorien zu testen – Spocks und meine. Zwar fand er großen Gefallen an solchen Herausforderungen und an der Vorstellung, in dieser Hinsicht einen Sieg zu erringen, aber Spock gegenüber war er auch bereit, eine Niederlage hinzunehmen.
Als Kirk das Shuttle zum EKA-Stützpunkt lenkte, fiel ihm ein, dass sich in keinem Fall eine Niederlage ankündigte. Was auch immer sie in der Basis feststellten: Es brachte entweder ihm selbst oder Spock den Sieg. Jim lächelte stumm und gab sich diesem angenehmen Empfinden hin, das ihm nicht völlig unvertraut war.
Wenige Sekunden später leuchtete die Bereitschaftsanzeige und bestätigte, dass der Außenposten des Erstkontakt-Amts Landeerlaubnis erteilt hatte. Kirk steuerte die John Burke zu einem großen, schattenumhüllten Felsvorsprung und hörte das entsetzte Keuchen des Arztes, als er das Shuttle in den Berghang flog.