27. Oktober Der Himmel verfärbt sich rötlich-orange, die Sonne kriecht langsam über den Hügel, das Meer ist ruhig. Afrika. Dankbarkeit. Es ist einfach wunderschön auf dieser Insel mitten im Atlantik. Vierzehn Tage sind wir nun hier und das Auto ist immer noch nicht fertig. Das Leben hat sich an der Seite von Franz verlangsamt. Sich seinem Rhythmus anzupassen ist gewöhnungsbedürftig. Ich bin sicher, es würde ihm besser gehen, wenn er mal früher aufstünde. Das käme auch der Reise zugute, sollten wir diese machen. Check-out ist um zehn Uhr in den Hotels. Aber ich komme hier mit ihm weder zur Bank noch zur Versicherung, die haben schon zu, wenn er endlich »wach« ist.

Das Alter ist bestimmt keine schöne Sache, aber die Lethargie, in der er sich befindet, macht ihn derart träge, dass es manchmal schwer ist, die gute Stimmung aufrechtzuerhalten. Er hat Schmerzen im Knie, dazu Asthma und bekommt somit schlecht Luft. Was ihm aber wirklich die Luft zum Atmen nimmt, ist der Fakt, »nicht mehr schreiben zu können«. Er hat sich als Schriftsteller aufgegeben. Allerdings: Solange ich ihn kenne, hatte er diese Phasen des »writer of no return«. Wenn er dabei trank, wurde er zwar aggressiv, aber irgendwann platzte das Ventil und seine angestaute Kreativität sprudelte wieder. Wenn er nüchtern, ohne Alkohol an sich als Dichter zweifelte, hing er tagelang in einem Stuhl und starrte apathisch vor sich hin. Unsere damals achtjährige Tochter schrieb in ihr Tagebuch: »Wir sind verzweifelt. Papa kann nicht schreiben.« Für die Familie waren diese Tage, Wochen, Monate schier unerträglich. Die Heiterkeit wurde durch den allgegenwärtigen Trauerflor verbannt.

Ich bin froh, dass ich diese Zeit mit ihm erleben darf und dabei meine Vergangenheit so selbstverständlich reflektieren kann. Unwiederbringliche Momente. Und da wir beide die Disziplin des täglichen Schreibens aufbringen, ist’s vielleicht ein Aphrodisiakum fürs Hirn?

Für Franz wäre es wahrlich ein Triumph, dieses alte Auto von Afrika nach Deutschland zu bringen. Ich würde es ihm gönnen und wünschen, dass er dadurch neuen Lebensmut schöpft. Er nennt mich übrigens immer noch nicht beim Namen, sondern ich heiß jetzt »Schatz«. Interessant, die Gewohnheit. Wie beim Klodeckel, der bleibt auch oben.

Gestern waren weder Baden noch Spaziergang mit ihm möglich. Also »Ausflug« in eine wunderbare Gärtnerei. Er schlendert dort durch wie »Kroetz im Wunderland«. Ich kaufe Erde, Dünger, ein paar Pflänzchen und Holzpaletten für unter die Pflanzentöpfe. Er zahlt. Glücklich schleppe ich meine Beute zum Auto. »Danke! Siehste, andere Frauen freuen sich über Parfüm, Make-up, Schuhe und ich mich über Holzpaletten und Erde. That’s the difference.«