28. Oktober Es geschehen noch Zeichen und Wunder: Er ist um zehn Uhr aufgewacht, hat gut geschlafen, ist blendend aufgelegt und zarte zwei Stunden später sind wir schon auf dem Weg zur Bank. Er mit Sakko, und ich hab mir Stöckelschuhe angezogen. Das hat schon Tradition. Ich kann mich erinnern, dass Franz in Altenmarkt grundsätzlich einen Anzug trug, wenn er auf die Bank ging. »Sonst geben sie mir kein Bargeld.« Dabei wurde er in der bayerischen Dorfbank geradezu hofiert, selbst dann, wenn er in zerrissenen Jeans aufgetaucht wäre.

Hier ist das anders. Die Bank gibt sich sehr feudalistisch dem Volk gegenüber. Vorgestern wollte ich nur schnell mal Geld abheben. Automat kaputt. Ich gehe in die Filiale zum Schalter und will hundert Euro. Der behäbige Spanier nimmt meine EC-Karte, tippt und sagt dann: »Ihre Daten sind nicht aktualisiert.« »Doch, sind sie schon.« »Ich brauche Ihren aktuellen Pass.« »Den habe ich im Online-Banking aktualisiert.« »Das hat das System nicht angenommen. Einen Moment bitte.« Er steht auf und geht ins Büro zum Direktor. Hinter der Glasscheibe sehe ich ihn gemütlich reden. Meine EC-Karte liegt auf seinem Schreibtisch und ich kann nicht weg. Es dauert zehn Minuten, bis er wieder da ist. »Hören Sie, ich wollte nur schnell Bargeld abheben und keinen Staatsakt daraus machen«, sage ich ungeduldig.

Ich denke mit Schrecken ans vergangene Jahr. Da musste ich mein Residente-Konto in ein Non-Residente-Konto umwandeln, weil man in der EU keine zwei Wohnsitze haben darf. Warum auch immer. Jedenfalls dauerte dieser Vorgang Wochen. Quasi einmal pro Woche hatten wir einen Termin und ich nahm meine Tochter mit, die perfekt Spanisch spricht. Carmen, eine begnadete Bankangestellte, brachte so viele Würmer in die Umwandlung des Kontos, dass mein Geld eingefroren wurde und ich keinen Zugriff mehr hatte. Sie erklärte meiner Tochter allen Ernstes: »Bei dieser Nummer können Sie anrufen und erhalten Auskunft in Ihrer Sprache.« »Spanisch ist meine zweite Muttersprache«, antwortete meine Tochter trocken und blieb hartnäckig. Doña Carmen bekam jedes Mal Flecken im Gesicht, wenn wir die Filiale betraten. Genauso wie die Metzgerin in Altenmarkt, gleich neben der Bank, die die Wimmerl immer bekam, wenn Roy Black bei ihr einkaufte. Es war im wahrsten Sinne des Wortes an ihrem Dekolleté abzulesen, wenn er da war. Die Wirrungen der Bank waren derart kompliziert, dass wir uns auch noch eine offizielle Übersetzerin mitnahmen. Dann ging es plötzlich und ich konnte wieder über mein Konto verfügen. Ich war derart fertig, dass mir bei der Überprüfung am Automaten nicht mehr der PIN einfiel. Jetzt bloß keine eingezogene Karte. So ein Scheiß!

»Haben Sie Ihren Pass dabei?« Ich schiebe ihm den Ausweis zu und schaue auf die Uhr, der Metzger schließt in zehn Minuten. »Hola«, ruft der Bankdirektor und klopft mir auf die Schulter. »Na, wieder mal auf der Insel?« Yeray, ein braun gebranntes Windei mit weißen Zähnen, das gerne irgendwelche »Ofertas« aus dem Ärmel schüttelt. »Und arbeitest du? Sie ist Schauspielerin«, sagt Yeray zum behäbigen Spanier, der immer noch mit meinem Schweizer Pass und dem Scanner beschäftigt ist und nur ein desinteressiertes »ah, sí« hervorbringt. Aktualisierung ist vollendet. Ich erhalte endlich das Bargeld, EC-Karte und Pass und renne zum Metzger. Der hat geschlossen.

Heute: Franz und ich kommen in die Bank in Icod, Nachbarort in die andere Richtung, um einen Termin zu vereinbaren. »Bevor Sie Ihr Konto auflösen können, müssen wir Ihre Daten aktualisieren«, sagt die freundliche Dame. Ich hatte so was befürchtet. Immerhin haben wir einen Termin und wissen, was wir am kommenden Mittwoch machen werden: einen Familienausflug zur Bank. Mit unserer Tochter, die zu Besuch kommt. Es kann sich nur um Stunden handeln.

Wir gehen weiter zur Optikerin. Ohne Maske dürfen wir das Geschäft nicht betreten. »Dreihundertfünfzig Euro Strafe«, sagt Marisol. Wir haben keine Masken dabei. Also geht sie mit uns vor die Tür. Franz friemelt seine Brillen aus der Tasche und reicht sie ihr. Er hatte sich auf eine Brille gesetzt, die andere hatte mit Klebeband verstärkte Bügel, ob sie da was machen könne. Ich übersetze. Geradezu angeekelt gibt sie ihm die Brillen zurück, nein, da könne sie nichts machen, schüttelt den Kopf, die Gläser seien zudem verkratzt. Ich gebe zu, die Brillen von Franz sahen erbärmlich aus, aber der Kroetz wäre nicht der Kroetz, wenn er lieb gewonnene Dinge nicht bis zum letzten Atemzug benutzen würde.