Kapitel 23

Nora drückte Jims Hand. Eine Reihe von Gefühlen durchflutete sie, und sie spürte, wie ihre Augenwinkel feucht wurden. Sie drehte sich Jim zu und betrachtete seine Miene. Ihm schien es ähnlich zu ergehen.

»Wir haben sie vor einer Woche in einem verlassenen Stall gefunden«, erklärte die Tierpflegerin. »Ein Spaziergänger hörte Geräusche und hat nachgeschaut. Zum Glück war er so umsichtig, uns sofort zu verständigen. Ohne den Unterschlupf hätten die Kleinen die Kälte nicht überlebt.«

»Sie sind so winzig«, flüsterte Nora. »Darf ich sie streicheln?«

Die Pflegerin schüttelte den Kopf. »Leider nein. Sie befinden sich noch in Quarantäne. Deshalb gehen wir nicht näher heran.«

»Wie alt sind sie?«, erkundigte sich Jim.

»Der Tierarzt schätzt sie auf drei bis vier Wochen. Sowohl die Mutter als auch die Welpen sind gesund. Die Hündin ist nur geschwächt von der Geburt und Aufzucht. Sie ist bereits sieben oder acht Jahre alt.«

»Was geschieht mit ihr in der Folge?«

»Die Welpen zu vermitteln, ist kein Problem. Wir haben einige Interessenten. Bei der Mutter sehen wir jedoch kaum Chancen auf einen Platz. Vermutlich wird sie ihr restliches Leben hier verbringen müssen.«

Jim stieß einen Seufzer aus. »Wie traurig. Erst fristet sie ihr Dasein als Streunerin, dann wird sie gefunden, und keiner möchte sie haben.«

»Als Tierheimmitarbeiter sind wir an derartige Schicksale gewöhnt. Einen Besitzer für ältere Tiere aufzustöbern, ist nahezu unmöglich. Sie sagten, Sie haben zwei Hunde?«

Nora nickte. »Einen Border Collie und einen Yorkshire Terrier, Rüde und Hündin. Beide sind nicht mehr die Jüngsten.«

»Ein Jungtier wird Ihr kleines Rudel jedenfalls kräftig aufmischen. Sind Ihre Hunde gut sozialisiert, haben sie das allerdings im Griff. Sie zeigen dem Welpen, wie er sich zu benehmen hat«, antwortete die Pflegerin. »Noch können Sie wählen. Es sind erst zwei der sieben Babys fest vergeben. Die beiden dunklen kommen jeweils in Familien mit Haus und Garten. Wir freuen uns jedes Mal, wenn wir gute Plätze finden. Ich lasse Sie jetzt ein paar Minuten allein. Sehen Sie sich die Tiere in Ruhe an. Es ist eine große Entscheidung, die nicht unüberlegt getroffen werden darf.«

Nora wartete, bis sich die Frau entfernt hatte, dann platzte sie heraus: »Mir gefällt das hellbeige Welpenmädchen am besten. Es hat dieselbe Farbe wie ihre Mutter. Die will ich im Übrigen auch unbedingt mitnehmen.«

»Wen? Die Mutter?«

»Nun starr mich nicht so entgeistert an. Spürst du es nicht genauso? Wir haben uns für einen Welpen aus dem Tierheim entschieden. Daran sollten wir nicht rütteln. Aber vor uns sitzt eine alternde Hündin, die dringend ein liebevolles Zuhause braucht. Ich könnte sie nicht in diesem Zwinger lassen. Das ist Schicksal.«

Jims Blick schwenkte zu der Hundefamilie. »Ist dir klar, was wir uns damit aufhalsen würden?« Seine Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln. »Zwei Namen zu finden, wird nicht einfach. Obendrein gebe ich zu bedenken, dass die Damen eine starke Front im Haus bilden werden. Das Verhältnis ist vier zu zwei. Cicero und ich müssen uns wappnen.«

Abrupt schlang Nora die Arme um Jim. »Herrgott, ich liebe dich!«

»Für diese drei Worte packe ich die ganze Rasselbande ein. Komm, lass uns nach der Pflegerin suchen.«

Hand in Hand schritten sie den Gang entlang. Nun war es Jim, der Noras Finger fest umschlungen hielt und zudrückte. Sie registrierte es mit einem leisen Schmunzeln. Später – eventuell sogar Wochen oder Monate danach – würde sie ihm alles erzählen: was sie geplant hatte, wie sie vorgegangen war, warum sie auf diese Weise gehandelt hatte. Jetzt genoss sie erst einmal die Harmonie, die endlich wieder eingekehrt war.