Der Schleier aus funkelnder Transporterenergie löste sich auf, und Kirk sah die Stadt der Toten.
Rauchschwaden zogen umher, und es stank nach Fäulnis. Eine leichte Brise wehte vom Meer, und der Captain beobachtete purpurne Wellen, die über einen schwarzen Strand rollten, tote Fische und die Kadaver von anderen maritimen Geschöpfen mit sich trugen. Selbst der durch die Wolken filternde Sonnenschein wirkte trüb und grau.
Kirk trat auf die Asche einer Welt, die für kurze Zeit seinen Namen getragen hatte. Weiter vorn befand sich die größte Ansammlung von nicht hibernierenden Überlebenden auf dem ganzen Planeten: knapp vierhundert Personen.
Eine alte Talin sah ihn zuerst. Sie hatte nur noch einen Arm, und das lätzchenartige Gewebe auf der Brust hing in Fetzen. Unter der rissigen, hier und dort blutenden Haut zeichneten sich deutlich die Knochen ab.
Die Frau gab einen Schrei von sich, der wie ein heiseres, röchelndes Pfeifen klang. Hinter ihr kletterten andere Talin aus den Trümmern, zwischen denen sie Zuflucht gesucht hatten. Einige hundert Meter entfernt bemerkte Kirk Hunderte, vielleicht sogar Tausende von rußgeschwärzten Kokons, wie Feuerholz aufeinandergestapelt. Die darin schlafenden Talin warteten darauf, dass sich ihre Welt von der Katastrophe erholte.
Kirk war gekommen, um das Leid möglichst schnell zu beenden. Er sah sich um, erblickte überall Verheerung und Trostlosigkeit: die Ruinen einst stolzer Gebäude, geborstene Mauern, verbrannte Felder.
Das Ergebnis eines Fehlers. Der atomare Holocaust war nur möglich gewesen, weil es noch zu viele Rätsel gab, zuviel Unbekanntes. Aber dies wird sich nicht wiederholen, dachte Kirk. Die Föderation lernte, und beim nächsten Mal wusste sie, wonach es Ausschau zu halten galt. Die schmerzliche Lektion von Talin IV bewahrte andere Welten vor einem ähnlichen Schicksal. Ja, der interstellare Völkerbund würde lernen und stärker werden.
Ein Dutzend Talin standen nun vor Kirk und starrten verblüfft. Einige bedeckten ihre Augen – sein fremdartiges Erscheinungsbild war offenbar zuviel für sie. Andere streckten zitternde Klauenhände aus, wagten es jedoch nicht, den Fremden zu berühren.
Das Summen eines Transporterfelds erklang, und die Talin vor ihm seufzten voller Ehrfurcht. Weitere Echsenwesen kamen aus den Ruinen, und manche von ihnen sanken auf die Knie, als goldener Glanz sie erfasste.
Schritte knirschten hinter Kirk. Er sah über die Schulter: Spock und McCoy näherten sich, begannen bereits mit ersten Tricorder-Sondierungen. Diverse Kisten mit Versorgungsgütern materialisierten.
Wieder schrie ein Talin, als das energetische Zirpen mehrerer Transporterfelder ertönte. Überall bildeten sich glitzernde Energiesäulen: In dem Schimmern nahmen entweder Menschen oder Container Gestalt an.
Chekov kam mit Sulu und Uhura. Scott erschien, begleitet von Apparaturen, die Trinkwasser aus der Luft gewinnen konnten. Neben ihm traten M'Benga, Chapel und Palamas aus dem schillernden Gleißen. Sie alle hatten den Wunsch, Hilfe zu bringen.
Die erwachsenen Talin schwankten hin und her, glaubten offenbar, ihren Augen nicht trauen zu können. Dann löste sich ein Mädchen aus der Menge. Schmutz klebte an der grünen Haut, doch die gelben Augen blickten neugierig und durchdringend.
Nur diese kleine Talin brachte den Mut auf, Kirk entgegenzutreten.
Kirk drehte den Einstellregler des mitgebrachten Translators.
»Ich bin James Kirk«, sagte er langsam und deutlich. »Captain des Raumschiffs Enterprise.«
Das Übersetzungsmodul wiederholte die Worte in der Talin-Sprache: Unterschiedliche Pfeiftöne drangen aus dem Lautsprecher.
Die Pupillen des Kindes weiteten sich. Es hob den Kopf, sah zum Himmel. Sein Blick reichte durch die Wolken, und es wiederholte ein Wort, das der Translator für Kirk übersetzte:
»Enterprise.«
Tränen rannen über die Wangen des Mädchens. Es wandte sich den anderen Talin zu und rief das Wort, deutete dabei zum Firmament, zu den Sternen.
»Enterprise«, klang es aus dem kleinen Lautsprecher des Translators, als die Echsenwesen flüsterten. »Enterprise.«
Das Kind trat noch etwas näher an Kirk heran und hob die Arme. Im Gesicht des Mädchens bemerkte Jim nun etwas, das er vor langer Zeit auf der Erde in den Augen einer Frau gesehen hatte – und in denen einer kleinen Tellaritin, vor wenigen Wochen.
Er griff nach den Händen der Talin. Anfang und Ende von bestimmten Dingen ließen sich manchmal nicht unterscheiden, aber in diesem Fall handelte es sich um einen Anfang – da war er ganz sicher.
»Wir sind gekommen, um zu helfen«, sagte Kirk. »Jetzt wird alles gut.«