Also ist Sand nach Mannheim aufgebrochen, einen Brand zu schleudern in die jetzige Schlaffheit. Zur Tarnung hat er sich die langen Locken abgeschnitten, seinen altdeutschen Waffenrock ausgebürstet und durch ein weißes Halstuch gemildert. Nun steht er an der Haustür und ist bereit, die giftige, vom verdorbenen Ausland bezahlte Natter zu zertreten.

Kotzebue kommt der Besuch allerdings gerade ungelegen, und so

Sand streift ziellos und gehetzt durch die Stadt und versucht, die Zeit totzuschlagen, ohne den Furor zu verlieren, den er am Nachmittag benötigen wird, um Kotzebue umzubringen. Er beschließt, in eine Kirche zu gehen und seinen Herrgott um gutes Gelingen zu bitten. Aber kaum hat er sich in Richtung der Jesuitenkirche gewandt, wird er plötzlich von einem Irren, einem Kriminellen, einem rücksichtslosen Ausländer über den Haufen gerannt. Nein, kein Ausländer – der Mann trägt eine badische Uniform mit goldenen Knöpfen und hat sich ein hölzernes Gestell, ein Räderwerk, einen halben Karren oder was auch immer zwischen die Beine geklemmt. Es handelt sich um Karl Drais, der trotz wiederholter polizeilicher Verwarnung mit seiner zweirädrigen Laufmaschine mal wieder auf dem Gehweg gefahren ist – und das mit einem Affenzahn. Sands Anspannung entlädt sich in lautem Gebrüll unter Verwendung unflätiger Ausdrücke. Drais gibt sich reuig und zerknirscht, hilft ihm auf.

»Bitte untertänigst um Entschuldigung, der Herr. Sie haben sich doch nicht verletzt?«

Mund und Oberlippenbart verziehen sich zu einem beschwichtigenden Grinsen. Sand beruhigt sich, zumal er dann doch neugierig ist, was ihn da eigentlich gerammt hat. Drais erklärt nur allzu gern seine Erfindung. Aha, ein Laufrad. Jetzt erinnert sich Sand auch daran, so ein Gerät schon einmal bei einem Studenten gesehen zu haben.

»Wenn Sie mögen, setzen Sie sich ruhig selbst einmal darauf. Und dann müssen Sie sich mit den Füßen vom Boden abstoßen – wie beim Schlittschuhlaufen. Legen Sie die Arme hierhin, dafür ist das Polster ja da – so halten Sie besser das Gleichgewicht. Und das ist die Leitstange, damit können Sie den Lauf dirigieren.«

Gegen fünf Uhr trifft er ein und lässt sich durch den Diener anmelden. Diesmal wird er vorgelassen. Während er im Flur des Obergeschosses wartet, kommen drei Damen an ihm vorbei, die Frau von Kotzebue besuchen wollen. Kotzebue, das dekadente Schwein, trägt einen gesteppten Hausmantel und empfängt ihn mit jovialer Herablassung – noch so ein Bewunderer meines unsterblichen Werkes, denkt er wohl – und nach einem kurzen heftigen Wortwechsel, um Fahrt aufzunehmen, zieht Sand seinen großen Dolch, den er bei sich liebevoll »das kleine Schwert« nennt, aus dem linken Rockärmel und stößt ihn Kotzebue gegen das Gesicht. So hat er das zu Hause geübt. Wenn man einen Scheinangriff gegen das Gesicht führt, reißt der Gegner die Arme hoch und man kann ihn in der Herzgegend treffen. Nur ist Kotzebue leider zu langsam und reißt die Hände erst hoch, als der Dolch bereits mitten in seinem Oberkiefer steckt. Sand erschrickt. Ein ekelhaftes, ganz abscheuliches Gefühl ist das, wie der Dolch den Widerstand des Fleisches durchdringt und dann im Knochen stecken bleibt. Er hat Mühe, ihn aus dem Oberkiefer wieder