32
I ronischerweise lag das Eiscafé, in dem Ayaz regelmäßig seine geschäftlichen Besprechungen abhielt, nur wenige Schritte entfernt von dem prächtigen Bau aus der Kaiserzeit, in dem nun das Landgericht seinen Sitz hatte. Der Laden gehörte einem Geschäftspartner, der neben Sahneeis auch regelmäßig horizontale Dienstleistungen von aus dem Osten importierten Damen anbot. Ayaz saß in der Sonne, hatte eine teure Designerpilotenbrille auf und nippte an einem Eiskaffee. Ungeduldig blickte er auf seine goldene Armbanduhr. Rechtsanwalt Schedel verspätete sich. Und Ayaz hasste Verspätungen. Jedenfalls die anderer. Ungeduldig beobachtete er, wie die Menschen durch die mächtige hölzerne Flügeltür des Gerichtsgebäudes ein- und ausgingen. Endlich trat Rechtsanwalt Schedel heraus, die Anwaltsrobe über den einen Arm gelegt und seine wildlederne Aktentasche unter den anderen geklemmt. Der Verteidiger eilte auf die Eisdiele zu und beschleunigte seinen Schritt nochmals, als er Ayaz erblickte.
»Es tut mir sehr, sehr leid, Ercan«, begann Schedel leicht außer Atem.
»Ich warte bereits seit zehn Minuten«, entgegnete Ayaz kalt. Aufgrund der verspiegelten Sonnenbrille konnte Schedel nicht feststellen, ob Ayaz ihn überhaupt anblickte.
»Ich weiß, Ercan. Es tut mir wirklich sehr leid. Ich hatte eine Zivilsache, die sich verzögert hat. Ein Zeuge hatte sich verspätet und …«
»Interessiert mich nicht«, unterbrach Ayaz den Anwalt. »Mich interessiert nur, dass du meine Zeit verschwendet hast.«
Schedel senkte den Kopf und erwiderte nichts mehr. Der sonst so überheblich auftretende Rechtsanwalt wusste, dass es besser war, Ercan Ayaz nicht zu widersprechen. Schon gar nicht, wenn dieser gereizt war.
»Setz dich«, sagte Ayaz endlich.
Schedel rückte einen Stuhl vom Tisch ab und legte die Robe und seine Aktentasche darauf. Dann nahm er Platz.
»Danke.«
»Also?«
»Ich habe mit meinem Freund Peter gesprochen. Der Bulle und der Staatsanwalt sind kein Problem. Die werden zurückgepfiffen.« Schedel begann mit der guten Nachricht, um Ayaz nicht noch weiter zu verärgern.
»Aber?«
»Aber …« Schedel holte tief Luft. »Aber der Richter ist ein Problem. Er ist verdammt stur. Seine Vorgesetzten haben keinen Einfluss auf ihn.«
»Ich dachte, der Richter hätte begriffen, dass er sich mit dem Falschen anlegt, nachdem Cedric seiner Tochter ein schönes Foto geschickt hat. Ich hätte ihn für klüger gehalten.«
»Aber vielleicht reicht es ja, wenn der Staatsanwalt und der Polizist die Füße stillhalten.«
»Nein! Ein ›Vielleicht‹ reicht nicht. Der Richter ist zu neugierig. Er wird begreifen, dass man mir nicht ans Bein pinkeln sollte.« Ayaz nahm sein goldenes Zigarettenetui aus der Lederjacke und zündete sich eine Kippe an. »Ich nehme das selbst in die Hand.«
»Was hast du vor, Ercan?«
Ayaz lächelte kalt. »Mit wem ich was vorhabe, hat dich nicht zu interessieren.«