7. KAPITEL

„Ich sage nur, dass du dir Zeit nehmen sollst, um über alles nachzudenken.“ Bryn hatte die verstörte Francesca in ihr Apartment begleitet, wo sie sich endlich geborgen fühlte.

„Das Ganze ist eine Katastrophe, und das weißt du.“

Francesca hatte ihre Wohnung an diesem Morgen verlassen, ohne eine Vorstellung davon zu haben, welche Aufregungen und neuen Verpflichtungen dieser Tag bringen würde. Falls sie darauf einging! Sie sehnte sich keineswegs nach einem Leben im Rampenlicht, hatte aber merkwürdigerweise das Gefühl, dass sie den Forsyth-Konzern besser leiten würde als ihr Großvater oder ihr Onkel. Die Verantwortung war gewaltig, doch sie würde die besten Berater haben. Douglas McFadden hatte deutlich zu erkennen gegeben, dass er ihr die Lösung der schwierigen Aufgabe zutraute, und auch Bryn schien die überraschende Wendung zu begrüßen. Seine Meinung war ihr am wichtigsten.

„Ich weiß nichts von einer Katastrophe“, entgegnete er. „Du bist zwar noch sehr jung für diese Aufgabe, was allerdings auch ein großer Vorteil sein kann. Die Jugend hat neue Ideen, und du bist nun mal die Beste für den Job. Was Francis auch gewesen ist … ein Narr war er nicht. Er wollte, dass das Forsyth-Vermögen erhalten bleibt und nicht verschleudert wird.“

Wie klug Bryn ist, dachte Francesca, und wie vielseitig. Macallans gegen Forsyths – Montagues gegen Capulets. Seit sie denken konnte, hatten die Familien miteinander konkurriert und sich nach Sir Theodores Tod sogar bitter bekämpft.

Bryn zog sein schwarzes, fein gestreiftes Jackett aus und warf es über eine Stuhllehne. Dann lockerte er seine Krawatte und knöpfte den Hemdkragen auf. „Ich könnte jetzt, weiß Gott, einen Whisky vertragen.“

„Bitte bedien dich.“ Francesca zeigte müde auf die Bar. „Ich kann nicht mehr aufstehen.“

„Wundert dich das? Du bist erschöpft … genau wie ich. Möchtest du auch etwas?“ Bryn ging an die Bar, die Scotch, Bourbon, Brandy und verschiedene Liköre enthielt – alles in kostbaren Kristallkaraffen und für Francescas Besucher bestimmt.

„Vielleicht einen Weißwein“, antwortete sie, denn eigentlich hatte sie auf nichts Appetit. „Im Kühlschrank steht eine Flasche Sauvignon. Du musst sie noch öffnen.“

Bryn war in wenigen Augenblicken zurück und reichte ihr ein Glas. Francesca prüfte das frische, fruchtige Bouquet und trank einen großen Schluck. „Ich bringe keinen Toast aus, obwohl ich nach Ansicht der Leute allen Grund dazu hätte“, sagte sie. „Was wissen die schon!“

„Wir sind beide in einer privilegierten Welt aufgewachsen, Francey.“ Bryn trank etwas Whisky. „Das bringt Verantwortung und Verpflichtungen mit sich.“ Er setzte sich nicht zu Francesca auf die Couch, sondern in einen Lehnstuhl aus vergoldetem Walnussholz, der mit kostbarem Brokat bezogen war. Die kräftigen Farben bildeten den idealen Hintergrund für sein schwarzes Haar und den sonnengebräunten Teint, den er den häufigen Segeltouren verdankte, die er trotz seines gedrängten Stundenplans unternahm. Es tröstete Francesca, ihn dort wie einen mittelalterlichen Prinzen sitzen zu sehen. Den Lehnstuhl hatten ihre Eltern von ihrer letzten Reise nach Paris mitgebracht.

„Carina hat nicht das bekommen, was sie erwartet hat“, fuhr er fort, „aber sie ist jetzt eine sehr reiche Frau. Unglaublich, wie sie auf den armen Douglas losgegangen ist! Manchmal hätte ich fast laut gelacht.“

„Niemand hatte die geringste Ahnung, was Grandpa im Schilde führte.“

„Niemand außer Charles“, verbesserte Bryn sie. „Was uns anderen betrifft … Wer weiß schon, was der nächste Tag bringt?“

„Hast du etwas gewusst?“ Francesca hatte die Frage nicht stellen wollen, aber sie merkte plötzlich, wie wichtig die Antwort für sie war.

„Francey!“ Bryn hob abrupt den Kopf, seine dunklen Augen blitzten. „Du kannst nicht ernsthaft glauben, ich hätte die Pläne deines Großvaters gekannt.“

„Es war nur eine Frage“, beruhigte sie ihn und wandte den Blick von ihm ab, denn seiner war so durchdringend, dass er nicht zu ertragen war.

„Nein, das war es nicht“, widersprach er heftig. „Es geht darum, ob du mir vertraust oder nicht.“ Sein Ton verriet, wie ernst er das Thema nahm.

„Merkwürdig, dass du das wissen willst“, antwortete sie ausweichend, denn ihr kamen plötzlich tausend Zweifel.

„Hast du es einen winzigen Augenblick für möglich gehalten, dass mir der Inhalt des Testaments bekannt war und ich dir nichts davon gesagt habe?“

Francesca fühlte sich zu schwach, um die Tatsache zu bestreiten. Außerdem durfte es zwischen ihr und Bryn keine Lügen geben. „Der Gedanke ist mir gekommen“, gab sie zu, „allerdings nur für einen Moment. Immerhin bist du ein Macallan.“

„Liegt es daran?“, fragte er bitter. „Kann man einem Macallan nicht trauen?“

Francesca antwortete nicht gleich. „Ich würde dir mein Leben anvertrauen“, sagte sie dann. „Schließlich verdanke ich es dir. Andererseits kenne ich auch deinen inneren Zwiespalt. Du sprichst mit mir nicht darüber. Du schweigst, wenn ich nach dem Grund der Feindschaft zwischen unseren Familien frage. Lady Antonia und deine Mutter, die ich beide achte und liebe, hielten meinen Großvater beide für einen Schurken.“

Bryn leerte sein Glas und ging zur Bar, um es neu zu füllen. „Was für ein Tag!“, stöhnte er. „Du hast recht. Die meisten Menschen betrachteten Francis als Schuft. Wer gegen ihn war, wurde vernichtet. Konkurrenten im Geschäft, ob Freunde oder nur Kollegen, wurden ruiniert. Man hätte ihn tausendfach verurteilen können.“

„Aber das ist nicht alles … jedenfalls nicht für dich. Du hast tiefer liegende, persönliche Gründe. Deshalb gibst du nicht auf, bevor du bei ‚Titan‘ der Chef bist.“

Bryn drehte sich zu ihr um, hellwach und angespannt wie immer. Wie verschieden er sein kann, dachte Francesca. Er konnte einschüchtern, sogar Angst machen und im nächsten Moment umwerfend lächeln. Wenn ihn etwas beschäftigte, nahm sein Gesicht einen lebhaften Ausdruck an. Manchmal, zum Beispiel jetzt, konnte er beinahe hoheitsvoll wirken. Hauteur nannten es die Franzosen. Das war keine Arroganz. Bryn war nicht arrogant. Er wusste nur, was er erreicht hatte, und das gab ihm Sicherheit.

„Darüber hat der Vorstand zu entscheiden“, sagte er, wieder ganz gefasst. „Du gehörst jetzt selbst dazu.“ Er lachte. „Wir können uns gegenseitig unsere Stimme geben.“

„Das ist nicht komisch, Bryn.“ Francesca wartete, bis er sich wieder hingesetzt hatte, und fuhr dann fort: „Es wäre eine zusätzliche Kränkung für Carrie, wenn wir ihr keinen Sitz in dem Gremium anbieten würden. Ich werde wohl nie begreifen, warum Grandpa mich und nicht sie gewählt hat.“

„Das ist leicht zu beantworten. Du bist wesentlich klüger und hast außerdem studiert. Carrie hat sich nie um eine Ausbildung bemüht. Sie spielte lieber die große Lady und gondelte durch die Welt. Glaub mir, Francey … Carrie mag durch ihre Schönheit blenden, nicht jedoch durch Verstand.“

„Ihr fantastisches Aussehen hat auch bei dir Wirkung gezeigt.“

„Das habe ich bereits zugegeben, es war allerdings schnell vorüber. Ich habe Fehler gemacht, wie jeder Mensch, aber sie wurden mir nicht zum Verhängnis. So leid es mir tut, Francey … mit Carrie stimmt etwas nicht. Ihre Neurosen haben sich verstärkt, seit ich mit ihr zusammen war. Das konnte man heute gut beobachten.“

„Sie hatte allen Grund, außer sich zu sein.“ Francesca fühlte sich immer noch verpflichtet, ihre Cousine zu verteidigen. „Meine Rolle in diesem Spiel gefällt mir gar nicht. Ich führe mein eigenes Leben und bin glücklich dabei.“

Bryn wechselte den Platz und setzte sich zu Francesca auf die Couch. Seine starke sinnliche Ausstrahlung war sofort spürbar. Oh, dieser Mann! dachte sie. Warum war seine Anziehungskraft so stark? Sein Einfluss auf sie nahm ständig zu, und es gab nichts, womit sie sich schützen konnte.

„Sieh mal, Francey.“ Bryn rückte so nah, dass er sie fast berührte. „Du bist ein zurückhaltender Mensch und scheust die Öffentlichkeit. Das ist dir bisher ganz gut gelungen, aber eigentlich steht es dir nicht zu … genauso wenig wie mir. Das ist unser Schicksal. Verantwortung für andere zu übernehmen ist gleichbedeutend mit Verlust des Privatlebens. Carrie macht das nichts aus. Sie lässt sich gern von Paparazzi verfolgen und pausenlos fotografieren. Das ist ihr Leben, und sie ist zufrieden damit. Du bist anders, aber jetzt kommen neue Aufgaben auf dich zu. Du kannst, zum Beispiel, sehr viel für andere tun. Es fehlt dir nur an Erfahrung. Alles Übrige bringst du mit, und meiner Unterstützung kannst du sicher sein. Für neue Ideen werde ich immer ein offenes Ohr haben.“

„Danke, Bryn. Ich werde deinen Rat brauchen.“

„Wir werden einander brauchen.“

„Und wenn Carrie das Testament anfechten will? Sie hat damit gedroht und ist zweifellos dazu berechtigt. Sie ist älter als ich und Onkel Charles’ einziges Kind. Sie hat ihn schon immer um den Finger gewickelt, und die restliche Familie würde sie unterstützen.“

Bryn schüttelte den Kopf. „Nein, das würde sie nicht.“

„Nein?“, fragte Francesca und sah ihn erstaunt an. „Warum bist du da so sicher?“

„Weil alle Forsyths kühle Rechner sind. Carrie ist eine Ausnahme und daher unbeliebt. Dass Charles für den Job nicht infrage kommt, wissen alle. Francis hat es nicht geschafft, ihn zum Kronprinzen heranzubilden, was meinem Großvater mit mir besser gelungen ist. Ich bin für die Chefetage erzogen worden, Francey, und weiß längst, dass bei ‚Titan‘ vieles geändert werden muss.“

„Deshalb wollte Grandpa auch, dass Carrie dich heiratet“, ergänzte Francesca. „Es tut mir leid, Bryn, aber um dieses Thema kommen wir nicht herum. Eine solche Verbindung zwischen dir und Carrie würde die beiden Familien zusammenschweißen. Der Krieg wäre vorbei, und Carrie hätte als schöne und reiche Ehefrau ihren ersehnten Platz in der High Society.“

„So war es geplant, ohne mich oder meine Wünsche zu berücksichtigen“, erklärte Bryn trocken.

„Und welche sind das?“ Francesca fand sich nicht mehr zurecht. Carina hatte keine Gelegenheit ausgelassen, um ihre enge Verbundenheit mit Bryn zu bekunden. Als Beweis führte sie ihre kurze Liebesbeziehung an, die nur nach Bryns Aussage beendet war. Wem sollte sie glauben?

„Vielleicht passt du viel besser zu mir. Wie wäre es, wenn du mich heiraten würdest?“ Es klang, als meinte er es ernst. „Du hast Klasse, wie man so schön sagt, und außerdem Verstand.“ Er sah sie spöttisch an – oder wollte er ihr schmeicheln? Setzte er als durchtriebener Geschäftsmann einfach auf die reichere Erbin? Sie musste sich zusammennehmen und ihre Gedanken ordnen.

„Eine Heirat ist mir nie in den Sinn gekommen“, sagte sie so ruhig, dass sie sich selbst wunderte. Sie war in dem Bewusstsein erzogen worden, dass Bryn und Carina zusammengehörten. Das war ein heiliges Gesetz. Sie hatte damit gelebt wie mit einer ständigen Bedrohung.

„Das glaube ich dir nicht, du hast die Vorstellung verdrängt.“

„Du weißt auch, warum.“

Am liebsten wäre sie aufgesprungen und weggerannt. Sie war nicht ganz bei Verstand, wenn Bryn bei ihr war und eine solche Macht auf sie ausübte. Und seine leidenschaftlichen Küsse hatten ein Übriges dazugetan. Sie führte von jetzt an das Leben einer Besessenen, die auf keine Erlösung hoffen durfte. Es war die schlimmste Form der Liebe.

Bryn hätte gern noch mehr gesagt, aber er musste auf Francesca Rücksicht nehmen. „Du bist am Ende deiner Kraft“, stellte er fest. „Ich sollte lieber gehen und dir Zeit lassen, alles zu verarbeiten. Es war ein langer, anstrengender Tag. Ich weiß, wie sehr du dich nach der Liebe deines Großvaters gesehnt hast. Diese Sehnsucht wurde nicht erfüllt, aber auf seine eigene unmögliche Weise muss er dich geliebt haben. Tröste dich damit. Vielleicht litt er an einem Schuldkomplex wegen des Zerwürfnisses mit deinem Vater … besonders im Licht der späteren Ereignisse. Vielleicht hat er in dir seinen Richter gesehen. Du warst so ein ernsthaftes, nachdenkliches Kind und konntest einen mit deinen großen, traurigen Augen so seltsam anschauen.“

Francesca stutzte. Hatte Carina nicht etwas ganz Ähnliches gesagt? „Inwiefern seltsam?“, fragte sie unsicher.

Bryn lächelte. „Man hatte den Eindruck, du wolltest die Seele des anderen ergründen. Für Francis war das bestimmt nicht leicht. Es gab viele dunkle Seiten an ihm, die du nicht entdecken solltest. Wie auch immer … Douglas hat bestätigt, dass dein Großvater stolz auf dich war. Er liebte Carrie, aber manchmal ärgerte es ihn, dass sie sich keine sinnvolle Beschäftigung suchte. Er wäre froh gewesen, wenn sie Karriere gemacht hätte … etwa in der Modebranche. Schöne Kleider bedeuten ihr alles. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie zweimal dasselbe Outfit angezogen hat.“

„Du willst doch nicht behaupten, dass Grandpa enttäuscht von ihr war?“ Rätsel über Rätsel. Nichts von dem, was Bryn andeutete, hatte sie gewusst.

„Das ist schwer zu sagen. Ein so energiegeladener, auf Erfolg programmierter Mann wie Francis sah ein sinnlos vergeudetes Leben bestimmt nicht nur positiv. Ich glaube, ‚Daramba‘ war dir schon immer zugedacht. Dein Großvater wusste, wie sehr du daran hängst.“

„Er selbst liebte es nicht“, erinnerte sich Francesca. „Er wollte es nie besuchen.“

„Vielleicht hatte er Gründe dafür. Er war dort nicht beliebt … weder als Boss noch als Mensch. Die Eingeborenen empfanden ihn als Eindringling in ihr geheiligtes Land. Wie denkst du darüber, dass er mir die Hälfte der Forsyth-Ländereien vermacht hat? Sei ehrlich und sag mir die Wahrheit. Ich kann sie ertragen.“

Francesca lachte, es klang jedoch nicht heiter. „Ich wünsche mir keinen anderen Partner als dich, Bryn“, gab sie ehrlich zu. „Das müsstest du eigentlich wissen. Du liebst ‚Daramba‘ genauso wie ich.“

„Abgesehen davon, soll ich für den ganzen geschäftlichen Teil zuständig sein. Ist dir das recht?“

„Durchaus.“

Bryn stand auf und griff nach seinem Jackett. „Ich werde aber vieles verändern“, warnte er sie.

Wie schön er war! Wie männlich! Francesca liebte seine breiten Schultern, auf denen die Jacketts so gut saßen. Sie liebte seine schmale Taille, die schlanken Hüften und die langen, durchtrainierten Beine. „Tu, was du willst“, sagte sie und versuchte, nicht mehr ganz so niedergeschlagen zu wirken. „Ich habe selbst einige Ideen, die dich vielleicht interessieren.“

Bryn nickte. „Ich werde nichts tun, ohne vorher mit dir zu sprechen, Francey. Wir sind Partner.“

„Ja, Partner. Ich habe auch einen guten Geschäftssinn.“

„Das weiß ich.“ Bryn hatte sein Jackett angezogen und machte einige Schritte auf sie zu. Er bewegte sich leicht und geschmeidig. „Du bist eine kluge Frau und wirst tausend Gelegenheiten finden, um das zu beweisen.“

„Falls ich das Erbe annehme“, sagte sie langsam. „Ich brauche noch Zeit, um mich zu entscheiden. Ich würde ganz für den Konzern leben und mich dafür aufgeben. Was würde aus meiner Malerei, die mir wichtig ist? Was aus meiner Hilfe für andere Künstler?“

„Ich verstehe deine Bedenken und Zweifel“, räumte Bryn ein. „Mach es dir nur nicht unnötig schwer, indem du dein Gewissen mit Charles und Carina belastest. Sie sind reichlich bedacht worden. Dein Großvater wusste genau, was er tat. Nur ein Mensch kann die Kluft zwischen den Forsyths und Macallans schließen, und das bist du. Deshalb hat er dir den wichtigsten und vertrauensvollsten Posten zugedacht. So … und jetzt verschwinde ich.“

Er musste gehen, bevor er schwach wurde und Francesca wieder in die Arme nahm. Nichts wünschte er sich mehr, aber er wusste auch, was dann geschehen würde. Carinas Lügen hatten zu glaubhaft geklungen und Francesca so eingeschüchtert, dass es ihr unmöglich erschien, beliebter zu sein als ihre strahlende Cousine. Doch was sie auch an Einwänden vorbrachte – ihre Gefühle für ihn konnte sie nicht leugnen. Deshalb musste er ihr beistehen und sie beschützen.

Die Vorstellung, plötzlich allein zu sein, versetzte Francesca in Panik. „Ich will nicht, dass du gehst“, sagte sie. Nie hatte sie ihn mehr gebraucht als in diesem Augenblick.

„Doch, das willst du“, widersprach er. „Du darfst dich nicht zu sehr deinen Gefühlen überlassen. Gewisse Dinge muss man im Griff behalten.“

Das brachte Francesca zur Besinnung. Sie stand langsam auf und begleitete Bryn zur Tür. „Es gibt so viel zu tun und zu bedenken. Die endlosen Konferenzen, die neuen Menschen, die fremde Materie, in die ich mich einarbeiten muss …“

„Eins nach dem andern, Francey.“ Bryn hielt sich bewusst von ihr fern, um nicht doch noch ihrer verführerischen Aura zu erliegen. „Lass dich nicht in die Enge treiben. Denk immer daran, dass du nicht allein bist. Was hältst du davon, wenn wir an einem der nächsten Wochenenden nach ‚Daramba‘ fliegen? Wir brauchen dann bestimmt eine Erholungspause.“

Francescas Augen leuchteten auf. „Das wäre wunderbar.“

Bryn öffnete die Tür, ohne Francesca zum Abschied auf die Wange zu küssen. „Gut, dann bereite ich alles vor.“ Etwas scherzhaft fügte er hinzu: „Du kannst eine Anstandsdame mitnehmen, wenn du möchtest. Ich rufe dich morgen an. Jetzt muss ich mich um meine Mädchen kümmern.“

Mit den „Mädchen“ waren seine Großmutter und seine Mutter gemeint, die er öfter so bezeichnete. Sie wohnten in einer hübschen historischen Villa, mit der das bedrückende Forsyth-Kastell keinen Vergleich aushielt. Nach dem tragischen Tod ihres Mannes hatte Annette Macallan lange unter schweren Depressionen gelitten, bis sie am Ende völlig zusammengebrochen war. Sir Theodore und Lady Antonia hatten sie bei sich aufgenommen und wie ihre eigene Tochter gepflegt.

„Grüß beide von mir“, bat Francesca. „Ich melde mich bald bei ihnen. Mit Tante Elizabeth muss ich ebenfalls sprechen. Grandpa konnte sich nicht überwinden, ihr wenigstens ein Andenken zu hinterlassen.“

„Nach der Scheidung von Charles existierte sie nicht mehr für ihn, das kannst du jetzt jedoch wiedergutmachen. Adieu, Francey.“

Wenn der alte Gauner geglaubt hat, die Macallans durch meinen Anteil an den Forsyth-Ländereien zu versöhnen, hat er sich verrechnet, dachte Bryn grimmig, während er die Treppe hinunterging. Francis’ Verrat hatte seinem Großvater eine tödliche Wunde zugefügt. Er war in dem Bewusstsein gestorben, sich in seinem besten Freund schwer getäuscht zu haben.