Samantha überlegte gerade, ob sie noch einmal zur Pforte gehen und an der Gegensprechanlage klingeln sollte, als endlich die Tür aufging. Jarl Inge schaute nach links und rechts, ehe er sie sah. Samanthas Brustkorb schnürte sich zusammen.
Jarl Inge wischte sich mit der Hand über Mund und Nase. Er hatte einen Rucksack über der Schulter und einen kleinen Pappkarton unter dem Arm. Normalerweise hatte er einen wiegenden Gang, als wollte er allen demonstrieren, wie hart und gefährlich er war. Jetzt hingen seine Schultern herunter. Sein Blick war auf den Boden vor seinen Füßen geheftet, als wollte er möglichst keine Blicke auf sich ziehen.
Samantha schüttelte sich noch einmal.
Sie machte die Tür auf und stieg aus. Es tropfte von oben. Winkend ging sie ihm entgegen. Sie setzte ein vorsichtiges Lächeln auf. Jarl Inge kam mit gesenktem Blick auf sie zu. Samantha sah schon von Weitem seine bandagierte Nase. Erst als er den Parkplatz erreichte, hob er den Kopf und nickte ihr zu.
Sie umarmten sich kurz.
»Endlich«, sagte sie und schob ihn von sich weg. »Du bist raus. Glückwunsch.«
Jarl Inge kommentierte das nicht, sagte stattdessen:
»Hast du es schon gehört?«
»Was?«
Er wischte sich ein paar Regentropfen aus dem Gesicht.
»Rita«, sagte er. »Sie haben sie gefunden.«
Sein Blick flackerte.
»Sie wissen noch nicht, ob sie es ist«, sagte Samantha.
»Sie wissen es«, sagte er. »Wollen es nur nicht sagen. Wer zum Teufel sollte es sonst sein?«
Samantha sagte nichts.
»Lass uns losfahren«, sagte er schließlich und nahm den Rucksack von der Schulter. »Gib mir die Schlüssel«, schob er hinterher und streckte die Hand aus.
»Nein.«
Jarl Inge musterte sie skeptisch. »Nein?«
»Falls du es vergessen hast«, sagte Samantha. »Du hast keinen Lappen. Also wird deine erste Tat nach der Entlassung nicht sein, dass du nach Hause fährst. Bist du noch ganz sauber?«
Er seufzte genervt.
»Egal. Lass uns auf alle Fälle fahren.«
Sie gingen zum Auto.
»Danke, dass du gekommen bist, um mich abzuholen«, sagte Samantha ironisch. »Ich freu mich auch, dich zu sehen.«
Er sagte nichts und setzte sich auf den Beifahrersitz, nachdem er das Gepäck auf der Rückbank verstaut hatte. Samantha setzte sich hinters Steuer, startete den Wagen und fuhr vom Parkplatz.
»Wo ist mein Handy?«, fragte er mit aggressivem Unterton.
»Dein Handy?«
»Ja, du solltest mir doch ein Handy besorgen. Wo ist das?«
»Das … liegt zu Hause«, sagte sie nach kurzem Zögern. »Ich hab … nicht dran gedacht, es einzupacken.«
Jarl Inge seufzte. Schüttelte den Kopf.
Samantha fuhr Richtung Autobahn und warf einen Blick über die Schulter auf den Kram auf der Rückbank.
»Ich dachte, du hättest ein Handy?«, sagte sie.
Er drehte die Handflächen nach oben.
»Wie blöd bist du eigentlich? Das kann ich doch nicht mit rausnehmen. Ich hab es Grubber überlassen.«
Samantha presste die Lippen aufeinander. Sie fuhr auf die Autobahn und hielt sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung. In regelmäßigen Abständen fuhren die Scheibenwischer über die Frontscheibe. Wenn sie einigermaßen durchkamen, wären sie in anderthalb Stunden zu Hause.