8. Eintrag Natürlich kann man nicht erwarten, dass man ein Leben lang geliebt wird, wenn man einmal geliebt worden ist. Lächerlicher Gedanke, geht mir aber durch den Kopf. Eheversprechen und Ehe das funktioniert einfach nicht, über die Jahrzehnte hinweg ändert sich alles und das auch. Waren gestern auf der Feria de Artesanía, Handwerksausstellung mit folkloristischen Tänzen usw., sehr nett. Viele aus unserm Dorf. Man freut sich. Ich mich auch. Ein zahnlückiger, betrunkener, schwitzender junger Mann, der stinkt, umarmt mich mehrmals heftig und freut sich, dass er mich nochmal wiedersieht. Der Senior, der immer so ernst schauend im Mercedes vorbeigefahren ist. Der Senior? Zu der Zeit kam ich mir nicht wie ein Senior vor, eher wie ein angepisster Pinscher … Es war auch auf einer dieser vielen Fiestas, die die Insel feiert. Viel Gedränge auf den Straßen. Die Ex in ihrer attraktivsten Zeit und ich schon recht – „betagt“ (was Besseres fällt mir nicht ein).
Neben uns hält ein Auto, ein Mann lässt die Seitenscheibe runter und sagt zur Ex auf Spanisch: Ist das dein Mann? Sie nickt und wird rot, er nickt und fährt weiter. Mich hat er weder angesehen noch gegrüßt. Die Szene bleibt mir lang im Hirn. Alles ist gesagt, nichts ist gesagt.
Auf den Fotos dieser Zeit: eine blühende Frau im wirklich besten Alter neben einem knochigen, verblühten älteren Herrn.
Das Angenehme ist, dass man auch diese Scheißerinnerungen heute vorbeigleiten lassen kann, ohne dass irgendwas wehtut. Sollte man sich beim ersten Anzeichen, dass man nicht mehr „genug“ ist, trennen? Oder durchhalten, aushalten?
Keine Ahnung. Alles ändert sich. Als ich kürzlich im Residenztheater war und meinen „Drang“ angeschaut hab, saß vor mir S. Von hinten, mit den vollen roten Haaren, schön wie immer. Von vorne ein altes, verfallenes Mädchen. Bei der Ex ist es umgekehrt, von hinten eine kleine, runde, alte Bäuerin, von vorn was von früher …