Kapitel 17

Fröhlich pfeifend betrat Jim das Maple Lake Inn und ging zielstrebig auf den Aufenthaltsraum zu. Er hatte Nora vorgeschlagen, ihn zu begleiten und ihn bei seinem Vorhaben zu unterstützen, doch sie hatte strikt abgelehnt. Lieber wollte sie es sich bei Cicero und Sugar auf der Couch gemütlich machen und im Internet nach einem dritten Hund suchen. Ihre verbissene Arbeitslust schien jäh wie weggefegt.

Erst war es Jim gar nicht aufgefallen, so unterschwellig hatte die Rückbesinnung begonnen. Dann allerdings war die Veränderung nicht mehr zu übersehen gewesen. Und plötzlich war Nora auch wieder auf ihr gemeinsames Vorhaben eingegangen, einen dritten Hund anzuschaffen. Das war ebenfalls schleichend geschehen – ein dezenter Einwurf an einem Tag und am darauffolgenden der nächste.

Nora und Molly offenbarten ihm nicht, was sie an jenem Abend in der Tavern miteinander gesprochen hatten. Streng hüteten sie die Unterhaltung wie ein besonderes Geheimnis – und das würde es wohl bleiben. Wenngleich Jim neugierig war, ließ er die Angelegenheit ruhen. Für ihn zählte das Resultat.

Er betrat den Raum und blickte sich um.

Franklin Bauers und Levi Strauss saßen an einem Tisch bei der Fensterfront.

Jim begrüßte die beiden und nahm Platz. »Danke, dass ihr gekommen seid und euch Zeit für mich nehmt.«

»Wir sind offen gestanden gespannt, was du von uns möchtest«, entgegnete Franklin. »Von uns zusammen«, fügte er hinzu.

Levi nickte beipflichtend. »Es hat den Anschein eines Veteranentreffens. Also, direkt heraus mit der Sprache.«

Jim setzte sein verbindliches Anwaltslächeln auf. Erst wollte er auf sein offizielles Anliegen eingehen, bevor er die vergleichbare Zukunftssituation ins Spiel bringen würde. Der Spuk des Alterns geisterte seit einigen Tagen vehement durch seinen Kopf – und er bezog sich nicht allein auf Franklin und Levi. »Das ist rasch erklärt: Wir planen ein Weihnachtsfest. Es wird am 24. Dezember an einem öffentlichen Platz stattfinden, wo ist noch nicht geklärt. Jeder aus Maple Creek und Umgebung ist eingeladen. Da freie Zeit bei allen knapp bemessen ist, benötigen wir eure Mithilfe bei den Vorbereitungen.«

»Wer ist wir, und wie seid ihr auf die Idee gekommen?«, fragte Franklin sofort.

Er war in der Tat Journalist mit Leib und Seele. Jim unterdrückte ein Schmunzeln. »Ursprünglich stammt der Einfall von Molly und Nat. Sie haben jedoch nur eine Zusammenkunft im engsten Freundeskreis erwogen. Nun, ein Wort ergab das andere, und aus dem kleinen weihnachtlichen Treffen wurde eine Feier für ganz Maple Creek.« Er beugte sich vor. »Ihr kennt den Druck, unter dem Molly, Nat und die anderen stehen. Sie können nicht die gesamte Last auf ihre Rücken packen.«

»Also ich bin dabei«, antwortete Levi. »Rosalie wird sich freuen. Sie befindet sich bereits im Backwahn und wird es sich nicht nehmen lassen, massenhaft Weihnachtskekse beizusteuern.«

»Mir gefällt das Vorhaben ebenfalls. Valerie und ich unterstützen euch gerne. Ihre Backkünste halten sich jedoch in Grenzen. Hast du schon Aufgaben für uns parat, Jim?«

»Nein.« Jetzt oder nie! Eine bessere Gelegenheit wird sich nicht bieten, alles in einem Aufwasch darzubringen, dachte Jim. »Als ich sagte ›Mithilfe bei den Vorbereitungen‹, meinte ich eigentlich, dass wir drei die Organisation übernehmen sollten. Klappt das gut, könnten wir in der Folge womöglich andere gemeinsame Projekte angehen. Franklin, du übergibst deine Position an Molly, Levi sucht einen Nachfolger für die Praxis. Und ich? Seit ich ausschließlich kleine Fälle in der Gegend annehme, wird es langsam still um mich. Ich bin nicht unglücklich darüber, vor dem Fernseher möchte ich allerdings nicht versauern.«

Levi lachte auf. »Mit einer Frau wie Nora wäre das auch nicht möglich. Sie würde dir gehörig Feuer unterm Hintern machen.« Er besann sich. »Seit wann denkst du über das alles nach, Jim?«

»Ehrlicherweise kam der Anstoß von dir. Deine Überlegungen wegen der Zukunft haben mich nicht nur inspiriert, über dich und Franklin zu sinnieren, sondern genauso über meine Situation. Ich bin zwar etwas jünger als ihr, aber wie lange wird es dauern, bis ich ebenso vor einer gähnenden Leere stehe? Behaltet es bitte für euch, weil ich mit keinem anderen darüber reden will, nicht mal mit Nora. Bei uns kehrt langsam wieder Friede ein, und ich habe nicht vor, sie durch meine innere Unrast zu animieren.«

Franklin nickte. »Nur wer sich in derselben Lage befindet, kann die Panik vor der Untätigkeit nachvollziehen. Wenn ihr wüsstet, womit ich mich beschäftige, um die Spannung zu erhalten. Sei’s drum! Welche Projekte erwägst du, Jim? Ich hoffe, dass du uns nicht zu den künftigen Eventmanagern Maple Creeks erkoren hast.«

»Bestimmt nicht. Ein Arzt, ein Journalist und ein Anwalt – alle drei mit viel Erfahrung und bis oben hin voll mit Weisheit. Lasst uns ein interessantes Grundthema finden und unsere Kenntnisse aus den unterschiedlichen Perspektiven zu Papier bringen.«

Sowohl Franklin als auch Levi starrten ihn entgeistert an.

»Verstehe ich dich richtig? Wir sollen gemeinsam ein Sachbuch oder etwas Vergleichbares schreiben?«, fragte Levi schließlich.

Jim war bewusst, dass er weiter ausholen musste, um seinem Geistesblitz Form zu geben. »Genau. Ein Beispiel: Levi, dich interessiert Geschichte. Nicht wer wann gegen wen Krieg geführt hat, sondern die Geschichte der Medizin. Und du, Franklin, wärest begeistert, die negativen Seiten der christlichen Historie aufzurollen. Dann könntest du den Reverend in Ruhe lassen.«

»Weißt du etwa von Molly –?«, fuhr Franklin auf.

Jim schnalzte mit der Zunge. »Schau, schau. Molly ist also informiert? Sie ist nicht meine Quelle. Verrate mich bloß nicht. Valerie und Nora sind sich unlängst begegnet, und deine Frau hat ein paar Meldungen fallen gelassen. Nichts Eindeutiges, aber du darfst nicht unterschätzen, dass Nora ebenfalls aus eurer Branche stammt. Sie versteht es, eins und eins zusammenzuzählen.«

Levis Blick schwenkte zwischen Jim und Franklin hin und her. »Wollt ihr mich aufklären?«

»Ich überprüfe ein paar Dinge aus dem Leben des Reverends«, antwortete Franklin ausweichend. Auf einmal wirkte er unruhig. »Kehren wir zurück zum primären Thema. Was haltet ihr davon, wenn wir uns in zwei, drei Tagen wiedertreffen und mit der Planung für die Weihnachtsfeier beginnen? So haben wir auch Zeit, über die andere Sache nachzudenken.«

»Am Freitag ist meine Praxis geschlossen. Meeting um zehn, hier?«

Jim und Franklin nickten zustimmend.