»Sind das etwa … Rollschuhe?« Nicht nur Winnie und Adlerauge, nein, auch Pekka staunte nicht schlecht, als Polly mit dem Paar alter Rollschuhe vom Dachboden kam.
Polly grinste. »Eine Rutschpartie hat Elli in diese Notlage gebracht – und jetzt bringt sie sie hoffentlich wieder raus!«
Behutsam griff sie sich das verletzte Bein der Rentiermama. Winnie hatte den Bruch im Unterschenkel säuberlich geschient und verbunden, aber trotzdem zuckte Elli unter Pollys Berührung zunächst zusammen.
Polly legte ihre Hand an Ellis Wange. »Keine Angst, ich bin ganz vorsichtig, versprochen!«
Als ob sie sie verstanden hätte, nickte die Rentierdame schließlich und ließ Polly gewähren. Ganz sanft streifte Polly den alten Rollschuh über den Huf des verletzten Beines und band die Schnürsenkel fest. Zufrieden lächelte sie die tapfere Rentiermama an.
»Sieht so aus, als würde das Ding perfekt passen!«
Dann nickte sie Roberta zu, die sich mit Adlerauge und Schneeflöckchen vor dem Kaminfeuer aufwärmte, und Roberta erhob sich. Ganz vorsichtig schlang sie ihren Rüssel um Ellis Bauch und hievte die Rentierdame auf die Beine.
Erst stand Elli noch ein bisschen wackelig auf allen vieren, aber dann wurde sie immer sicherer. Schließlich wagte sie sogar ein paar erste Schritte. Der Huf im Rollschuh ließ sich zwar nicht bewegen, rollte aber fleißig mit und war Elli nicht im Weg.
Pekka staunte. »Unglaublich! Sie kann wieder laufen!«
»Sie wird zumindest schnell genug sein, um Anlauf zu nehmen – für was auch immer ihr vorhabt.« Polly grinste stolz. »Aber ihr müsst natürlich noch ein bisschen üben, bevor sie genug Tempo draufhat!«
Pekka lächelte sie ungläubig an und schlang dann seine kurzen dicken Arme um Polly.
»Ich weiß zwar nicht, wie du all das angestellt hast, aber glaub mir: Dieses Jahr hast du Weihnachten gerettet! Das … das ist wirklich ein Wunder!«
Nur mit Müh und Not schaffte Polly es, sich aus seiner überschwänglichen Umarmung zu befreien.
»Na ja, ich glaube, das ist etwas übertrieben. Ich habe zwar Elli wieder mobil gemacht, aber mit Weihnachten hat das leider gar nichts zu tun. Im Gegenteil …«
Plötzlich wanderte Pollys Blick ein weiteres Mal aus dem Fenster. Draußen ging der Tag bereits zu Ende, die Wintersonne tauchte hinter dem verschneiten Wald ab – und sie saßen noch immer hier am ganz falschen Ende der Ostsee fest …
Erschöpft ließ Polly die Schultern sinken. »Ich fürchte, für uns fällt Weihnachten dieses Jahr ziemlich ins Wasser. Oder besser gesagt: in den Schnee …«
Verständnislos blickte Pekka sie an.
Polly seufzte. »Morgen ist bereits Heiligabend und wir sind immer noch hier im Eis gefangen. Selbst wenn ich es ein weiteres Mal schaffe, uns zu befreien, kommen wir niemals bis morgen zurück nach Kalifornien zu meiner Familie …«
Die Vorstellung, dass sie Weihnachten dieses Jahr ohne ihre Liebsten würde feiern müssen, machte sie potzblitztraurig!
Was Lotti wohl sagen würde, wenn Polly nicht gemeinsam mit ihr um den Tannenbaum tanzen würde? Und Gulasch und Suppe? Ob sie sie bereits vermissten? An Papa wollte Polly gar nicht erst denken. Er würde sicher Rotz und Wasser heulen, und auch Mama müsste bestimmt ganz schön schlucken …
Pekka fuhr sich durch den Bart und lächelte dann. »Vielleicht kann ich euch bei dieser Angelegenheit ja behilflich sein – nachdem ihr mir heute ziemlich aus der Patsche geholfen habt.«
Polly und Winnie wechselten einen irritierten Blick.
»Und wie willst du das anstellen?«, fragte Polly und blinzelte die Tränen in ihren Augenwinkeln weg.
Pekka grinste. »Wenn ihr das Boot vom Eis befreit, sorge ich dafür, dass ihr euer eigenes kleines Weihnachtswunder erlebt und im Nu über die Ostsee braust!«
Mit kleinen entschlossenen Schritten sprang er aus dem Salon hinaus in den Flur und eilte zur Hausboottür. Und bevor Polly noch weiter nachfragen konnte, war er auch schon nach draußen verschwunden.
Was hatte er nur vor? Und viel wichtiger noch: Würde er tatsächlich helfen können, Polly, Winnie, Roberta und Adlerauge rechtzeitig nach Hause zu bringen …?