10./11. Dezember Der Himmel ist blau hinter dem Baugerüst im neunten Stock. Unser überteuertes Hotelzimmer. Ich habe trotz meiner heftigen Offenbarungen entspannt geschlafen. Am äußersten Bettrand. Und ich war »brav«, no snoring.

Biarritz bei Sonnenschein. Im Meer schwimmen ein paar Mutige. Das Wasser hat vierzehn Grad, die Luft nur drei. Es wäre sicher ein unvergessliches Erlebnis, ins Meer zu springen. Vermutlich wäre ich danach krank. Aber es stellt sich nicht die Frage, mir fehlt ohnehin der Mut dazu.

Unsere Gespräche holpern. So als ob ein Rad am Wagen plötzlich eiern würde. Egal was der eine oder der andere sagt, irgendwann stockt es im Missverständnis. Mit jedem Euro mehr, den er für mich ausgibt, schwindet die Augenhöhe, die ja Grundlage unseres Schreibens ist. Die Beispiele sind dämlich. Er lobt mich, dass ich anno dazumal auf dem Markt in Barcelona die einzige Touristin war, die fast einheimisch einkaufen konnte. Ich antworte, dass es daran lag, dass ich bezeichnen konnte, was ich wollte. »Da macht man dir ein Kompliment und du musst immer recht haben.« »Heute können viele Menschen beispielsweise keine ›Rinderlende‹ mehr bezeichnen, da alles in Plastik verpackt ist. So war das gemeint.« Wir gehen schweigend weiter.

Bei der Ausfahrt im Parkhaus gibt es zwei Automaten. Der erste nimmt das Parkticket nicht an. Es bildet sich eine Schlange hinter uns. Ich steige aus, gehe ums Auto. Auch bei mir funktioniert Automat Nummer eins nicht, dafür Nummer zwei. Ich winke entschuldigend den Autofahrern hinter uns und steige wieder ein. »Fahr zu, solange die Schranke noch oben ist«, sage ich zu ihm. »Du lässt dich aber auch stressen. Mein Gott, bist du eine dumme Gans.« Der Kroetz ist immer großzügig mit Betitelungen dieser Art. Das zweite Rad an unserem Kommunikationswagen eiert nun auch. Es liegen nur drei Autostunden dazwischen, bis alle vier eiern und wir uns anschreien. Sogar meine Frage, ob er etwas Wasser trinken möchte, ist altersdiskriminierend, er weiß selber, wann er Durst hat. Er ist angepisst von mir. Nach weiteren dumm-dämlichen Reibereien gibt’s dann den kurzen Knall. »Wenn du so weitermachst, dann schmeiße ich alle Texte, das Manuskript weg und das wird dir vermutlich mehr schaden als mir«, sagt er und Mister Macht kommt wie der Geist bei Aladdin, nur diesmal aus der Wasserflasche. Und wenn schon, auch das würde super zu meinem Losertum passen. Mir ist alles egal. Mit meiner Reise konnte ich mich nicht durchsetzen – andere Länder, andere Sitten –, ich hätte wirklich gern ein paar Menschen, Freunde und ihre Umgebung wiedergesehen. Geschadet hätte es ihm nicht.

Ich streike. »Wo soll ich denn jetzt hinfahren?«, fragt er ungehalten. »Die Navi-Lady sagt es dir«, antworte ich. »Bis jetzt hast du es mir immer gesagt!« Die Navi-Lady weiß nicht, dass gefühlte fünfhundert Nikoläuse auf Motorrädern eine Demo durch Bordeaux machen. Endlich finden wir die Parkgarage, die nur zehn Plätze zur Verfügung hat. F. X. wird nervös und will hier wieder raus. Wir bekommen aber einen Stellplatz und gehen Richtung gemieteter Wohnung. Das Studio ist nett und französisch. Wir gehen kurz in die Stadt, trinken einen Kaffee. Mit Trinkgeld zehn Euro. Madre mia, welcome home. Wir gehen einkaufen und ich beginne umgehend zu kochen. Paprikahähnchen, Reis und Salat. Von der Stadt sehen wir weiter nichts. Mir schlägt die Situation auf den Magen. Ich bekomme Dünnschiss und werde Dauergast auf dem Klo. Gut, dass wir zu Hause bleiben.

Ich penne auf dem Schlafsofa im Wohnzimmer, er im Bett im Schlafzimmer. »Geht’s dir besser?«, fragt er in der Früh. »Ja, aber ich war ständig auf dem Häusl.«