64. Eintrag Heute weiter nach Burbach im Elsass, wohin sich Uta Emmer 1998 zurückgezogen hat, als sie ihr Theater in München und ihr Leben als Schauspielerin und Intendantin plötzlich an den Nagel gehängt hatte. Schuld daran war „Berufsermüdung“, aber auch die Münchner Theatermafia, ein zwielichtig eigennütziges Gremium, das die minimalen Subventionen für die kleinen und kleinsten Theater in München nach undurchsichtigen Kriterien verteilte und dem Theater von Uta immer weniger gab, bis sie gezwungen war aufzuhören. Mit Uta verbindet mich die Liebe zum Theater und unser Sohn David.
Die fünfundachtzigjährige Grande Dame ist sehr klein geworden, wiegt nur noch fünfundvierzig Kilo, ist herzkrank und im Kopf total fit. Dass sie ununterbrochen redet, ist okay; sie erzählt sooo vieles, was ich nicht mehr weiß, dass es vollkommen richtig ist, dass ich meine Memoiren aufgegeben hab. „Meine“ Memoiren müsste jemand schreiben, der nicht so viel gesoffen hat und sich besser erinnern kann.
Wir essen Kuchen, den Uta für uns gebacken hat, und die beiden Damen reden zwar um die Wette, aber sie tolerieren sich dabei, unsere Vergangenheiten zum Klingen zu bringen.
Irgendwann im Verlauf des Abends fragt Uta: Und ihr? Seid ihr jetzt wieder zusammen? Die Ex schüttelt energisch den Kopf.
Und ich sag: Sie hat sich scheiden lassen, aber mir gefällt sie immer noch, auch wenn sie aufgegangen ist wie eine Dampfnudel.
Die Ex erstarrt und ich könnte mich in den Arsch treten.
Dabei zitiere ich nur unsere Älteste, die gesagt hat: Ich weiß genau, wie ich in dreißig Jahren ausschau, ich muss nur meine Mutter und Dampfnudel denken …
Obwohl ich also nur zitiert hab, ist die Ex total beleidigt und wirft mir später vor, dass ich das vor Uta gesagt hab. Das tut man nicht! Mir ist das auch klar, aber ich bin eben so! Sensibel (vermutlich?) als Dramatiker mit meinen Figuren, autistisch als Mensch.
Dazu kommt, dass mir die Ex in ihrem roten kurzen Strickkleid und den schwarzen Strümpfen sehr gut gefiel heute, den ganzen Tag über … sehr gut.
Ich sage zu ihr: Die Dampfnudel tut mir leid, weil sie nicht stimmt. Ich find dich zurzeit sehr attraktiv, du bist eine total sexy Dampfnudel, und ich krieg einen Ständer, wenn ich dich seh.
Erst schaut sie mich unverwandt an und ich denke: Oh Gott, was hab ich denn jetzt für einen Scheiß gemacht, aber dann lächelt sie, es ist ein Lächeln, das man nur erkennen kann, wenn man nach Sternschnuppen schaut. (Zu mehr kommt es nicht, ich hole mir später einen runter, was auch recht angenehm ist.)