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D as in einer alten Wasserburg gelegene Restaurant zeichnete sich durch eine schnörkellose Eleganz aus. Die ausgesuchten ovalen Tische standen in diskretem Abstand zueinander, der festliche Saal war zurückhaltend mit Blumenarrangements geschmückt. Wenige Bilder zeitgenössischer Künstler rundeten die geschmackvolle Komposition ab. Zu dieser Stunde war das edle Lokal gut besucht, was jedoch die ebenso dezente wie hochprofessionelle Bedienung mit Bravour meisterte.
Rechtsanwalt Schedel saß an einem Tisch neben einem der großen Fenster und blickte auf das herrliche Blumenbeet, das zwischen dem Schloss und dem Wassergraben lag. Er hätte den Ort für ein Treffen mit seinem alten Bekannten Paul Seemann nicht besser wählen können. Paul hatte die Einladung zum Lunch gern angenommen und machte sich gerade über den dritten Gang des Menüs her. Limonenrehbock an Erbsensorbet und Apfel-Gurken-Wasabi.
»Weißt du, Werner«, setzte Paul Seemann an. »Früher …«
»… hättest du dir ein Mittagessen in einem solchen Restaurant nicht leisten können«, unterbrach ihn Rechtsanwalt Schedel. »Du warst nicht gerade ein guter Rechtsanwalt.«
Schedel machte eine Pause und schob ein Stück Rehfleisch mit der Gabel in den Mund, während er sein Gegenüber beobachtete.
»Aber zum Glück hattest du das richtige Parteibuch.«
»Und heute bin ich Justizminister«, stellte Paul mit kindlicher Genugtuung fest.
»Ja. Zwar auch kein guter, aber das ist nicht schlimm. Jedenfalls für dich nicht. Auch der schlechteste Minister erhält bei uns sein volles Gehalt.« Schedel grinste höhnisch. »Anders als ein Rechtsanwalt.«
Paul Seemann wurde etwas ungehalten.
»Was willst du von mir, Werner?«
Schedel machte ein unschuldiges Gesicht. »Darf man einen alten Freund nicht zum Essen einladen, ohne Hintergedanken?«
Schedel trank einen Schluck Wein. Langsam und genussvoll.
»Aber wenn du mir unbedingt einen Gefallen tun willst, Paul …« Er machte eine Pause und stellte das Weinglas vorsichtig neben seinen Teller. »Gegen einen meiner Mandanten wird anscheinend von einem deiner übereifrigen Staatsanwälte ermittelt.«
»Zu Recht?«, fragte Paul.
»Ach, Paul. Ich vertrete doch nur rechtschaffene Bürger.«
»Dann muss ich ja kein schlechtes Gewissen haben.«
»Siehst du. Es wäre mir lieb, wenn du ein, zwei Telefonate führen könntest. Der ermittelnde Staatsanwalt heißt Dr. Leiser.«
»Kenn ich nicht.«
»Dann ruf irgendjemand bei der Staatsanwaltschaft an, der über ihm steht und der noch was werden will.« Schedel grinste. »Davon findest du bestimmt den ein oder anderen.«
Paul nahm ein in schwarzes Leder gebundenes Notizbuch und einen Montblanc-Füller aus seinem Jackett und notierte den Namen.
»Noch jemand?«
»Ja. Der Polizeibeamte, Hauptkommissar Hiller. Und Richter Buckmann.«
Paul schrieb auch diese Namen in sein Notizbuch.
»Kenne ich auch nicht«, bemerkte er.
»Buckmann ist ein kleiner Amtsrichter. Aber von der gefährlichen Sorte. Einer, der keine Karriere machen will.«
»Ach Gott, ein Idealist. Könnte schwierig werden«, gab Paul zu bedenken. »Mit dem Kommissar ist es einfacher. Der hat Vorgesetzte. Er kann von dem Fall abgezogen werden.«
»Für Buckmann gibt es auch andere Mittel und Wege«, sagte Schedel.
Paul Seemann steckte den teuren Füller und das Notizbuch zurück in sein Jackett.
»Davon will ich nichts hören, Werner.«
»Keine Sorge. Davon werde ich dir auch nichts erzählen.« Die Kellner räumten unauffällig die leeren Teller ab.
»Woher weißt du eigentlich von dem Ermittlungsverfahren?«, fragte Seemann neugierig.
»Ich habe da meine Quellen.«
»Und die wären?«
»Aber Paul. Ich bin doch nicht indiskret. Ich würde auch niemandem von deiner … Unterstützung erzählen.«
Seemann nickte unsicher.
»Du tust eine gute Tat, Paul.« Schedel lächelte selbstbewusst. »Letztlich geht es mir doch nur darum, die kostbaren Ressourcen der Justiz und der Polizei zu schonen. Anstatt sie für Ermittlungsverfahren zu verschwenden, die ohnehin zu keinem Ergebnis führen.«