Bryn fand Francesca genau an der Stelle, die Jili Dawson ihm genannt hatte: an der Wungulla-Lagune, wo die Eingeborenen früher ihre nächtlichen Ritualtänze aufgeführt hatten. Er bezweifelte, dass man den toten Sir Francis mit einer solchen Zeremonie ehren würde. Der „Eiserne Mann“ war weder geliebt noch im eigentlichen Sinn respektiert worden. Die Rancharbeiter fürchteten ihn und sprachen heimlich über seine „dunklen Seiten“. Sie gehorchten, ohne ihn zu schätzen. Wer wollte es ihnen verdenken? Bryn selbst hatte schon vor Jahren alles Zutrauen zu ihm verloren.
Er parkte den Jeep in einiger Entfernung und legte die letzte Strecke zu Fuß zurück, immer darauf bedacht, dem wuchernden Spinifex-Gras auszuweichen, das jetzt grün war und noch nicht die charakteristische goldgelbe Farbe zeigte. Francesca hatte fünf Frauen um sich versammelt, die eifrig malten. Sie wirkten überaus konzentriert und fügten sich in die trockene Wüstenlandschaft, als gehörten sie dazu.
Mochte Francesca mit sechs Jahren auch fast ertrunken sein – heute, mit dreiundzwanzig, war sie ein Kind des Outback. Sie konnte wie ein Fisch schwimmen, das schnellste und stärkste Pferd reiten, sogar ohne Sattel, und sich mühelos in der gefahrvollen Wildnis zurechtfinden. Sie schoss meisterlich und wusste, was notwendig war, um im Busch zu überleben. Sie backte Brot aus fein gemahlenem Grassamen, wusste, wo Limonen, Feigen und Tomaten zu finden waren, und hätte einen Supermarkt mit Beeren und wilden Früchten beliefern können.
Mit den Eingeborenen verband sie seit ihrer Kindheit eine unverbrüchliche Freundschaft. Sie hatte viel über die Kultur der Ureinwohner gelernt und respektierte die letzten Geheimnisse, die man einer Weißen nicht verraten durfte. Sie sah das Land mit den Augen seiner Urbevölkerung und hatte einen unverkennbaren Malstil entwickelt, der von Kritikern hoch gelobt wurde.
Francesca besaß ein beträchtliches eigenes Treuhandvermögen und hatte Jura studiert, um sich geschäftlich nicht auf andere verlassen zu müssen. Seit sie ihre Ausbildung mit Auszeichnung abgeschlossen hatte, konzentrierte sie sich voll auf die Malerei, bei der sie die uralten Mythen der Aborigines mit ihrer eigenen Fantasie verschmolz. Die Bilder erwuchsen aus beiden Quellen. Ihre erste Ausstellung war ein großer Erfolg gewesen, und sie hatte nicht gezögert, gegenüber der Presse und den Käufern zu betonen, wie viel sie ihren eingeborenen Mentoren verdankte. Zufällig waren es ausschließlich Frauen, die inzwischen Francescas Beispiel folgten und sich von ihr ermutigen ließen.
Als der Jeep in Sicht kam, stand Francesca auf und ging ihm langsam entgegen. Ihre Bewegungen hatten die Anmut einer Gazelle. Sie war groß, wie alle Forsyths, und außerdem gertenschlank. Ein großer, kunstvoll aus Gräsern geflochtener Hut – vermutlich das Geschenk einer Schülerin – schützte ihr Gesicht. Das dunkle Haar, das ihr sonst in schimmernden Wellen über die Schultern fiel, war zu einem dicken Zopf geflochten. Eine einzelne Strähne umschloss wie ein Seidenband den Hals. Ihre Kleidung war auffallend schlicht. Sie trug eine hellblaue, mit Farbflecken bedeckte Baumwollbluse, beigefarbene Shorts und staubige Sneakers.
„Bryn!“, rief sie, sobald er ausgestiegen war. Ihre Stimme klang lieblich, wie von einem zarten Instrument gespielt, und steigerte noch ihren Reiz.
„Hallo, Francey!“
Ihr Anblick genügte, um eine tiefe Sehnsucht in Bryn zu wecken. Er wusste, was das bedeutete, nur wie sollte er das Schicksal wenden? Sie standen einander gegenüber, blickten sich in die Augen und verstanden sich. Sie spürten es beide, aber was Bryn spürte, wagte sich Francesca nicht einzugestehen. Schüchtern stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange.
Wie weich sich ihre Lippen anfühlten! Bryn bemerkte, wie Francescas zarte, golden getönte Haut leicht errötete, bevor sie wieder in das alte Rollenspiel verfielen, das ihnen seit ihrer Kindheit vertraut war. Ob sich das jetzt ändern würde?
„Du musst aus einem wichtigen Grund gekommen sein, Bryn.“ Francesca hob wie abwehrend ihre schlanken Hände. „Es geht um meinen Großvater, nicht wahr?“ Sie drehte sich um, als hätte sie von hinten ein Zeichen bekommen. Die Frauen saßen noch im Kreis beieinander, aber sie malten nicht mehr, sondern streckten die Arme mit nach oben gekehrten Handflächen zum Himmel empor.
Wir sind an ein Ende gekommen.
Bryn kannte die zeremonielle Geste und wunderte sich nicht. Diese Menschen waren außergewöhnlich.
„Ja, Francey“, bestätigte er feierlich. „Dein Großvater ist gestern an einem Herzschlag gestorben. Dein Schmerz betrübt mich. Ich weiß, wie anders du dir alles vorgestellt hast.“
„Warum war ich nicht da?“, fragte sie mit versagender Stimme. „Als ich dich sah, wusste ich gleich, warum du gekommen bist.“
„Es tut mir leid, Francey. Du lebst so eng mit deinen Freunden zusammen, dass du schon ihre besonderen Fähigkeiten erworben hast. Wieso wissen sie Bescheid? Es ist keine Ahnung, sondern Gewissheit.“
„Unheimlich, nicht wahr?“ Francesca sah noch einmal zurück. Die Frauen arbeiteten wieder an ihren Bildern. „Doch wir haben es hier mit der ältesten noch lebendigen Menschheitskultur zu tun. Die Leute leben seit über vierzigtausend Jahren in diesem Land. Sie riechen den Tod.“
Bryn nickte. Er hatte all das mehrfach miterlebt, und seine Aufmerksamkeit galt vor allem Francesca. Sie war blass geworden, aber sie weinte nicht. Bis auf eine Spur Lippenstift zum Schutz gegen die Sonne war ihr Gesicht frei von Make-up. Ihre Haut war rein und makellos. Die großen Augen mit den dichten schwarzen Wimpern darüber glänzten wie Silbermünzen im Sonnenlicht.
„Hat er nicht nach mir gefragt?“ Trauer und Enttäuschung klangen aus den wenigen Worten. Das Bewusstsein, ausgeschlossen zu sein, hatte Francescas Leben von klein auf beschwert.
Wie immer fühlte sich Bryn als ihr Beschützer. „Er hat nach niemandem verlangt“, antwortete er. „Es geschah während einer Vorstandssitzung. Keiner ahnte, dass er sich nicht wohlfühlte. Eben kanzelte er Charles noch ab – sie hatten sich gestritten, nicht ernstlich, aber du weißt ja, wie wenig dein Großvater andere Ansichten ertragen konnte –, und im nächsten Moment war es vorbei. Bestimmt hat er nur einen kurzen, stechenden Schmerz gespürt. Wir haben nicht angerufen, weil ich dir die Nachricht persönlich überbringen wollte. Du sollst nach Hause kommen. Es wird ein Staatsbegräbnis geben.“
„Das war zu erwarten.“ Francesca seufzte tief. „Wozu großer Reichtum und politischer Einfluss doch führen! Zu Hause …“ Tränen schimmerten in ihren Augen. „Das Wort sollte mir alles bedeuten, aber ich empfinde nichts. Seit dem Tod meiner Eltern habe ich kein Zuhause mehr. Meine Kindheit war ein einziger Versuch, mit dem Verlust fertig zu werden. Ich klammerte mich an das, was mein Vater einmal zu mir sagte, als mich eine Wespe gestochen hatte: ‚Sei tapfer, Francey, Darling … sei tapfer.‘“
„Das bist du“, beteuerte Bryn. Er wusste, wie schwer Francescas Leben trotz des gewaltigen Reichtums der Forsyths gewesen war.
„Ich versuche es wenigstens. Manchem begegnet das größte Unglück schon in der Kindheit, und ich habe meins bis heute nicht ganz überwunden. Dabei hat Carrie mich immer wieder ermahnt, dankbar zu sein.“
„Das sieht ihr ähnlich!“
Sein scharfer Ton überraschte Francesca, denn Bryn kritisierte Carina sonst nie. „Sie wollte mich damit bestimmt nicht ärgern“, verteidigte sie ihre Cousine. „Sie versuchte, mir Mut zu machen. Doch genug davon. Ich neige nicht mehr zu Selbstmitleid, aber Grandpas plötzlicher Tod ist ein Schock. Er hat gelebt, als wäre er unsterblich oder würde mindestens neunzig Jahre alt. Es hilft mir sehr, dass du gekommen bist.“ Sie rang sich ein Lachen ab und kam dabei ins Schluchzen. „Du und deine Familie … ihr seid mir viel mehr ans Herz gewachsen als meine eigenen Verwandten. Ist das nicht seltsam? Ihr wart immer für mich da.“
Francesca sagte das mit einer Aufrichtigkeit, an der Bryn nicht zweifeln konnte. Seine Mutter und Großmutter hatten sie immer in Schutz genommen und sich gleichzeitig bemüht, ihre Empörung über die Forsyths nicht zu zeigen. Jetzt ergaben sich neue Möglichkeiten, die er unbedingt wahrnehmen musste.
„Wir haben nie darüber gesprochen, Francey“, begann er vorsichtig, „und du hörst es auch jetzt wahrscheinlich nicht gern, aber Carina ist nicht die Freundin, für die du sie hältst.“
Francesca war nicht im Mindesten überrascht, sondern wurde nur noch trauriger.
„Warum ist das so?“, fragte sie. „Ich habe nie etwas getan und würde nie etwas machen, das sie verletzen könnte. Ich habe mich immer bewusst im Hintergrund gehalten, nie mit ihr konkurriert. Sie ist die Forsyth-Erbin … ich nicht. Ich möchte es auch gar nicht sein und versuche, mein eigenes Leben zu führen. Wenn wir gemeinsam eingeladen sind, dränge ich mich nie vor. Ich ziehe mich nicht mal hübsch an.“
„Damit solltest du aufhören“, sagte Bryn im Befehlston.
Das kränkte Francesca. „Meinst du wirklich?“, fragte sie unsicher.
„Allerdings“, erwiderte er freundlicher. „Jeder soll sehen, wie schön du bist. Daran ändern auch die fleckige Bluse und die Shorts nichts. Niemand darf dich zwingen, dein Aussehen oder deinen eigenen Stil zu verbergen.“
Bei dem Wort „schön“ war Francesca rot geworden. „Mir kam es ganz natürlich vor“, gestand sie traurig.
„Das weiß ich.“ Bryn betrachtete ihr halb abgewandtes Gesicht. „Du hattest deine Gründe, nur was hat sich dadurch geändert?“ Er dachte an Jilis Warnung und beschloss, deutlicher zu werden. „Carina glaubt, dass du ihr die Liebe ihrer Mutter gestohlen hast. Das ist der entscheidende Punkt.“
Francesca sah ihn groß an. „Das wäre eine schwere Last für mich. Ich war noch ein Kind … gerade fünf Jahre alt. Der Tod hatte mir die Eltern genommen und mich zum Opfer gemacht. Damit begann die Tragödie meines Lebens. Grandpas Ableben, so plötzlich es auch kam, lässt sich damit nicht vergleichen. Das wahre Unglück begegnet einem nur einmal. Das mag grausam klingen, aber ich kann nicht heucheln. Grandpa hat mich nie geliebt und wollte von mir nicht geliebt werden. Wenn er mich wie seine Enkelin behandelte, geschah es nur für die Öffentlichkeit. Ich war zufällig in seine Familie geraten, doch ich bin keine blonde, blauäugige Forsyth. Bei mir kommt das Erbe meiner Mutter durch, die ich so früh verloren habe. Wie kann Carrie mich da ablehnen?“
Hassen wäre das bessere Wort, dachte Bryn. „Sie tut es trotzdem, fürchte ich. Mach deswegen kein so unglückliches Gesicht … du bist nicht daran schuld. Es liegt in ihr selbst. Sie hat die böse Seite der Forsyths geerbt.“
„Wenn das so ist, leidet sie bestimmt darunter.“ Francescas Stimme verriet ehrliche Anteilnahme.
„Ich glaube nicht, dass sie es so sieht“, widersprach Bryn. Es erschreckte ihn, dass sich Francescas ehrliches Mitgefühl gegen sie selbst richtete. „Dazu müsste sich Carina selbst erkennen, und das tut sie nicht. Ich bin froh, dass wir darüber gesprochen haben, denn es liegen harte Zeiten vor uns. Wir sollten darauf vorbereitet sein.“
„Carrie muss in schlimmer Verfassung sein. Sie hat Grandpa verehrt.“
„Dafür hält sie sich ganz gut“, stellte Bryn nüchtern fest.
„Gott sei Dank. Carrie ist sehr stark, und sie hat dich. Sie liebt dich“, fügte Francesca leiser hinzu, als wäre Carinas Stärke damit am besten erklärt.
Warum glauben alle – und vor allem Francesca –, dass Carina Forsyth der Fixstern an meinem Firmament ist?, dachte Bryn. Sie will etwas, das sie nicht haben kann. Da liegt das Problem.
„Sie bildet sich diese Liebe nur ein, Francey.“
„Nein, so einfach ist es nicht. Ihr steht euch sehr nah. Sie hat mir selbst erzählt, dass ihr eine Affäre hattet.“
Bryn zuckte die Schultern. „Also gut … wir hatten eine Liaison. So etwas kommt vor, aber es liegt Jahre zurück.“
„Carrie sieht das anders.“
„Und natürlich glaubst du ihr.“
Francesca gab für einen Moment ihre übliche Zurückhaltung auf. „Willst du etwas anderes behaupten?“, fragte sie und errötete.
Bryn lächelte. Sein schmales, ausdrucksvolles Gesicht schien von innen zu leuchten. Es konnte auch streng wirken, manchmal so streng und furchterregend wie das von Sir Francis.
„Ich bin ein freier Mann, Francey, und das gefällt mir.“
„Das kann sich ändern, denn Carrie wartet auf dich.“ Francesca zog ihre Sonnenbrille aus der Hosentasche und setzte sie schnell auf, damit er ihre Augen nicht mehr sehen konnte. „Willst du den anderen Guten Tag sagen?“
„Selbstverständlich. Ich würde sie niemals übergehen.“
Bryn näherte sich mit Francesca der Gruppe, die nur durch die mächtige Krone einer Wüsteneiche vor dem gleißenden Sonnenlicht geschützt war. In den Städten ließ sich die Natur eindämmen. Hier draußen wirkte sie mit ihrer ganzen Kraft.
„Ich sehe, dass Nellie heute dabei ist“, bemerkte er.
Nellie Napirri, eine Aborigine unbestimmten Alters – es musste irgendwo zwischen siebzig und neunzig liegen –, wählte sich normalerweise die Pflanzen und Tiere des Channel Country als Motiv. Am häufigsten malte sie Wasserlilien, die nach Bryns Meinung sogar bei dem großen Claude Monet Interesse geweckt hätten. Neben den traditionell verwandten Braun- und Ockertönen benutzte sie auch leuchtende Acrylfarben, um ihre Visionen auszudrücken.
„Ich dachte schon, wir würden sie nicht wiedersehen“, gestand Francesca. „Nellie ist eine echte Nomadin, aber nach einer langen Wanderung bis ins Northern Territory kam sie zurück. Stell dir den weiten Weg vor … bei ihrem Alter! Niemand weiß, wie viel Jahre sie auf dem Buckel hat, aber jeder kennt sie, solange er denken kann.“
Bryn dachte unwillkürlich an den Tag, als Francesca beinahe ertrunken und nur durch eine wunderbare Fügung gerettet worden war. Wohin war die alte Frau so plötzlich verschwunden? War sie auch auf Wanderschaft gegangen? Für Bryn war das Erlebnis wie eine göttliche Offenbarung gewesen. Er sah immer noch Carinas starre Haltung, ihr lang herabfallendes blondes Haar. Wie angewurzelt hatte sie dagestanden und auf die Lagune geblickt. Dann hatte sie angefangen zu schreien …
Die Malerinnen standen jetzt höflich auf und begrüßten Bryn mit Handschlag.
„Der große Mann hat uns verlassen“, erklärte Nellie mit tiefer Stimme. Ihre kurzen Locken waren schneeweiß, aber die Augen machten einen hellwachen Eindruck. Offensichtlich hatte man sie zur Sprecherin gewählt.
Bryn nickte. „Gestern, Nellie. Es war ein Herzschlag. Ich bin gekommen, um Francesca abzuholen.“
„Sie sollte lieber hierbleiben.“ Die alte Frau runzelte die Stirn und sah Bryn so durchdringend an, als stünde er zum ersten Mal vor ihr. Wollte sie ihm vielleicht ins Herz blicken? „Sie müssen sie beschützen, Byamee.“
„Keine Sorge, Nellie, das werde ich tun.“
Bryn kannte die respektvolle Anrede „Byamee“ und hoffte, sich ihrer würdig zu erweisen. Dabei fiel ihm ein, dass die Eingeborenen seinen verstorbenen Großvater auch so genannt hatten. Sir Francis war diese Ehre nie widerfahren.
Nellies Miene hellte sich auf. „Denken Sie an meine Worte. Es ist noch nicht vorbei.“ Plötzlich wurde ihr das Atmen schwer.
„Nellie, meine Liebe“, mischte sich Francesca ein, „Sie dürfen sich nicht aufregen. Alles wird gut werden.“ Sie legte den Arm um die zierliche, gebeugte Gestalt. „Warum zeigen wir Bryn nicht, was wir geleistet haben? Sie wissen, wie sehr er einheimische Kunst schätzt.“
Wieder wanderten Bryns Gedanken zurück. Carina hatte Francescas Bemühungen um einheimische Künstler einmal als den Versuch bezeichnet, „durch die Arbeit mit den Aborigines über ihre Stellung als reiche Erbin hinwegzutäuschen“.
Carina war nicht nur gefühllos. Sie konnte auch ungeheuer dumm sein, vor allem, wenn es um Qualität ging. Es stand ihr nicht zu, Francescas Leistungen zu beurteilen. Francesca war eine hochbegabte junge Frau. Bryn hatte oft mit ihr diskutiert – nicht nur über „Titan“, sondern auch über andere Projekte des Forsyth-Konzerns, bei denen ihrer Meinung nach das Management versagte. Francesca besaß einen scharfen Verstand. Sobald Bryn die gewünschte Position innehatte, würde er sie, ungeachtet ihrer Jugend, in den Vorstand berufen. Die nötige Befähigung dazu hatte Francesca von ihrem Vater Lionel geerbt. Das hatte seine Großmutter ihm mit einem ironischen Lächeln bestätigt.
„Wenn man ganz ehrlich ist, würde Francey dem Unternehmen weit mehr nützen als Carina“, hatte sie gesagt. „Leider hat das Schicksal es anders bestimmt. Carina ist Francis’ erklärter Liebling. Er war nie ein großer Menschenkenner.“
Bevor sie sich trennten, nahm Nellie Bryn einen Augenblick beiseite. Sie sah ihn offen an und sagte, als wollte sie ihm seine Verantwortung bewusst machen: „Sie sind jetzt Francescas Familie, Byamee. Andere werden alles tun, um ihr zu schaden.“
„Nellie …“
Sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Sie wissen das genauso gut wie ich. Francesca denkt von jedem nur das Beste … sogar von denen, die ihr Böses wollen.“
„Sie werden auch mir Steine in den Weg legen“, sagte er, als hätte er es nicht mit einer eingeborenen Nomadin, sondern mit einer vertrauenswürdigen Partnerin zu tun. Das fiel ihm nicht einmal schwer. Die Aborigines hatten viele Gaben. Vorahnung war nur eine davon.
„Es wird ihnen nicht glücken“, versicherte Nellie mit Zornesfalten im Gesicht. „Sie sind stark, Byamee. Ihre Zeit ist gekommen. Diesmal werden Sie Gerechtigkeit finden.“
Es klang, als hätte sie eine Rede gehalten, und Bryn verstand die Botschaft.