Es dauert eine Weile, bis die erste Wünschelruthe gedruckt wird. Es dauert so lange, dass böswillige Stimmen – Schnüll zum Beispiel – unken, sie werde wahrscheinlich nie erscheinen. Doch im Januar 1818 ist es tatsächlich so weit, und das Zeitblatt für das Gute, Alte und Deutsche liegt von nun an zweimal wöchentlich in den Göttinger Buchhandlungen aus, in der Dietrichschen und bei Vandenhoeck und Ruprecht liegt es sogar auf dem Tresen. Allerdings nur bis zum Sommer. Am 29.Juni ist in der zweiundfünfzigsten Ausgabe folgende Notiz zu lesen: »Die Schwierigkeiten, welche durch die Trennung der Herausgeber verursacht werden, verhindern die weitere Fortsetzung der Wünschelruthe, indem nur noch einige Blätter als Zugabe folgen werden.«
Schwierigkeiten. Trennung. Im Nachhinein ist schwer zu sagen, ob die Wünschelruthe nun der Geschwindigkeit der neuen Zeit entsprechend schnell eingegangen ist oder ob sie bloß von Anfang an sehr langsam vor sich hin starb. Der Verleger behauptet jedenfalls, Schaden zu haben – trotz eines Absatzes von jedes Mal 300 Exemplaren, wie von Hornthal großzügig hochrechnet.
Mit dem Sommersemester 1818 haben die meisten Schustergesellen ihre Studien oder Doktorarbeiten beendet. Sie lassen Dichtung Dichtung sein und verstreuen sich in alle Lande, um auf irgendeiner kleinen Dienststelle als Advokat, in irgendeinem Kaff als Theologe oder auf irgendeinem Gut als Hauslehrer zu beginnen. August von Haxthausen ist mit seinen Studien zwar noch lange nicht fertig, muss sie aber trotzdem abbrechen. Sein Vater braucht Hilfe bei der Verwaltung der Güter. Werner, der eigentliche Erbe, ist als preußischer Regierungsrat in Köln unabkömmlich, und nun soll eben August an seiner Stelle verwalten. Der Vater will es so, und Widerworte wären undenkbar. Augusts Abschied von Göttingen besiegelt das Ende der Wünschelruthe – bedauert von allen edlen Gemütern.
Er selber bedauert seinen Abschied vielleicht am meisten. Denn in diesem Sommer ist das Treiben der Studenten ungewöhnlich wild. Was er alles verpasst! Ein geringfügiger Streit mit einem Wirt oder einem Passanten und schon fühlen sich die Herren Studiosi auf den Schlips getreten und rotten sich zusammen, um demjenigen, der ihnen nicht genug Respekt gezollt hat, die Fensterscheiben einzuwerfen. Verrufserklärungen gegen Gastwirte, Hauswirte und sonstige Gewerbetreibende sind an der Tagesordnung. Am 2.Juli passiert es: Ein Student nimmt die Abkürzung durch die eng aneinandergebauten Fleischstände am Rathaus, rempelt ein Kind an, gerät daraufhin mit dem Metzger Krische in einen Wortwechsel und fängt sich eine Ohrfeige ein. Der Student beschwert sich bei der Polizei. Der Polizeisenator erklärt, dass er dem K. nur einen Verweis erteilen könne. Der Student beruhigt sich zwar, aber die Landsmannschaften sehen das anders und machen die Sache zu ihrer eigenen. Beim Prorektor verlangen sie Wiedergutmachung. Der Prorektor verweist wieder an die Polizei, die Polizei interessiert das nicht. Frechheit! Am 11.Juli verabreden sich die beleidigten Leberwürste sämtlicher Couleurs in Ulrichs Garten und ziehen zum Haus des Metzgers. Vorneweg der schwarze Block der Altdeutschen. Die Anführer haben sich vermummt. Leider ist ihnen ein Fehler unterlaufen. Das Haus, das sie verwüsten, gehört einem anderen Metzger, der unseligerweise denselben Namen trägt wie derjenige, der die Ohrfeige ausgeteilt hat. Ihm werden Fenster und Fensterläden zerschlagen, die jungen Herren dringen sogar ins Haus ein, zertrümmern im Beisein der Frau und der Tochter die Möbel und werfen sie zum Fenster hinaus. Gerade ist man dabei, das ganze Haus einzureißen, als der Ruf: »Wir sind irrig! Es ist genug!« der Meute Einhalt gebietet. Nun zieht man vor das Haus des Polizeisenators Ulrich und beginnt, auch ihm die Scheiben einzuwerfen, bis an einem Fenster ein Student erscheint und ruft:
»Mensch, jetzt hört doch mal auf mit dem Scheiß. Der Mann ist krank.«
Da schauen die Krawallanten betreten an sich hinunter, ziehen zurück auf den Ulrich und betrinken sich erst mal.
Der Magistrat sendet einen Eilboten nach Hannover, um Schutz für die Stadt zu erbitten. Man schickt Hofrat Falcke mit einem Detachement Husaren. Als sie am 17.Juli eintreffen, kommt es zu kleineren Straßenschlachten, bei denen sechs Studenten mit Säbelhieben verletzt werden. Die Husaren lassen sich nicht vertreiben. Frechheit! Die Studenten erklären den Verruf über die Georgia Augusta und verlassen die Universität Richtung Witzenhausen.