27. Eintrag Man weiß nicht genau, wann beim „Gegner“ der Hass wieder die Augen aufmacht, den er sich angefressen hat im Lauf von Trennung, Schmerz und Trauer und der sich nach der Scheidung schlafen gelegt hat. Manchmal ist es auch umgekehrt, die abgestorbene Liebe jault noch einmal auf.

Wir waren doch in Santa Cruz in dem Konzert und da waren wir von musikbegeisterten Mumien umzingelt, die alle gehustet haben, und eine von diesen Mumien muss mir Corona angehängt haben.

Auf dem Spaziergang gestern ging es los: Atemnot, raue Kehle, zitternde Knie und fortwährende Erschöpfung.

In der Nacht dann neununddreißig Fieber, brennender Kopf, verstopfte Nase (total verstopft, hat mich an meine Kokszeit erinnert) und in der Früh ein Schnelltest, der zwei fette Linien zeigt, vermutlich ist es das dritte Mal, dass ich Corona hab.

Und jetzt passiert das Unglaubliche, das Liebliche: Die Ex kümmert sich um mich, als wäre sie frisch in mich verliebt (ich kann es nicht anders beschreiben), sie strahlt eine so liebenswürdige Hilfsbereitschaft aus, dass mich das in gute frühe Zeiten katapultiert. Es freut sie, dass ich Corona hab; nicht weils mir schlecht geht, sondern weils ihr gut geht, wenn sie helfen kann. Schon lang hab ich den Verdacht, wenn ich mir in all meinen Liebes-Lebens-Lagen mehr helfen hätte lassen, anstatt immer alles alleine hinkriegen zu wollen, wär ich als Don Juan viel erfolgreicher gewesen. Aber um schwach sein zu können, muss man schon verdammt stark sein.

Die Ex kocht für mich eine griechische Suppe, das Beste gegen Erkältung, ich kriege sündteure Coronatabletten (Stück für einen Franken), Wadenwickel und Stirnwickel, es ist alles so fürsorglich, dass man es mit Liebe verwechseln könnte – so dumm bin ich nicht, vor zwanzig Jahren war ich ihr schon eine Ewigkeit zu alt, und ich bin nicht schöner, besser, netter geworden, aber ich genieße diese zufrieden lächelnde Frau mit all den Pillen, Wickeln, Tuben und Inhalaten UND ihrer Leidenschaft für – nicht mich, aber „fast“ für mich, und danke Corona, dass es mir ein so angenehmes Déjà-vu beschert hat.