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Schon als er die Haustüre aufschloss, hörte Phil das Telefon klingeln. Er widerstand dem Reflex, die beiden Treppen zu seiner Wohnung hochzuhasten, beendete stattdessen seinen Morgenlauf in demselben gleichmäßigen Laufschritt, in dem er immer joggte. Es hatte ihm gutgetan, einmal wieder zu laufen und er nahm sich vor, die drei Laufstunden in der Woche, die er sich zum Ziel gesetzt hatte, nun endlich kontinuierlich durchzuhalten. Der Job würde ihn noch auffressen, wenn er dieses Minimum an Disziplin nicht aufbrachte.

Als er in die Wohnung kam, hatte das Klingeln aufgehört. Auch gut, dachte er, wenn er sich beeilt hätte, wäre sein freier Tag wohl dahin gewesen. Er machte noch ein paar abschließende Dehnübungen im Korridor und nahm einen tiefen Schluck aus der Wasserflasche. Auf dem Weg zur Dusche überlegte er sich, wann er das letzte Mal in seiner CD-Sammlung gekramt hatte.

Die heiße Dusche vertrieb den Anflug von Frustration, und er begann zu pfeifen. Nirgends gelang ihm das besser als im Bad, und es war ihm auch ziemlich gleichgültig, wie falsch es sich anhörte. Phil rubbelte sein nasses Haar, er hatte schon lange aufgegeben, diesem dichten Pelz mit einem Kamm beizukommen, und ging in die Küche. Ein Blick in den Kühlschrank sagte ihm, dass er einkaufen musste. Außer einem Stück Käse, ein paar Eiern und dem Rest einer Salami, fand er nichts für ein vernünftiges Frühstück. Auch die Kaffeedose enthielt nur noch einen Rest. Missmutig schloss er sie wieder. Er war wohl tatsächlich nur noch zum Schlafen hier. So sah seine Wohnung auch aus. Mit dem Finger strich er den Staub vom Schuhschrank im Flur. Erst einkaufen, sagte er sich, vielleicht blieb ja dann noch Zeit zum Saubermachen.

Das Telefon klingelte wieder und erleichtert nahm er ab. Es gab doch noch höhere Mächte.

„Das kostet dich aber jetzt mehr als ein Eis“, tönte Sandras muntere Stimme aus dem Hörer, „hast du im Lotto gewonnen, oder einfach keine Lust zum Arbeiten? Wenn ich dich einmal erreichen will, bist du nicht in der Redaktion …“

„Nur ein freier Tag einer ganzen Reihe, die ich noch guthabe.“ Phil wurde es heiß und kalt. Hatten sie eine Verabredung zum Skaten? Sandra hatte er glatt vergessen. Diese gute Beziehung durfte er nicht aufs Spiel setzen. Solche Informantinnen wuchsen schließlich nicht auf den Bäumen. „Muss man sich eigentlich immer halbseidene Unterstellungen deiner Kollegen anhören?“, beklagte sich Sandra. „Die Privatnummer haben Sie doch wohl“, äffte sie Wolfgang nach. „Du musst ja ein vielgefragter Mann sein.“

„Nimm’s nicht tragisch!“, beruhigte Phil sie, „Der Kerl ist einfach neidisch.“

Sandra lachte – also konnte sein mögliches Versäumnis nicht so tragisch sein, befand er.

„Aber zur Sache jetzt“, zwitscherte sie fröhlich, „am Rathaus ist eine Demonstration. Unsere Leute sind mit mehreren Streifenwagen losgefahren. Ich dachte, das interessiert dich. Wenn du allerdings Besseres zu tun hast – deine Kollegen hören auch unseren Funk ab.“

„Du hast recht, das kostet mehr als ein Eis. Danke vorerst.“ Phil legte auf. Noch während sie sprach, hatte er schon seine Schuhe bereitgestellt und war nur Minuten später auf dem Weg zum Rathaus.

Lautes Geschrei empfing ihn und eine Menschenmenge, die ihn am Fortkommen hinderte. Er zwängte sich einen Weg durch die Menge und kassierte Knüffe und Tritte auf die Füße.

Eine wilde Horde von Arbeitern skandierte mit mehreren Megaphonen vor dem Rathaus: „Rauskommen Hasselberg!“ und ließ sich auch von der Polizei, die ihr Möglichstes versuchte, die wilde Demonstration aufzulösen, nicht beruhigen.

Aus Gesprächsfetzen entnahm er, dass Auslöser für den Volksaufstand hier eine Betriebsversammlung der Verputzerfirma Moreno war. Offensichtlich waren darin die Arbeiter von einem Notstand informiert worden. Von einer drohenden Streichung des Weihnachtsgeldes war auch die Rede. Phil fotografierte blind in die Menge, fragen konnte er später. Er hatte allerdings seine Zweifel, ob Oberbürgermeister Hasselberg sich dieser Meute stellen würde. Die ersten Steine flogen, die Menge der Schaulustigen stob auseinander und Phil fand Deckung hinter einer Litfaßsäule, als ein Stein das gläserne Portal des Rathauses traf. Die Polizei ging inzwischen mit Schlagstöcken vor, ohne die wütende Menge jedoch ernsthaft in Schach halten zu können. Er hörte Polizeisirenen und sah, dass die wenigen Polizisten Verstärkung bekommen hatten.

Dann ging alles sehr schnell. Phil geriet in die Fontäne eines Wasserwerfers, er rettete gerade noch seine Kamera, als sich Handschellen um seine Gelenke schlossen. Brutal wurde er nach vorne gestoßen und mit einem „hier hinein, Freundchen“ direkt in die geöffnete Tür eines Einsatzwagens gestoßen. Es war nicht die Tatsache, dass man ihn fälschlicherweise für einen Randalierer hielt – diesem Aspekt hätte Phil noch sehr viel Positives abgewinnen können –, es war das selbstgefällige Grinsen des jungen Bereitschaftspolizisten, das ihn in Rage brachte. Diese offensichtliche Lust an purer Machtausübung ließ ihn explodieren.

„Nehmen Sie mir sofort die Handschellen ab“, zischte er, „andernfalls möchte ich nicht in Ihrer Haut stecken, wenn Ihnen morgen Ihr Vorgesetzter meinen Kommentar im Tagblatt über Polizeiwillkür unter die Nase hält.“

„Da musst du dir etwas Besseres einfallen lassen, als mir zu drohen, Bürschchen“, entgegnete der Polizist arrogant.

„Ich kann mich nicht erinnern, Ihnen das Du angeboten zu haben, aber was streite ich mich mit Ihnen, greifen Sie in meine linke Brusttasche, da steckt mein Presseausweis.“

Die Charakterstudie, die dieser Ankündigung folgte, würde Phil wohl sein Leben lang nicht vergessen. Die Fassade herablassenden Dünkels fiel in sich zusammen wie ein Soufflé im Luftzug, während der Polizist Phils Presseausweis studierte. Übrig blieb der Gesichtsausdruck eines kleinen, in der Klemme steckenden Jungen, den man versehentlich in eine Uniform gesteckt hatte.

Phil bedauerte die drei feixenden Arbeiter, die bereits im Auto saßen. Sie würden diese Niederlage der Staatsgewalt bitter büßen müssen.

Die Prozedur hatte Zeit gekostet. Die Demonstranten waren bereits in sicherem Gewahrsam, der Platz geräumt, als Phil an den Ort des Geschehens zurückkehrte. Er sah Wolfgang mit gezückter Kamera aus dem Dienstwagen des „Tagblatts“ stürzen. Natürlich hatte sein Kollege den Golf mitten in der Fußgängerzone geparkt und Phil sah sogar auf die relativ große Entfernung das Presseschild hinter der Windschutzscheibe. Völlig überflüssig, aber wohl unerlässlich für Wolfgang, befand Phil. Jeder konnte schließlich die Aufschrift Tagblatt auf den Türen lesen.

Er genoss seine Schadenfreude über das Zuspätkommen Wolfgangs in kleinen Häppchen und registrierte erst aus dem verwunderten Blick der Sekretärin des Bürgermeisters, dass er wohl immer noch grinste. Die Lage musste ernst sein. Das Vorzimmer des Oberbürgermeisters, dessen weihevolle Aura Phil in aller Regel zum Senken der Stimme bewog, glich heute einem orientalischen Basar. Phil gratulierte sich zu dem Glücksgriff, alle wesentlichen Referenten des Bürgermeisters auf einmal serviert zu bekommen und steuerte auf Lutz Amman, den Pressesprecher des Rathauses, zu.

„Dr. Hasselberg ist leider nicht zu sprechen“, stoppte ihn die glasharte Stimme der Sekretärin, „er hat gleich eine wichtige Besprechung.“ Lydia Zirkel, Herrin fast jeder Lage, baute sich unnachgiebig vor ihm auf. Der Sturm auf ihr Büro musste ihr allerdings zugesetzt haben, denn aus ihrer sonst makellosen Frisur hatte sich eine Haarsträhne gelöst und die roten Flecken auf ihren Wangen ließen Anspannung erkennen. Die Aufregung verriet auch ihr wahres Alter. Sie musste doch schon nahe der Pensionsgrenze sein, obwohl ihr perfektes Äußeres das nicht vermuten ließ.

„Einen Augenblick, Frau Zirkel.“ Amman erkannte als ehemaliger Journalist den Ernst der Lage, löste sich aus der Gruppe und kam mit jovialem Lächeln auf Phil zu. „Wir sind in etwa 15 Minuten fertig, Herr Eisenmann – Sie können gerne so lange in meinem Büro warten. Wir stehen dann gerne Rede und Antwort. Den Weg dorthin kennen Sie ja.“

„Ich warte gerne hier bei Frau Zirkel – ihr Kaffee ist legendär“, entgegnete Phil mit gewinnendem Lächeln und setzte sich in einen der Besuchersessel. Er würde den Teufel tun und sich jetzt von hier vertreiben lassen. Da mussten sie schon stärkere Geschütze auffahren.

Die Sekretärin bedachte ihn mit einem kühlen Blick. Sie öffnete die Tür zum Zimmer des Bürgermeisters, das in einem einzigen kurzen Luftzug das Gefolge des Oberbürgermeisters in sich aufsog.

Phil blätterte hingebungsvoll in einer Zeitschrift, die auf dem Besuchertisch gelegen hatte, als das Telefon klingelte. Doch seine Erwartungen wurden enttäuscht, als Frau Zirkel nach einem „Augenblick bitte“ die Sprechmuschel mit der Hand bedeckte und sich an ihn wandte. „Wenn Sie bitte auf dem Flur warten könnten, Herr Eisenmann.“ Der Tonfall ihrer Stimme erinnerte an geschärften Stahl. Phil wusste, wann er sich geschlagen geben musste, hob resigniert die Hände und ging mit einem Lächeln, von dem er hoffte, dass es als abbittend ausgelegt wurde, nach draußen.

Er richtete sich auf eine längere Wartezeit ein und setzte sich an einen der gläsernen Besuchertische, die in einer Dreiergruppe am Treppenabsatz arrangiert waren, dem Tisch, an dem er die Türe zum Sekretariat im Blick hatte. Er musste allerdings nicht lange warten, bis sich die Tür öffnete und Pressereferent Amman ihn mit einem Winken aufforderte, sich ihm anzuschließen.

Amman, dessen Büro direkt neben dem Vorzimmer lag, bedeutete Phil, sich zu setzen, während er die Verbindungstür zum Sekretariat öffnete und frischen Kaffee bestellte. Die direkte Nähe zum Oberbürgermeister demonstrierte augenfällig die Bedeutung, die der Pressearbeit im Rathaus zugemessen wurde. Phil hatte einen guten Draht zum Pressereferenten, vielleicht auch deshalb, weil er dessen Arbeit nicht als Hofberichterstattung abwertete, wie es im Kollegenkreis Usus war.

Er beneidete Amman nicht um die Gratwanderung, die er täglich zu absolvieren hatte. Zum einen galt es natürlich die Interessen des Oberbürgermeisters wahrzunehmen, zum anderen musste sich der Journalist Amman ständig um weitgehende Offenheit der Presse gegenüber und um seine eigene Glaubwürdigkeit bemühen. Bisher war ihm dies in Phils Augen einigermaßen gelungen.

„Ich habe mit Ihnen gerechnet, Herr Eisenmann – schließlich haben Sie einen Ruf zu verlieren“, begann Amman und lehnte sich in seinem Sessel zurück, während er seine Fingerspitzen gegeneinander legte. „Ich denke, ich sage Ihnen alles, was es seitens des Rathauses zu dem heutigen Auftritt zu sagen gibt.“ Ein verschwörerisches Zwinkern erreichte seine Augen und verschwand so schnell wieder, wie es gekommen war. „Bei dem üblichen Frage- und Antwortspiel, das wir beide gerne spielen, zögen Sie heute nämlich den Kürzeren, und das wissen Sie sehr gut.“

Phil bewunderte seine Geschicklichkeit. Mit seiner „offenen“ Informationspolitik zog er ihn auf seine Seite, wohl wissend, dass intelligente Fragen immer ein Mehr an Aufklärung brachten, auch wenn die Journalisten eingangs vielleicht gar nicht überblicken mochten, wonach im Detail zu fragen war. Phil beschloss, auf die Vorgehensweise einzugehen. Vielleicht ergab sich ja noch die eine oder andere Möglichkeit.

„Lassen Sie hören.“ Er hatte schon seinen Block auf den Knien, als Frau Zirkel den Kaffee brachte und auf Ammans Schreibtisch stellte. Ihr Gesichtsausdruck war nicht unbedingt freundlicher geworden.

„Wir hatten ohnehin für morgen eine Pressekonferenz geplant“, begann Amman, während er selbstvergessen seinen Kaffee umrührte, ein Zeichen für die Unsicherheit, die hinter seiner zur Schau getragenen Gelassenheit steckte, „aber da Sie als Erster nachfragen …“

„… gestehen Sie mir eine gewisse Exklusivität zu“, beendete Phil seinen Satz. „Aber Sie wissen doch ganz genau, dass meine Kollegen in wenigen Minuten auch hier auf der Matte stehen. Ich bilde mir nicht ein, der Einzige zu sein, der Informationen erhält.“

„Das schon“, gab Amman zu „aber auch wir wissen es zu schätzen, wenn wir fair behandelt werden – und Journalisten leben schließlich vor allem von ihrem Hintergrundwissen. Darf ich also darauf zählen, dass Sie Verschiedenes ganz einfach noch eine Weile zurückstellen.“ Er räusperte sich. „Dr. Hasselberg hat so kurz vor seinem Ausscheiden kein Interesse daran, Parteifreunde zu belasten – und da der Kandidat Matthias Reininger beschädigt werden könnte, ist er natürlich bestrebt, die Geschichte auf kleiner Flamme zu kochen.“

Er stand auf und lehnte sich an seinen Schreibtisch und senkte fast verschwörerisch seine Stimme. „Sie haben mich noch nie hereingelegt, Herr Eisenmann, bis jetzt lege ich meine Worte bei Ihnen nicht auf die Goldwaage.“ Der Druck, den seine Bemerkung ausüben sollte, war nicht zu überhören. Nun gut, Phil hatte nichts gegen einen Deal, bei dem beide Seiten profitierten. Er war gerne bereit, nicht alles zu verwenden, was er hörte – es musste sich allerdings lohnen.

„Fakt ist …“ Zögernd begann Amman, ging zum Fenster und schaute hinaus. Abwartend lehnte Phil sich zurück. Die Erfahrung sagte ihm, dass es besser war, Amman jetzt nicht zu unterbrechen, sein Redefluss konnte bei der einfachsten Nachfrage versiegen.

„Fakt ist, dass wir vor geraumer Zeit eine Notiz des Wasserwirtschaftsamtes erhalten haben, wonach das Gelände der Chemiefabrik mit Schwermetallen verseucht ist.“ Amman hatte sich umgedreht und schaute Phil direkt an. „Das alleine ist wohl keine Sensation. Wenn wir hier in der Bundesrepublik jedes Produktionsgelände auf Altlasten untersuchen wollten, müssten wir ganze Städte abreißen. Denken Sie nur an das Ruhrgebiet und wie dort beim Wiederaufbau nach dem Krieg frisch und fröhlich, ohne einen Gedanken an die Umwelt drauflos produziert wurde.“

„Aber solche Altlasten sind doch wohl sehr geeignet, eine politische Karriere im Keim zu ersticken, wenn sie akut werden“, wandte Phil ein. Bei dem Namen Reininger war seine imaginäre Antenne ausgefahren und ganz wollte er sich den Mund schließlich nicht verbieten lassen.

„Dazu müssten sie aber vertuscht werden“, entgegnete Amman „und die Stadt ist ganz bestimmt nicht willens, so vorzugehen. Wir werden selbstverständlich sofort zusammen mit dem Wasserwirtschaftsamt ein unabhängiges Ingenieurbüro mit einer orientierenden Untersuchung beauftragen, die das Ausmaß des Schadens ermitteln wird. Wir sind hier mit der Familie Reininger in ganz enger Übereinstimmung. Aber eine solche Untersuchung braucht Zeit.“ Er hielt kurz inne und Phil nutzte die Pause, um einzuwenden: „So lange, bis die Kommunalwahlen vorbei sind, nehme ich an.“

„Nicht so zynisch, Herr Eisenmann“, entgegnete Amman. „In einem solchen Fall ist offensives Verhalten eher konstruktiv, täuschen Sie sich nicht.“

„Da seien Sie nur nicht zu optimistisch“, wandte Phil mit trockenem Lachen ein „ein solcher Fall zieht Kreise und bleibt bestimmt nicht auf die Berichterstattung unseres von Ihnen so geschätzten Tagblatts beschränkt.“

Amman verengte seine Augen zu Schlitzen, er ging aber nicht auf Phils Bemerkung ein. Phil war sich sicher, dass er die Anspielung auf Wielands obrigkeitshörige Berichterstattung verstanden hatte.

Das Telefon auf Ammans Schreibtisch klingelte, aber dieser nahm nicht ab und Phil hörte, wie das ankommende Gespräch auf den Apparat von Frau Zirkel umgestellt wurde. Sie streckte auch kurz darauf den Kopf in die Türe und schloss sie auf ein Kopfschütteln von Amman gleich wieder.

„Dies alles sind aber vorerst Hintergrundinformationen“, nahm Amman den Faden wieder auf, „und ich muss Ihnen nicht sagen, was bei zukünftigen Interviews geschieht, wenn Sie diese jetzt verwenden.“

Phil nickte zum Einverständnis, Beteuerungen hätten den Pressesprecher nur misstrauisch gemacht.

„Was heute vor dem Rathaus geschehen ist, hat damit nur sekundär zu tun. Die Firma Moreno, die einen Großteil der Grundstücke der Familie Reininger schon vor Jahrzehnten aufgekauft hat, erhielt lediglich einen Brief vom Wasserwirtschaftsamt, in dem die besagte Untersuchung angekündigt wurde. Bis jetzt kann keine Rede davon sein, dass die Verputzerfirma mit möglichen Entsorgungskosten belastet wird.“ Phil war jetzt hellwach, als Amman fortfuhr: „Wenn allerdings jetzt Karl Moreno in einer Betriebsversammlung den Schwarzen Peter für seine eigene Zahlungsunfähigkeit auf die Stadt abwälzen will, um damit Misswirtschaft und die daraus folgenden Entlassungen zu kaschieren, hat er die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die Stadt wird sich eine solche unhaltbare Beschuldigung nicht bieten lassen.“

Amman stand auf und ging ins Sekretariat. Phil hörte Murmeln im Nebenzimmer und kurz darauf kam Amman zurück mit einer offiziellen Presseerklärung in der Hand. Phil erkannte das Logo der Stadt, einen stilisierten Reichsadler mit zwei gekreuzten Hirtenstäben. Das Logo war dem Stadtwappen entnommen und stand für die Wirren, in der sich die Stadt zur Zeit der Reformation befunden hatte. Es verwies auf ihre wechselnden Besitzverhältnisse zwischen Kaiserreich und Fürstbischöfen.

„Hier können Sie Schwarz auf Weiß nachlesen, was in der Pressekonferenz, die im Übrigen in zwanzig Minuten beginnt, ausgesagt wird.“ Amman reichte Phil die Erklärung und gab ihm mit festem Händedruck die Hand.

„Ich hoffe, ich kann mich auf Sie verlassen“, waren seine Worte, während er Phil bereits die Tür öffnete.

„Eine Hand wäscht die andere, Herr Amman – wie Sie schon sehr richtig bemerkten, ein Journalist lebt von seinen Hintergrundinformationen“, antwortete Phil kryptisch, während er seine Tasche schulterte. „Vielen Dank jedenfalls, für Ihr Vertrauen.“