Zum wiederholten Male wählte Angie Annes Nummer. Warum nahm sie denn nicht ab? Sie machte sich jetzt ernsthaft Sorgen.
Phil hatte doch versprochen, nach Anne zu sehen. Auch er war nun schon seit zwei Stunden weg. Wo steckte er, und wo – um Himmels willen – war Anne?
Unruhig stand sie auf und ging zu Carla ins Sekretariat: „Hat Anne sich inzwischen gemeldet?“, fragte sie.
„Ich habe zwar nichts verstanden“, murmelte diese und nahm umständlich die Kopfhörer ab, „aber Anne hat noch nicht angerufen, falls es darum geht – und, ehrlich gestanden, ist es mir auch langsam egal. Wenn sie nicht darüber reden will, was mit ihr los ist, ich bin nicht Mutter Teresa …“
„Ich dachte, Sie beide verstehen sich …“, versetzte Angie hilflos und wurde unwirsch unterbrochen von Carla. „Das tun wir auch, aber inzwischen frage ich mich ernstlich, ob Anne überhaupt anerkennt, wie sich ihre Freunde um sie sorgen. Freundschaft ist schließlich keine Einbahnstraße …“
„Ja, aber jeder von uns hat doch Zeiten, in denen er bedürftiger ist – und Anne braucht uns jetzt mehr als je zuvor.“
„Aber wir können erstens keine Gedanken lesen und zweitens …“ Carla streckte zwei Finger in die Höhe und ihre Augen blitzten. „… muss ich meine Probleme auch selbst lösen. Das heißt nicht“, setzte sie hinzu, als sie Angies konsternierte Miene sah, „dass mir Anne egal wäre, aber sie braucht professionelle Hilfe und kein Gesäusel.“
Soviel zum sozialen Netz in unserer Redaktion, dachte Angie, als Carla sich umdrehte und ihren Kopfhörer wieder aufsetzte. Aber, musste sie sich widerwillig eingestehen, so ganz unrecht hatte Carla nicht. Anne brauchte wohl massiven Leidensdruck, um aus ihrem Dilemma wieder herauszukommen.