19. Eintrag Die Ex zwingt mich praktisch jeden Tag – mit roher Gewalt sozusagen -, einmal ins Meer zum Schwimmen zu gehen. Und wenn ich – wie heute Abend – mit dem Pullover runter an den Playa gehe, das Wasser ist noch sehr warm (dreiundzwanzig Grad, na ja, einundzwanzig), und nur einmal raus und wieder zurück schwimme: Es ist herrlich, die alten Knochen blühen auf, und das verrostete Hirn atmet durch. Ich wär allein viel zu faul, aber mit ihr gehts.
Ansonsten ist die Stimmung heute wieder kippelig: Die Ex hat sich vom dt. Konto tausend Euro hierherüberwiesen. Und das kam nicht an, sondern wurde nach einer Woche wieder zurückgeschickt. Uff! Das wäre, da das Geld wieder zurück auf ihr deutsches Konto überwiesen wurde, jetzt kein Verlust – unter vernünftigen Menschen, möchte man sagen -, ist aber bei ihr Anlass für Wut und Frust: Was machen die mit meinem Geld, lassen die das eine Woche für sich arbeiten z. B. Oder? Oder? Oder? Ich sag: Na ja, wenns Millionen wären, aber bei tausend Euro … Das ist die falsche Schublade, sie giftet mich direkt an: Das ist doch egal, obs fünf sind oder fünf Millionen, es geht doch ums Prinzip, kapierst du das nicht, so blöd bist du doch nicht?
Sie kann sich „einsingen“ auf ein Thema und das scheppert, flötet, leiert, schmettert, flüstert, furzt, rotzt und schreit sie dann eine lange Ballade vor sich hin und auf den andern drauf, und wenn ich weghör, wird sie total sauer, und wenn ich zuhör, verwechselt sie mich mit der Bank, auf die sie schimpft – man entkommt dieser verbal-narzisstischen Kakophonie nicht.
Zur persönlichen Sicherheit checke ich immer wieder mal aufm Handy Flugverbindungen nach Alemania und bin erleichtert: Es fliegt was, es fliegt was, wenns sein müsste.
Dass wir nicht mehr verheiratet sind, nimmt das Dynamit aus diesen Minikrisen, wir sind ja sozusagen freiwillig beisammen, ich bin ihr Gast, von ihr eingeladen, hoffentlich vergisst sie das nie …
Sie kann im Verlauf endloser Quasseltiraden alle ihre gebrauchten und verbrauchten Gesichter widerspiegeln: Mal schaut sie aus wie damals vor dreißig Jahren, ein Schmetterling fliegt durch ihr Gesicht, in der Wut lächelt sie, ich glaube mich zu erinnern an meine größte Liebe …
Dann ähnelt alles, Gesicht, Körperhaltung, Stimme ihrer Mutter. Die alte, von Manie und Wahnsinn zerstörte Frau Schell kriecht aus dem Grab in Kärnten und macht sich hier in Garachico am Küchentisch breit.
Fazit: Ich bin froh, dass ich nicht mehr verheiratet bin, und froh, dass ich zurzeit hier bin, mit ihr, bei ihr und Lena, und froh, dass jeden Tag Flieger nach München fliegen – schöne alte Tage …