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E s ist gut, sich den Frust von der Seele zu reden. Und zu trinken. Pünktlich um acht Uhr erschien Nick zu einem kleinen Feierabendbier. Nach dem kleinen Bier holte ich eine große Flasche Scotch und zwei Gläser. Der Kommissar protestierte.
»Für mich nicht, Siggi.«
Ich stellte die Gläser auf den Tisch.
»Also nur zwei Fingerbreit?«
»Höchstens.«
Ich füllte die Gläser. Zwei Fingerbreit. Daumen sind auch Finger.
»Auf gute Freunde.« Wir stießen an und leerten die Gläser. Ich nahm die Flasche in die Hand und öffnete den Verschluss.
»Aber nur …«, begann Nick.
»… zwei Fingerbreit!«, beendete ich den Satz und füllte die Gläser erneut.
»Wenn du irgendeine gute Idee hast, Nick, wäre jetzt der geeignete Augenblick.«
Nick seufzte.
»Ich weiß nicht mehr weiter. Leiser macht das Ermittlungsverfahren dicht. Sein Chef, mein Chef, dein Chef. Niemand will, dass wir weitermachen. Auch wenn ich es hasse, das zu sagen … Vielleicht sollten wir passen, Siggi.«
Ein paar Minuten lang herrschte Stille. Das war genau der Grund, aus dem ich schon seit einigen Jahren den Glauben in unser System verloren hatte. Es war zu anfällig gegenüber Druck von außen. Nur weil ein untalentierter Rechtsanwalt, der in der Politik Karriere als Justizminister gemacht hatte, einem alten Freund noch einen Gefallen schuldete, sollten wir einen rücksichtslosen und brutalen Verbrecher laufen lassen, der mindestens fünf Menschenleben auf dem Gewissen hatte?
»Ayaz ist für Fredis Tod verantwortlich. Und für den von mindestens zwei weiteren Süchtigen. Vielleicht hat er auch Chantal beseitigen lassen. Hamids gebrochene Hand geht auf sein Konto. Bei mir hat er es auch versucht. Und er hat meine Tochter bedroht. Niemand bedroht meine Töchter.« Ich trank mein Glas in einem Zug aus und stellte es etwas zu laut auf den niedrigen Wohnzimmertisch. »Nein! Der kommt nicht so einfach davon. Dieses Mal nicht!«
Nick sah mich mit einem traurigen Lächeln an.
»Und was willst du dagegen tun?«, fragte er schließlich. »Wir haben alle Trümpfe ausgespielt.« Er nahm einen großen Schluck aus seinem Glas. »Du kannst ihn ja schlecht ermorden.«