31. Eintrag „Ich muss weiter, meinem Gott hinterher, wenn ich nicht aufpass, entwischt er mir, und ich find ihn nicht mehr“, lallt mein Herrgottschnitzer und rennt blinden Auges durch die Welt.

Der Herrgottschnitzer und der liebe Gott haben sich beide verpisst, sind die Klippen runtergestürzt, in den Wellen verschwunden und ersoffen.

Ich weiß nicht, ob man das erleben muss: Man sitzt vor einem Manuskript, an dem man schon jahrelang gesessen hat, in diesem Frühling und Sommer bis zur massiven Depression – und man stellt nach ein paar Wochen Pause, Entwöhnung von Pasing und einem dämlichen kaputten Leben fest: Was du da geschrieben hast, ist ein Schmarrn, nichts als ein Schmarrn.

Problem: Da mir schon so lange nichts Neues mehr einfällt, kann ich mich von dem Schmarrn auch nicht lösen.

Gestern Abend wieder mal in meiner „Bibliothek“ rumgeschaut: Tschechows ‚Iwanow‘ in die Finger bekommen und sofort den ersten Akt gelesen. Es ist eine wunderbar leichtfüßige Dramaturgie, einfach hinskizziert denkt man, ohne den Figuren auch nur die geringste Gewalt anzutun, öffnen sie sich und geben sich preis, dabei verraten sie alles, weil sie kein Geheimnis haben, nur eine sentimentale Hoffnung, sie sind so löchrig wie ein Schweizer Käse, nicht existenziell, sondern einfältig.

Da spielt ein Dramatiker genial mit seinen Figuren, und ich hab eine brennende Sehnsucht danach, dass ich auch mal ein Dramatiker war, und dass ich mal spielend schreiben konnte.

Nicht, dass ich mich mit Tschechow vergleiche, natürlich nicht, ich weiß, dass ich nur ein Würstchen bin, aber ich spüre doch die Kraft, die einer großen Wurst innewohnt, und adaptiere sie, ohne dass ich mich verwechsle und aus der Bedeutungslosigkeit auftauchen würde. Ich lese auch am liebsten Biografien, das zuzugeben ist mir peinlich.

Bin wieder ganz gesund. Heute nach dem Kaffee Spaziergang zur Absturzstelle, wo Ferdi fünfundzwanzig Meter die Klippen runtergefallen ist und das wenig verletzt überlebt hat, dann am Meer entlang, ein paar Fischerboote drauf, die Wellen flach und lieblich, ein paar Badende am Playa, die Eidechsen rund um mich rum, wenn ich stillsitze, und eine große, ja große Ruhe in mir.

Dann sucht und findet mich ein dickes altes Tier, dem es auch wieder besser geht, und platscht sich neben mich – und es ist schön.

Als sie mich vor fast zwanzig Jahren verlassen hat, ging ein paar Jahre lang meine Welt unter und meine Sonne war schwarz. Vergessen, vorbei! Wie dumm müsste man sein, jetzt, wenige Stationen vor dem Tod, der großen Liebe ein paar Schatten vorzuwerfen.