MIT BIER KOCHEN
WENN MAN BIER MAG UND GERNE KOCHT, KENNT MAN SICHERLICH DAS EIN ODER ANDERE REZEPT, IN DEM BIER ZUM EINSATZ KOMMT. UND WARUM AUCH NICHT. MANCHE GERICHTE ERFORDERN DIE ZUGABE VON FLÜSSIGKEIT, UND HIER BIETET SICH BIER ALS EINE SCHNELLE, EINFACHE UND HOCHAROMATISCHE ZUTAT AN.
Schweinefleischpastetchen und ein Glas Best Bitter? Warum nicht?
Ich liebe es, mit Bier zu kochen. Ein köchelnder Eintopf braucht etwas mehr Fond? Da steht ein Glas dunkles Ale in der Nähe, also bekommt das Gericht statt Fond etwas davon ab. Ein höllenscharfes Chili steht seit Stunden auf dem Herd und sieht aus, als wäre es am Vertrocknen? Da kommt ein Schuss Wiener Lager genau recht. Und zwei Spritzer Stout zum Ablöschen eines Pfannengerichts sind in Sachen Aroma auch nicht zu verachten.
DAS DUNKLE ALE WIRD DEM EINTOPF ETWAS KARAMELLGESCHMACK GEBEN, DER MALZIGE CHARAKTER DES LAGERBIERES WIRD MIT SEINER LEICHTEN SÜSSE DIE SCHÄRFE DES CHILIS AUSBALANCIEREN. UND SO ÜBERRASCHEND ES SEIN MAG, DER IM STOUT VORHANDENE RESTZUCKER WIRD SELBST DIE FLEISCHSTÜCKE IN DER SCHMORPFANNE MIT EINER LEICHTEN KARAMELLNUANCE VEREDELN.
Diese fast mühelos erzielten Effekte überzeugen, stellen aber nur die Spitze des Eisbergs kulinarischer Möglichkeiten beim Kochen mit Bier dar. Da Bier zahllose Geschmacks- und Aromanoten bietet (von säuerlich über süßlich, zitrusartig bis hin zu vanillebetont, würzig oder deutlich bitter), überrascht es nicht, DASS Bier in der Küche verwendet wird, sondern dass es nicht ÖFTER geschieht. Es gibt Hunderte von Möglichkeiten, mit Bier zu kochen, und fast ebenso viele Fehler dabei zu vermeiden. Aus unerfindlichen Gründen vermitteln allerdings viele bierorientierte Kochbücher (selbst solche mit hervorragenden Rezepten), nicht die Grundregeln, die beim Kochen mit Bier beachtet werden müssen. Sie ignorieren, dass jemand, der sich für die Bierküche interessiert, höchstwahrscheinlich beim Kochen auch selbst mit Bier experimentieren möchte. Aufgabe dieses Kapitels ist es daher, allen Interessierten dabei zu helfen, zu den richtigen Biersorten zu greifen, um sie in bestimmten Rezepten zu verwenden. So stehen die Chancen besser, dass erstklassige Ergebnisse erzielt werden – dass ein in Bier pochierter Fisch nicht schmeckt, als habe er das Ende seiner Tage in einem Bieresee erlebt, und dass ein Schokoladen-Bier-Kuchen sich geschmacklich nicht irgendwo zwischen bitterem Kaffeesatz und Holzkohle bewegt.
Einige Spritzer Witbier können einen Gurkensalat zum erfrischenden Begleiter eines gegrillten Sandwiches machen.
MARINIEREN & EINLEGEN
MARINIEREN
Eine der einfachsten Methoden, um Bier als Zutat zu verwenden, ist Marinieren. Wie Harold McGee in seinem Standardwerk On Food and Cooking bemerkt, dienten Marinaden in erster Linie dazu, Fleisch länger frisch zu halten, und nur sekundär dem Geschmack, der heute im Vordergrund steht. Hinzu kommt noch, dass das Fleisch durch das Marinieren besonders saftig wird.
KLASSISCHE MARINADEN BEINHALTEN SÄUREN, DIE DAS MUSKELGEWEBE AUFBRECHEN UND SO DIE FÄHIGKEIT DES FLEISCHES STEIGERN, SEINE FEUCHTIGKEIT ZU BEWAHREN. AUS DIESEM GRUND EMPFIEHLT ES SICH, EINER BIERMARINADE EINEN SCHUSS ESSIG BEIZUMENGEN.
Zu beachten ist, dass Meeresfrüchte regelrecht zerfallen können, wenn sie in einem stark hopfigen Bier mariniert oder pochiert werden.
Mit stark gehopften Bieren muss man bei Marinaden auch aus einem weiteren Grund vorsichtig sein. Soll mariniertes Fleisch, wie es so oft der Fall ist, lang und langsam gegart werden, kann es durch die Intensität des selbst mit kleinen Biermengen aufgenommenen Hopfengeschmacks unerwartet bitter werden. Ale oder Lager passen für die Marinade, wenn die Intensität des Bieres der des Fleisches entsprechen soll. So sollte man für eine Garnelenmarinade ein leichtes und nicht hopfenbetontes Bier wählen: belgisches Weizenbier, ein helles Lager oder ein goldgelbes, fruchtiges Ale. Umgekehrt empfiehlt sich zum Marinieren von Rindfleisch ein körperreiches und vollmundiges Bier wie Porter, braunes Ale oder süßer Stout. Bei Fleisch, das nur kurz gebraten wird, wie etwa Rib-Eye-Steak, kann man mit einem mäßig bitteren oder würzigen Ale versuchen, dem Gericht eine interessante Note zu verleihen.
Weiter geht es mit Fragen der Intensitäts-Balance: Zu Hähnchen oder Pute passen Weizenbiere sowie leichte goldgelbe Ales und Milds. Schweinefleisch verträgt etwas leicht Robusteres, wie etwa Bock oder Altbier. Zu Wildgerichten passt normalerweise eine Vielzahl intensiver Bierstile wie Gueuze (in Gueuze mariniertes und geschmortes Kaninchen ist ein flämischer Klassiker, bei Reh oder Hirsch funktioniert auch Pale Ale sehr gut).
Man sollte außerdem bedenken, dass sich Fleisch wie Lamm oder Ente, zu dem bekanntlich Früchte passen, in einer auf Früchten basierenden Marinade wohlfühlt.
EINLEGEN
Das Einlegen in Salzlake erlebt zurzeit allmählich eine Renaissance, besonders was Pute betrifft, aber viele scheinen nicht wirklich zu wissen, welcher Vorgang sich hinter dieser Zubereitungsart verbirgt. Grob gesagt ist es so, dass eine Salzlake dem Fleisch einen Teil seiner Flüssigkeit entzieht und ihn durch eine andere Flüssigkeit im Übermaß ersetzt, sodass das Fleisch nach dem Einlegen saftiger ist, als es ursprünglich war. Da ihm beim Kochen stets Flüssigkeit entzogen wird, bedeutet mehr anfängliche Feuchtigkeit ein saftigeres und schmackhafteres Endergebnis.
Für die Salzlake nimmt man einfach Zucker, Salz und Wasser – oder man geht einen Schritt weiter und verwendet etwas Schmackhaftes wie Bier. Wichtig ist (genau wie beim Marinieren), auf betont bittere Biere zu verzichten, und eines zu wählen, das vom Geschmack her dem Fleisch entspricht, wie etwa ein Hefeweizen mit Nelkennoten für Schinken.
Je länger man Rindfleisch in Bier mariniert, desto intensiver wird die im Fleisch erzielte Malznote.
SAUCEN & EINTÖPFE
EINTOPFGERICHTE
Eintopfgerichte weisen generell einen großen Anteil an Flüssigkeit auf. Vielfach nutzen die Rezepte Rindfleisch-, Gemüse- oder einen anderen Fond (oder einfach Wasser) und das reicht für ein schmackhaftes Gericht sicher völlig aus. Wenn sich aber schon Wasser gut für einen Lammeintopf eignet, um wie viel besser muss ein Gericht schmecken, wenn man das Wasser zur Hälfte durch ein belgisches Dubbel ersetzt? Oder bei einem Ragout mit Gemüse und Tomaten statt Gemüsefond eine Mischung aus Fond und Wiener Lager wählt? Oder einen Rindfleisch-Eintopf mit … nein, der wird ja generell gerne mit Bier zubereitet (wie in dem herrlichen Rezept von Alain Fayt auf hier).
Die verwendeten Biere müssen nicht durchgehend malzig sein, aber die Hopfenöle werden deutlich intensiver, sobald der Siedepunkt erreicht ist. Für einen langsam simmernden Eintopf eignet sich also ein Pale Ale oder IPA, sofern der Geschmack passt, will meinen, wenn das Gericht pikant gewürzt ist oder harzige Kräuternoten aufweist, die mit dem Geschmack des Hopfens harmonieren. Eine ähnliche hopfig würzige Beziehung wird sich ergeben, wenn eine Sauce für ein Curry oder ein pikantes Pasta-Gericht zubereitet wird, wobei das Curry oft von einem Pale Ale oder IPA aus amerikanischem Zitrus-Hopfen profitieren wird. Da diese Hopfennoten den Geschmack der Saucen verbessern können, fügt man das Bier am besten gegen Ende des Garvorgangs hinzu, sodass der Hopfengeschmack frisch ist und sich die Bittere gar nicht erst groß entwickeln kann.
Werden für Saucen malzigere Biere verwendet, kann es nützlich sein, sie zuerst einzukochen, wodurch ein Teil des Wassers eliminiert und die süßen Noten intensiviert werden. Man muss dann aber immer wieder kosten, da zu stark eingekochtes Bier einen geradezu beißenden Geschmack entwickeln kann.
Bei malzigen Bieren für Eintöpfe muss man dafür sorgen, dass das gewählte Bier einen ähnlich schweren Charakter hat wie das Gericht. So könnte zum Beispiel ein mit Scotch Ale zubereiteter Lammeintopf ausgesprochen köstlich schmecken, es ist aber unwahrscheinlich, dass dies bei einem so intensiven Bier mit Meeresfrüchten ebenfalls gelingen würde.
DIPS & SAUCEN
Da Bier großteils aus Wasser besteht, ist so mancher Koch versucht, es als Flüssigkeit auch zum kurzen Dünsten zu verwenden. Die Geschmackselemente machen bei Bier nur einen winzigen Prozentsatz der Flüssigkeit aus, sodass das Gargut dadurch kaum oder gar nicht an Geschmack gewinnt. Hingegen kann man bei kurz gedünstetem Gemüse oder gedämpften Teigtaschen den Biergeschmack in Form einer Sauce oder eines Dips einbringen. Hierfür eignet sich malziges und würziges Bier, das man zur Geschmacksintensivierung in einer Pfanne etwas einkochen lässt und entsprechend würzt, vielleicht mit Honig oder Senf, um es als Sauce zu servieren. Man kann auf diese Weise nicht nur Gemüse, sondern jedem passenden Gericht eine Biernote hinzufügen.
Ähnlich verhält es sich bei gedünsteten Meeresfrüchten. In Bier gedünstete Miesmuscheln (in geringerem Maß auch Venusmuscheln) werden heute in der ganzen Welt serviert. Aus gutem Grund, denn sie sind relativ billig, leicht zuzubereiten und können absolut köstlich schmecken. Der Clou an der Sache ist aber nicht, dass das Bier beim Kochen den Geschmack der Muscheln steigert, sondern zum Bestandteil einer herrlichen Sauce wird, die man genüsslich aus der Muschelschale oder einem Löffel schlürfen bzw. mit frischem Brot auftunken kann.
EINTOPFGERICHTE UND SAUCEN SIND DIE IDEALE GELEGENHEIT, UM MIT BIER ZU KOCHEN – UNTER ENTSPRECHENDEN BEDINGUNGEN SOGAR FÜR DIE VERWENDUNG HOPFIGER BIERE GEEIGNET.
Bei Eintöpfen erzielt man herrliche Geschmacksnoten, wenn man die Kochflüssigkeit zur Hälfte durch Bier ersetzt.
HAUPTGERICHTE & WÜRZMITTEL
LINKS: Bier verleiht dem Zusammensein und der Mahlzeit etwas Feierliches.
RECHTS: Mit Bier getränkte Brotkrumen in der Fleischmischung von Grill-Burgern sorgen für leckere Karamellnoten und Krusten.
HAUPTGERICHTE
Man nehme ein Kochbuch, schlage ein beliebiges Rezept der Hauptgerichte auf und studiere die Zubereitungsart. Ob es Grillen oder Sautieren, Dünsten oder Schmoren ist – es gibt sicherlich immer die Option, Bier als Zutat zu verwenden – und das führt in der Regel zu einem positiven Ergebnis.
Beginnen wir beim Grillen, denn schließlich ist der am Barbecue stehende Grillmeister (in der einen Hand eine Fleischzange, in der anderen ein Bier) der Prototyp eines Bierkochs schlechthin – der Inbegriff von Bierkulinarik, wie man sie sich zünftiger nicht vorstellen kann. Aber erwähnen wir auch das, was dabei Probleme bereiten kann.
EINER DER IRRTÜMER BEIM GRILLEN IST ES ZU GLAUBEN, DAS FLEISCH SCHMECKE BESSER, WENN MAN ES WÄHREND DES GRILLENS MIT EINEM SCHUSS BIER ABDUSCHT – MITNICHTEN.
Da der Alkoholgehalt des Bieres nicht hoch genug ist, um auf dem Grill eine Flamme zu erzeugen (wie es der Fall wäre, wenn man das Fleisch mit Whiskey übergießen würde), kann der im Bier enthaltene Zucker unmöglich karamellisieren. Anders gesagt, das Bier wird vergeudet. Statt dem Fleisch mehr Geschmack zu verleihen, tropft es auf das Kohlen-, Holz- oder Gasfeuer und setzt die Grilltemperatur herab, was sich negativ auf den Garvorgang auswirkt. Viel besser ist es, das Grillgut vorab zu marinieren (wie im vorangegangenen Kapitel beschrieben).
Handelt es sich um Burger, dann kann man auch zu einem besonderen Trick aus dem Beerbistro greifen, einem Bier-Restaurant in Toronto, in dem ich in den ersten Jahren um die Jahrtausendwende mithalf. Die Idee stammt von Brian Morin, dem Küchenleiter und Mitbegründer des Bistros, dem ich neben Sean Paxton und Lucy Saunders den Großteil meines Wissens über Biercuisine verdanke. Statt zu versuchen, das Bier erst beim Grillen einzusetzen, mengt Brian der Fleischmischung vorab eine Handvoll Brotkrümel und etwas Malzbier bei. Da die Krümel das Bier aufsaugen, bleibt der Zucker des Bieres in ihnen zurück. Beim Grillen karamellisiert er, sodass auf dem Fleisch eine schmackhafte Kruste entsteht. Diese Malzbiermethode kann man bei jeder Art von Burger anwenden, aus Rindfleisch, Pute oder Meeresfrüchten. Mit hopfigen Bieren würden die Patties allerdings bitter schmecken.
Vor dem Garen in Salzlake eingelegt wird das Hähnchenfleisch feuchter und schmackhafter.
WÜRZMITTEL
Die Liste der Würzmittel, die man mit Bier herstellen kann, ist schier endlos, ich jedenfalls setze dem Einfallsreichtum da keine Grenzen. Wichtig ist natürlich, die Biere so zu wählen, dass sie den speziellen Geschmack der jeweiligen Vinaigrette, Konfitüre, Senf- oder Würzsauce verstärken, anstatt sie bloß farbintensiver oder flüssiger zu machen.
Von allen Würzmitteln lassen sich wohl Salatsaucen am leichtesten mit Bier aufpeppen, besonders dann, wenn ein Lambic oder mischvergorenes Bier zum Einsatz kommt. Da diese Biere von Natur aus säuerlich sind, können sie den Essig ersetzen, den man sonst verwenden würde. So etwa könnte Himbeerbier an die Stelle von Himbeeressig treten oder ein flämisches Rotbier an die Stelle von Balsamico.
Senf ist in der Welt des Craft-Bieres eines der wichtigsten Werbegeschenke und konkurriert so gesehen nur mit Biereseife, die die Nummer eins unter den nichttextilen Nebenprodukten der Brauereien ist. Man kann sich Senf aber auch selbst aus Senfkörnern, Senfpulver und Gewürzen herstellen, und zwar mithilfe von Bier – Stout passt großartig, und Senf ist ein Würzmittel, das den Geschmack hopfiger Biere sehr gut annimmt.
Man kann aber auch handelsüblichen Senf mit Bier und anderen Zutaten vermengen, um einen zum Dip tendierenden Senf zu erhalten.
Geeignet für den Zusatz von Bier sind auch Konfitüren und Würzsaucen, hier tut man aber meist gut daran, hopfige Biere zu meiden. Fruchtbiere vertragen sich dagegen bestens mit fruchtigen Konfitüren, und mit Bieren mit kräftigem Fruchtgeschmack erzielt man hier die besten Ergebnisse.
Ich mache mir auch gern eine karamellisierte Zwiebelsauce mit dem malzigsten Bier, das ich im Haus habe, gewöhnlich noch verstärkt mit etwas Lambic, zur Not auch mit einem Schuss Essig.
HOPFEN & MALZ ALS KOCHZUTATEN
HIER BEGINNT BIER-CUISINE FÜR FORTGESCHRITTENE MIT EINEM EINKAUFSBUMMEL – UND ZWAR NICHT IM LEBENSMITTELLADEN, SONDERN IM HOBBYBRAUSHOP ODER IN DER LOKALEN BRAUEREI. WAS NÄMLICH HOPFEN UND MALZ BEIM BIERBRAUEN BEWIRKEN, SCHAFFEN SIE AUCH BEIM KOCHEN. NICHT UMSONST BEZEICHNET MAN BIER AUCH ALS »FLÜSSIGES BROT«, DAHER SOLLTE ES NICHT VERWUNDERN, DASS EINE DER WICHTIGSTEN VERWENDUNGEN VON BIERTREBER DER EINSATZ BEIM BROTBACKEN IST. BEIM BIERTREBER HANDELT ES SICH UM MALZ, DAS BEREITS BEIM MAISCHEN ZUM BIERBRAUEN VERWENDET WURDE, SODASS ES IN DER BRAUEREI QUASI ALS NEBENPRODUKT ANFÄLLT. WENN DIE ÖRTLICHE BRAUEREI BEREIT IST, EIN, ZWEI TASSEN GEBRAUCHTES SÜSSES MALZ ABZUGEBEN ODER TREBER VOM LETZTEN HOBBY-BRAUGANG ÜBRIG IST, KANN DAS IN VERSCHIEDENER WEISE MIT MEHL VERMISCHT ZUM BACKEN VON BROT, BLECHKUCHEN ODER KEKSEN VERWENDET WERDEN. HOPFEN HINGEGEN VERWENDET MAN AM BESTEN NICHT ALS DIREKTE ZUTAT, SONDERN ALS AROMAMITTEL. UM ETWA EINEN HOPFIG DUFTENDEN BURGER ZU BEKOMMEN, LEGT MAN DAS HACKFLEISCH MIT EINER HANDVOLL HOPFENPELLETS IN EINEM VERSCHLOSSENEN GEFRIERBEUTEL FÜR 24 STUNDEN IN DEN KÜHLSCHRANK, ENTNIMMT DANN DEN HOPFEN WIEDER UND BEREITET SEINE BURGER WIE GEWOHNT ZU. DER GESCHMACK WIRD KAUM ANDERS SEIN, ER WIRD ABER JE NACH HOPFENART BLUMIGER ODER ZITRUSARTIGER WAHRGENOMMEN WERDEN, DA DIE AROMEN, DIE WIR MIT DER NASE AUFNEHMEN, UNVERMEIDLICH EINEN DEUTLICHEN EINFLUSS AUF DAS GESCHMACKSERLEBNIS HABEN.
OBEN: Ein Spritzer Gewürzbier oder Pale Ale bringt Leben in jede Sauce Hollandaise.
UNTEN: Senfkörner oder -pulver mit Porter oder Stout vermischt ergeben einen köstlichen Bieresenf, der gut zu Schweinefleischpastete passt.
SCHMOREN & FRITTIEREN
SCHMOREN
Schmoren ist eine Garmethode, die sich aus mehreren Gründen empfiehlt. Sie eignet sich am besten für billigere und fettreichere Fleischstücke, erfordert wenig Vorbereitungen und fast keine Überwachung, das Fleisch wird fast immer saftig und zart, und man kann hier auch gut mit Bier arbeiten. Die Vorteile des Schmorens mit Bier lernte ich schon vor vielen Jahren kennen, als Leslie Dillon vom Pyramid Alehouse in Seattle als Beitrag zu meinem Brewpub Cookbook ein Rezept für In Porter geschmorte Lammhaxen lieferte, das siehe hier abgedruckt ist. Als ich es in der Küche ausprobiert hatte, war es um mich geschehen.
DAS SCHÖNE AM SCHMOREN MIT BIER IST, DASS MAN DABEI, JE NACH FLEISCH UND ZUTATEN, SO VIELE VERSCHIEDENE SORTEN EINSETZEN KANN, VON HOPFIGEN DUNKLEN ZU MALZIGEN HELLEN BIEREN UND SOGAR SÄUERLICHEN LAMBICS ODER MISCHVERGORENEN ALES.
Man verwendet dazu einfach das Bier, das man zur fertigen Speise trinken möchte, allein oder in Kombination mit Fond oder Wasser – alles andere erledigt sich von selbst. Die nach dem Schmoren verbleibende Flüssigkeit kann als Grundlage für eine kräftige Suppe dienen. Man lässt eine Handvoll Reis oder Gerstengraupen eine Stunde darin köcheln und hat so das Mittagessen für den nächsten Tag.
Aus Resten von Schmorgerichten kann man einen schmackhaften Eintopf machen, vor allem wenn sie mit Bier zubereitet wurden.
FRITTIEREN
David Ort erklärt in seinem Canadian Craft Beer Cookbook, er hoffe, »wir können uns darauf einigen, zwei Irrtümer in Bezug auf Frittieren über Bord zu werfen, nämlich dass es in der eigenen Küche ebenso schwierig wie gefährlich ist«.
Dem würde ich mich gern anschließen, bin aber nicht sicher, ob wir wirklich schon so weit sind. Tatsächlich ist das Frittieren einfach und ungefährlich, solange man die gängigen Ratschläge befolgt: einen Deckel griffbereit halten, das Auszubackende in kleineren Portionen frittieren und den Topf mit dem heißen Öl nicht aus den Augen lassen. Und da wir schon dabei sind, möchte ich noch hinzufügen: Das Ergebnis muss köstlich schmecken. Und Frittieren hat nicht nur in Bezug auf die Sicherheit bei der Zubereitung ein Image-Problem. Es leidet unter seinem Status als Standardzubereitung oft wenig hochwertiger Snacks. In jedem Pub, in jeder Strandbar, in jeder anspruchslosen Imbissbude kann man sehen, was ich meine: öltriefende Onionrings, die eine Stunde zuvor noch Gefrierbrand hatten, labberige Fish & Chips mit doppelt so viel Ausbackteig wie Fisch und diverse mehr oder weniger ansehnliche Hähnchenteile, die paniert ins Öl getaucht werden, um Minuten später übergart und fettig wieder herausgefischt zu werden. Das reicht, um einem das Frittieren ziemlich zu verleiden.
Zum Glück geht es aber auch anders. Wenn man zu Hause selbst frittiert, dabei das Öl nicht ranzig werden lässt, auf ausreichende Hitze achtet und einen hochwertigen Backteig verwendet. Hier kann Bier hilfreich sein, da der Teig durch die Kohlensäure nicht nur leichter und luftiger wird, sondern auch feiner, weil das Bier die Klebeigenschaften des Mehls verstärkt.
Natürlich darf man auch beim Frittieren kein hopfenbetontes Bier verwenden, denn bitter schmeckenden Backteig will keiner essen. Zu dunkles Bier wiederum kann zu einem optisch unansehnlichen Ergebnis führen, selbst wenn der Geschmack hervorragend ist. Hingegen ist Ausbacken eine der wenigen Zubereitungsarten, bei denen man körperarme Lagerbiere verwenden kann, da sie nur leicht bitter, aber gewöhnlich stark kohlensäurehaltig sind. Man braucht also bloß das richtige Bier zu wählen, dann erhält man frittierte Leckerbissen, die herrlich knusprig und immens schmackhaft sind.
Zu frittierten Fleischtaschen passt eine Dipsauce, die durch Bier vielleicht noch besser wird.
BIER MIT DESSERTS & SCHOKOLADE
Bier und Desserts wirken auf den ersten Blick unvereinbar. Um zu erkennen, dass sie sich sehr gut vertragen, braucht man sich nur die vielen süßen, malzigen, karamelligen oder schokoladigen Biere anzusehen, die es heute gibt. Natürlich gilt es hier wie immer, das richtige zu wählen, und nicht auf stark hopfige Biere zu setzen.
AM FLEXIBELSTEN SIND SCHOKOLADENDESSERTS, DIE MIT EINER VIELZAHL VON GESCHMACKSNOTEN HARMONIEREN, VOM ZITRUSBETONTEN HOPFEN AMERIKANISCHER PALE ALES UND IPAS BIS ZU DEN SCHOKOLADENOTEN VON BROWN ALES, STOUTS UND PORTER.
Biere mit Karamellnoten wie Dubbel, Doppelbock sowie einige Brown und Amber Ales verleihen Eiscreme, Kuchen und Cremes einen intensiveren Geschmack, während herbschokoladige Kuchen, Brownies und Kekse vom Restzucker profitieren, der in stärkeren süßen und malzigen Bieren vorhanden ist. Zu guter Letzt sollte man bei der Planung eines bierkulinarischen Desserts auch nicht die Vorteile süßer Fruchtbiere übersehen. Von Bierfreunden meist als zu zuckerhaltig abgetan, können sie durch genau diese Qualitäten als ideale Zutaten für Zabaglione und aromatisierte Sahnehauben dienen bzw. zum Pochieren von Obstsorten wie Äpfeln oder Birnen.
BIER & SCHOKOLADE
Wer sich heute ernstlich für Bier interessiert, weiß für gewöhnlich, dass sein Lieblingsgetränk oft gut zu Schokolade passt. Man muss lediglich im Feinkostladen ein paar Schokoladentrüffeln oder auch etwas weniger Teures erstehen, um sich einen kulinarischen Hochgenuss zu ermöglichen. Vielleicht weniger bekannt sind generell die Komplimentärmerkmale, die diese Kombination so stimmig machen. Ich muss Peter Slosberg, dem Brauer des heute nicht mehr existierenden Pete’s Wicked Ale danken, dass er mich auf diese Ähnlichkeitsaspekte hingewiesen hat. Ich wusste, dass sowohl für Bier als auch für Schokolade die Bitterkeit charakteristisch ist, bei Bier durch den Hopfen, bei Schokolade durch den Kakao. Was mir hingegen fehlte, waren genauere Kenntnisse über Geschichte und Herstellung der Schokolade. Mir war nicht bewusst, dass Schokolade ebenso wie Bier ihre Bittere durch Gärung erhält und schon viele Jahrtausende produziert wird. Zudem wies Pete darauf hin, dass für sowohl Bier als auch für Schokolade eine empfindliche Balance zwischen süß und bitter charakteristisch ist. Es sind also Sorten erforderlich, die in sich vollkommen oder fast vollkommen ausgewogen sind. Das heißt nicht, dass ein Bier nicht dominant süß oder bitter sein darf. Es bedeutet lediglich, dass das dominante Merkmal eines Bieres von anderen Aspekten ausreichend gestützt werden muss. Ein stark hopfiges IPA beispielsweise kann wunderbar ausgewogen sein, wenn sich seine Bittere auf malzige Süße stützen kann. In gleicher Weise braucht ein malzbetontes Bier eine belebende Hopfennote, damit es nicht aufdringlich zuckrig wirkt. Bei Schokolade verhält sich das nicht anders. Herbe, stark kakaohaltige Schokolade braucht einen Hauch Süße, um genießbar zu sein, so wie süße Schokolade auf die Bitterkeit des Kakaos angewiesen ist, um nicht zu einer langweiligen Zuckerbombe zu geraten.
Ausgewogene Biere und Schokoladen ermöglichen zahlreiche Kombinationen. Eine gute Trüffelpraline mit Zitronenfüllung beispielsweise lässt sich mit einem Double-IPA kombinieren, und das nicht nur aufgrund der Zitrusnote des Hopfens, sondern auch deswegen, weil die Süße der Schokolade von der Bittere des Kakaos getragen wird – ein Zweiklang, der vom Bier aufgegriffen wird, sodass eine regelrechte Geschmackssymphonie entsteht.
Hier kann man dann auf verschiedene Weise weitermachen: von herber Schokolade mit 80 % Kakao in Kombination mit Barley Wine im britischen Stil bis hin zum Schokoriegel, zu dem man ein Pale Ale genießt, immer vorausgesetzt, der Grad an Bitterkeit in Bier und Schokolade passt. Eine Ausnahme bildet weiße Schokolade, die keine Bitterkomponente aufweist, da sie keine Kakao-Feststoffe enthält.
Wer Bier zu Schokolade genießen möchte, muss auf die Balance zwischen Süße und Bitterkeit achten.
DAS PASSENDE GLAS
Um das Kind gleich beim Namen zu nennen: Die Form des Bierglases bestimmt, wie man sein Bier schmeckt, riecht und erlebt. Das wurde wissenschaftlich und praktisch untersucht und bewiesen, sodass daran nicht der geringste Zweifel besteht. Allerdings muss man seine Geschmacksknospen schon ziemlich anstrengen, um zu bemerken, dass ein IPA aus einem einfachen konischen Glas völlig anders schmeckt als aus einer organisch geschwungenen »Biertulpe«. Oder dass ein Trappistenbier jeweils andere Aromen bietet, wenn es in einem Kelchglas serviert wird oder in einem Cognacglas. Bei einer Bierverkostung mögen die Unterschiede durchaus auffallen, aber in einer Bar, in einem Restaurant oder daheim in geselliger Runde werden solch feine Nuancen wohl kaum massiv hervortreten.
Widmen wir uns daher lieber dem ästhetischen Aspekt der Gläser. Was nämlich ebenfalls als bewiesen gilt, ist die Tatsache, dass die Optik unser Geschmackserlebnis qualitativ beeinflusst. Einfach gesagt: In einem schönen Kelchglas serviert wird ein Trappistenbier einen besseren Eindruck machen als in einem Plastikbecher und schon dadurch einen intensiveren Trinkgenuss ermöglichen. Nicht anders verhält es sich bei einem IPA, wenn es in einem elegant geschwungenen Pintglas und nicht in dickwandigen Shaker-Pints serviert wird, wie in amerikanischen Bars gang und gäbe. Oder bei einem Hefeweizen, das in einem Weißbierglas ganz anders perlt, als in einem Henkelkrug.
Sehr wichtig ist auch die Sauberkeit der Gläser. Ein Glas, an dem Fett- oder Spülmittelreste haften, vermindert die Fähigkeit des Bieres, sich im Glas aufzubauen und die Schaumkrone zu behalten, in extremen Fällen kann sogar ein Fehlgeschmack entstehen. Sofern möglich, sollte man daheim Gläser speziell für Bier haben, sie nicht in der Spülmaschine waschen und sie grundsätzlich nicht mit Spülmittel, sondern nur mit heißem Wasser und einer harten Bürste reinigen. Wer sich daran hält, wird merken, dass sein Bier aus solchen Gläsern besser schmeckt.
UND VOR ALLEM: GLÄSER GEHÖREN NICHT IN DEN GEFRIERSCHRANK. IN DEN KURIOSEN BARS ODER RESTAURANTS, DIE IHRE GLÄSER IM EISSCHRANK AUFBEWAHREN, SOLLTE MAN EIN GLAS MIT RAUMTEMPERATUR VERLANGEN, DA EXTREME KÄLTE DIE AROMEN VON BIER UNTERDRÜCKT UND DEN GESCHMACK VERÄNDERT. EIN EISKALTES BIERGLAS VERMINDERT DEN TRINKGENUSS UM MINDESTENS 10-20 PROZENT.
Zu voller Geltung kommt ein Bierstil nur im passenden Glas – allerdings schmeckt Bier aus jedem noch so klobigen oder unansehnlichen Gefäß immer noch besser als aus der Flasche.
DIE OPTIMALE TRINKTEMPERATUR
Die meisten Leute (sogar viele Bar- oder Restaurantbetreiber) lagern ihr gesamtes Biersortiment bei Standardkühlung, die für die optimale Trinktemperatur zu kalt ist (etwas zu kühl sogar für untergärige Sorten wie Pils, Hefeweizen oder Berliner Weiße). Ein Weinkühlschrank oder Weinkeller kann hilfreich sein, weil potente und komplexe Ales wie Barley Wine, Old Ales und Imperial Stouts hier näher an ihrer optimalen Temperatur gelagert werden können. Aber diese Möglichkeit haben Normalverbraucher selten. Für die allermeisten bedeutet dies, dass sie die Flasche oder Dose rechtzeitig aus dem Kühlschrank nehmen müssen, damit das Gebraute ausreichend Zeit hat, um auf Trinktemperatur zu kommen. Kühlschränke sind im Schnitt auf etwa 2,5 °C eingestellt. Da sich bei dieser Temperatur der Geschmack verändert, empfiehlt es sich sogar bei leichteren und frischeren Bieren wie Pils, Hellem, Kölsch, Hefeweizen und Wheat Ale, das nächste Bier 10–15 Minuten vor dem Einschenken aus dem Kühlschrank zu nehmen, damit seine Temperatur auf etwa 5 °C ansteigen kann. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass es sich nachher im Glas weiter erwärmen wird (wer ein langsamer Genießer ist, benötigt also weniger Wartezeit.)
Britische Ales wie Best Bitter, herkömmliches IPA oder Pale Ale, Brown Ale, Porter, Stout und Mild serviert man am besten bei 11–13 °C, der sogenannten Kellertemperatur. Anders gesagt: Diese Biere benötigen eine halbe Stunde außerhalb des Kühlschranks, selbst wenn sie dadurch beim Einschenken noch etwas zu kühl sind. US-Versionen dieser Biere, also Pale Ale, IPA, hopfiges Brown Ale und Co. im amerikanischen Stil, können für gewöhnlich 1–3 °C kälter serviert werden, um ihrer Hopfigkeit entgegenzukommen. Gleiches gilt für Bock, Doppelbock, Weizenbock und alkoholarme belgische Stile wie Saison, Lambic und viele Gewürzbiere im belgischen Stil.
Starke und dunkle Ales, vom Dubbel über Scotch Ale bis hin zum Barley Wine, serviert man am besten am oberen Ende der Kellertemperatur oder wärmer (also zwischen 13–16 °C), damit sie ihre Geschmackspalette voll entfalten können. Sie müssen also mindestens eine Stunde vor dem Trinken aus dem Kühlschrank genommen werden.
Dabei sind die hier angegebenen Zeiten und Temperaturen lediglich Richtwerte. Natürlich wird sich Bier bei sommerlichen Außentemperaturen schneller erwärmen, Gleiches gilt aufgrund des dünnen Blechs für Dosen im Vergleich zu Flaschen. Entscheidend sind letztlich die persönlichen Vorlieben. Was den einen zu warm ist, wird anderen sicherlich zu kalt sein.
Bei jeder Art von Bier leidet der Geschmack, wenn es bei eisigen Temperaturen gelagert oder zu kalt serviert wird.