Im April 1815 ereignet sich auf Sumbawa – einer der Kleinen Sunda-Inseln östlich von Java – der größte Vulkanausbruch in der überlieferten Geschichte der Menschheit. Die Erde bebt, drei Feuersäulen steigen mit großem Geheul in den Himmel hinauf. Die Lava bahnt sich ihren Weg, als ob man scharfe Messer über das Fleisch der Erde zieht. Dann ein jäher Aufschrei: Der Berg zerreißt. Von dem einst 4300 Meter hohen Tambora bleiben gerade noch 2800 Meter übrig. Glutlawinen rasen zu Tal. Wirbelstürme fegen Menschen, Pferde, Rinder und Bäume in die Luft und tragen sie meilenweit aufs Meer hinaus. Schwimmende Inseln aus Bimsstein, in die diese grässlich entstellten Leichen eingeschlossen sind, treiben umher. Eine 60 Zentimeter dicke Schicht aus Vulkanasche bedeckt die Meeresoberfläche. Zusammen mit Asche und Staub sind hundertfünfzehn Millionen Tonnen Schwefelgase in die Stratosphäre geschleudert worden. Der Tag wird zur schwärzesten Nacht. Dann zieht die gigantische Wolke weiter Richtung Europa. In den Jahren 1816 und 1817 setzt sie die göttliche Ordnung des Wettergeschehens außer Kraft. Die Arktis taut. Eisberge treiben bis vor die irische und schottische Küste. In Ungarn fällt brauner, gelber und roter Schnee. Deutschland versinkt im Dauerregen. Es gibt weder Frühling noch Sommer, der Morgen kommt, aber es will nicht Tag werden, das Korn verfault auf dem Halm, kein Herbst bringt Ernte noch Frucht. Die Preise für Getreide verdreifachen sich. Das Leben wird unerschwinglich. Die Bauern verzehren ihr Saatgut und füttern ihre Schweine mit Fischen. Es ist höchste Zeit, mit Gott zu sprechen. Aber aus dem Winter geht bloß ein neuer Winter hervor. Einer der kältesten seit tausend Jahren. Diesmal ist es ein Winter der Winde. Eisige Stürme blasen aus allen Richtungen und Schnee fällt zur Erde, die Fröste sind gewaltig. Die Sonne ist nicht mehr als ein blanker Mond und man kann mit bloßem Auge hineinsehen. Bettler und Diebe ziehen übers Land. Die Bauern verbarrikadieren sich in ihren Hütten, malen das Kreuz an die Tür, sitzen still und schonen ihre Kräfte. Ein weiterer Frühling ohne Himmel, ein weiterer Sommer ohne Ernte. Niemand versteht, was passiert. Die ganze Erde ist nur ein Gedanke, und das ist der Tod.