Heine erkennt von den anwesenden Herren bloß Tychsen und Eichhorn, bei dem er in der Pandektenscheune einen mittelinteressanten Vortrag über die mittelalterliche Formelsammlung des Mönchs Markulf gehört hat. Ansonsten nimmt er nur eine Reihe alter Titusköpfe wahr, die sich die Resthaarbestände ihrer Hinterköpfe als saftige Strähnen in die Stirnglatze züngeln lassen. Außerdem gibt es noch einen Schreiber, Riedel, der mit seiner Perücke und der runden Brille ein wenig wie Straube aussieht.

»Studiosus Heine, es ist uns zur Anzeige gekommen, dass Sie sich mit dem Studiosus Wiebel veruneinigt haben, und zwar derart, dass Sie ihn auf Pistolen gefordert haben sollen. Erklären Sie uns doch einmal, was da vor sich gegangen ist.«

»Nun, es war bei Michaelis. Ich nehme dort mein Mittagessen.«

»Allein?«

»Nein, mit mehreren anderen Studenten. Es ist ein allgemein

Unermüdlich klopft der Regen aufs Dach, begleitet jedes Wort, das gesprochen wird. Durch die Fenster kommt nur gedämpftes Licht, die Luft ist muffig-feucht.

»Was meinten Sie damit?«

»Ich meinte damit, dass daraus unwürdiges Betragen entstehe. Ich habe mich auf den Holzcomment in Heidelberg bezogen. Da sagt Wiebel: Das ist Schweinerei, was Sie da sagen. Daraufhin habe ich mich nach Wiebels Namen erkundigt und am nächsten Tag jemanden zu ihm geschickt, der ihn für mich auf Pistolen fordern sollte.«

»Wen haben Sie geschickt?«

»Das weiß ich nicht mehr. Irgendjemanden, der da gerade herumstand. Ich kenne seinen Namen nicht.«

»So, so, Sie kennen den Namen nicht?«

»Nein.«

»So, so. Und warum gleich auf Pistolen?«

»Das war ja keine gewöhnliche Beleidigung, das war ja schon mehr.«

»Schon mehr also. Und was ist Ihrer Auffassung nach dann eine gewöhnliche Beleidigung.«

»Wenn mich jemand einen dummen Jungen nennt.«

»Und hat Ihr Comparent die Herausforderung angenommen?«

»Ja, ich hatte deswegen auch schon ein Pferd gemietet. Aber es ist nicht dazu gekommen, weil irgendjemand es verraten hat und wir beide Stubenarrest bekommen haben.«

»Wie ich in meinen Unterlagen sehe, haben Sie sich bei seiner Magnificenz mit Wiebel versöhnt und Wiebel hat versprochen, die Beleidigung bei Tische, wo sie geschehen ist, zurückzunehmen. Ist das geschehen?«

»Nicht wirklich. Wiebel hat bloß gesagt: Die Beleidigungen, die

»Und dann?«

»Ich habe erwidert, dass es gut sei.«

»Und dann?«

»Dann nichts.«

»Wie nichts? Was soll das heißen? Geht es auch etwas genauer? Sie schwätzen doch sonst immer so viel.«

»Was möchten Sie denn wissen?«

»Haben Sie ihn noch einmal gefordert?«

»Nein.«

»Ganz sicher? Das kann für Sie doch nicht befriedigend gewesen sein. Das muss Sie doch erst recht in Zorn gebracht haben. Daran gedacht haben Sie doch bestimmt?«

»Ich habe daran gedacht, es aber nicht getan.«

»Gut, nehmen Sie bitte noch einmal vor der Tür Platz!«

»Ein begabter junger Mann, dieser Heine«, sagt Eichhorn, als Heine den Raum verlassen hat, »er hat ein sehr feines Gedicht auf den Kollegen Sartorius gemacht. Lustig war es auch noch.«

»Ich habe es auch gelesen«, sagt Pott. »Mag sein, dass Heine Humor hat oder – wie man vielleicht doch besser sagt – die drollige Komik seiner Rasse besitzt. Aber er kann seine Feder nicht zügeln. Jedem billigen Einfall muss er nachgeben.«

»Nun, ich kenne nichts von dem Herrn«, bemerkt Oesterley, »habe mir aber sagen lassen, es handle sich um den plattesten Wortwitz.«

 

Der Student Wiebel wird hereingerufen.

»Sie studieren die Rechte, Studiosus Wiebel, da dürfte Ihnen doch bekannt sein, dass wir hier keine Duelle dulden.«

»So ist es.«

»Und wie kam es dann trotzdem dazu?«

»Auf Pistolen?«

»Nein, auf gewöhnliche Waffen.«

»Herr Heine hat bereits zugegeben, dass er Sie hat auf Pistolen fordern lassen.«

»Aber das stimmt nicht. Es war auf ganz gewöhnliche Waffen. Auf Degen.«

»Finden Sie nicht, dass es jetzt mal an der Zeit wäre, die Wahrheit zu sagen?«

»Auf Degen. Es war eine Forderung auf Degen, und es war noch nicht einmal Zeit, um den Ort festzulegen, da bin ich bereits zum Herrn Prorektor gerufen worden.«

»Das stimmt«, sagt Tychsen.

»Haben Sie dort die Beleidigung zurückgenommen?«, fragt Bergmann.

»Ja.«

»Auch Studiosus Heine gegenüber?«

»Ja.«

»Aber er war damit nicht zufrieden?«

»Nein. Ich sollte noch dazu sagen, dass ich ihn in Hitze beleidigt habe. Das hätte ich angeblich versprochen. Habe ich aber nicht.«

»Aber Sie waren doch in Hitze, als Sie die Beleidigung aussprachen?«

»Ja. Aber ich hatte nicht versprechen müssen, das zu erwähnen.«

»Laut unserer Unterlagen haben Sie das sehr wohl versprochen.«

»Nun?«

»Es wäre nicht mit meiner Ehre vereinbar gewesen, es zu sagen.«

»Aber es stimmte doch. Sie haben es doch in der Hitze gesagt?«

»Ja, aber wenn ich es zugegeben hätte, dann hätte es ja so ausgesehen, als würde ich es bereuen. Und ich sehe die Sache damit als beendet an.«

»Herr Heine tut das nicht. Er ist mit Ihrer Erklärung nicht zufrieden.«

»Das ist seine Angelegenheit.«

Wiebel wird noch einmal nach draußen geschickt. Man berät sich, dann wird Wiebel wieder hereingerufen.

»Studiosus Wiebel, sind Sie bereit, einen Eid zu schwören, dass Sie nicht auf Pistolen gefordert worden sind?«

Wiebel sieht zur Decke. Der Regen prasselt inzwischen.

»Nun, Wiebel?«

»Die Forderung war auf Pistolen.«

»Aha. Und wer war derjenige, der die Forderung überbracht hat?«

»Ich kenne denjenigen nicht. Das bin ich bereit, eidlich zu beschwören.«

»Das wird nicht nötig sein. Warten Sie wieder draußen und schicken Sie Ihren Kontrahenten bitte noch einmal zu uns.«

Heine kommt herein.

»Sind Sie zufrieden, wenn Wiebel hier vor der Deputation erklärt, dass er Sie in Hitze beleidigt habe?«

»Ja.«

Heine wird wieder herausgeschickt und Wiebel hereingerufen.

»Stimmt es, dass Sie den beleidigenden Ausdruck bei Tisch nur deshalb gebraucht haben, weil Sie in Hitze waren?«

»Ja, das stimmt.«

Heine wird dazugerufen.

»Studiosus Wiebel, können Sie gegenüber dem Studiosus Heine das eben Gesagte noch einmal wiederholen?«

»Dass Sie die Beleidigung in der Hitze gesagt haben.«

»So stimmt das aber nicht.«

»Mensch, Wiebel! Sie haben es uns doch eben zugegeben!«

»Das aber nicht. Dass es öffentlich bei Tische geschehen ist, das hat daran gelegen, dass ich in Hitze war. Den Ausdruck selber habe ich aber nicht in Hitze, sondern sehr wohlüberlegt gewählt, weil Heine denselben Ausdruck zuvor benutzt hatte.«

»Sehen Sie!«, schreit Heine mit geballten Fäusten, »hab ich es nicht gesagt?«

»Studiosus Heine, gehen Sie bitte noch einmal hinaus.«

Heine verlässt mit knallenden Stiefelschritten den Raum.

»Mensch Wiebel, jetzt geben Sie sich doch einen Ruck! Wie soll das alles geklärt werden, wenn Sie so uneinsichtig sind?«

»Nein, das kann ich nicht zugeben. Das verbietet mir meine Ehre.«

»Wiebel, ich bitte Sie. Sie waren in Hitze. Sie haben das Wort gesagt. Schweinerei haben Sie gesagt, weil Sie so in Hitze waren.«

»Nein, das stimmt so nicht. Schweinerei habe ich bloß gesagt …«

»Jaja, gut, das wissen wir bereits. Kann es sein, dass Sie ein Duell herausfordern wollten. Haben Sie den Studiosus Heine mit Absicht so aufgebracht?«

»Ich versichere auf Ehre, dass das nicht meine Absicht war. Ich habe es bloß gesagt, weil ich in Hitze war.«

Ossiander und Tychsen tauschen Blicke. Pott, Oesterley und Bergmann dämmern bereits vor sich hin.