15. November »Du bist die charmanteste Druckmacherin, die ich kenne«, sagt mir der Produzent, über meine SMS amüsiert, »heute Abend hast du den Text.« Ein guter Tagesanfang und ein Hauch von Hoffnung. Mir geht es besser. Aktiv räume ich die beiden Patios auf und beginne zu renovieren.
Santi ruft mich an. Das Geld sei noch nicht auf seinem Konto und so kann er die Benzinpumpe nicht kaufen. Tja, was soll ich ihm sagen? Etwas später steht er auf der Plaza vorm Haus. Ich winke ihm von der Terrasse aus zu, mit Fragezeichen und Fingerreiben, »¿y que?« Er kommt zum Haus. »Kaffee?«, frage ich. Er nickt. In der Küche sitzt der soeben aufgestandene Kroetz. Es ist halb elf. »Santi steht vor der Tür und kommt auf einen Kaffee rein.« »Ja klar, ist ja dein Haus«, sagt er mürrisch. Ich erhoffe mir ein Gespräch zwischen den beiden Herren. Aber nix da. Kaum erscheint Santi in der Tür, hat F. X. K. seinen theatralischen Abgang. »Er ist nicht gut auf mich zu sprechen«, meint Santi. Nein, das Geld ist noch nicht da und er hat nur noch acht Euro einundvierzig auf seinem Konto. Um mir das zu beweisen, loggt er sich im Online-Banking ein und hält mir das Display unter die Nase.
»Er ist wieder weg«, sage ich zu Franz, nachdem Santi seinen Kaffee getrunken und mir »viel Glück« gewünscht hat. Wie geht mir diese Situation auf den Sack! »Wofür braucht er denn das Geld und warum hat er keins? Das ist ein Betrüger!«, schließt Franz aus den Ereignissen und auch mir kommt das alles mittlerweile spanisch vor. »Vielleicht kann er nirgendwo mehr auf Pump kaufen?« Ich habe null Ahnung. In Franz’ Kopf mutiert Santi zu meiner »Altlast«, mit dem ich ein Verhältnis hatte. Ich kann hundertmal beteuern, dass ich gar nicht auf die Idee käme, mit dem Typen was anzufangen. »Ist nicht schlimm, wir sind ja geschieden«, meint er. Ich dumme Gans war in der gesamten Ehe treu, ein Lover hätte bei drei Kindern auch rein zeitlich nicht reingepasst, musste mich aber gegen seine »Vermutungen« verteidigen. Seine sexuellen Fantasien zur Untreue wurden mir zur Qual. Drama war, als er in meinem Kalender schnüffelte und zwei Tage ohne Eintrag fand. Daraus schloss er, dass ich – haha, als alleinerziehende Mutti – in seiner Abwesenheit just in diesen zwei Tagen einen Lover hatte. Ein Eifersuchtsdrama. Männer!
Und der Zipfel in der Werkstatt erzählt wiederum, dass ein Nachbar im Dorf behauptet, er und ich seien ein Paar. Passt mal auf, ihr halblangen Machos, ich würde nie mit einem aus meinem Dorf vögeln, ich bin ja nicht total wahnsinnig. Überhaupt, wegen dem bisserl Sex kommt mir kein Mann mehr ins Haus!
Dieses Scheißauto möge nun endlich fertig werden und dann auch fahren! Ich hab nämlich das dumpfe Gefühl, dass bei der ersten Teide-Tour der Wagen mit den vielen neuen Ersatzteilen auf zweitausendachthundert Meter am Pass verreckt. Und dann?
Aber bitte hervorheben und Gedenktafel montieren: Der Kroetz hat heute sein Zimmer aufgeräumt, geputzt und rausgewischt. Wow. Das kam so überraschend, dass ich gleich mal zur Nachbarin auf einen Kaffee bin.
Die Badetasche ist wieder im Auto. Ich würde so gerne kurz ins Wasser, aber das ist ihm zu kompliziert. Also nur Spaziergang in Puerto an der Küste. Die Gespräche vom Vortag scheinen einzusickern und nun wird auch ihm klar, dass mein Gejammer beruflicher Art durchaus eine Berechtigung hat. Er müsse in vierzehn Tagen zurück nach Deutschland, ins Büro und wegen seiner inneren Uhr, »und du kommst mit«. Ich schüttele den Kopf. »Noch mal: Ich bin superhappy, dass ich den Winter hier sein darf und somit Geld spare. Ich kann dir aber ein betreutes Fliegen organisieren, wenn’s nur darum geht, nicht allein zu reisen.« »Ja dürfte ich denn hierbleiben oder wiederkommen?« Ich schlucke. »Schon, aber da müssen wir einen Deal finden.« Franz konnte nie allein sein. Er hatte immer eine Frau an seiner Seite. Und die letzten Jahre war unser Sohn für ihn da. Eine Männer-WG. Die steht nun auf der Kippe, da Sohnemann frisch verliebt. Also rechnet er eins und eins zusammen, welches doch wieder zwei ergeben könnte. Ich erfülle ihm gerne ein paar schöne Wochen und ich bin sicher, dass auch ich froh darüber sein werde, diese gemeinsame Zeit erlebt zu haben. Aber ich habe meine Unabhängigkeit so zu schätzen gelernt und möchte diese nie mehr hergeben.
Wir fahren in den Einkaufstempel, der mittlerweile festlich geschmückt ist. Weihnachten aus allen Poren. Mir ist übel. Wir machen den Einkauf, wichtig: guter Wein und guter Whisky, ein paar Lebensmittel und Fisch. Einen ganzen Bonito del Norte, eine Art Thunfisch. Zweieinhalb Kilo für fünf Euro. »Ich bleibe hier«, jubelt F. X. »Jetzt ist Bonito-Zeit, darum ist der Fisch so günstig. Sie kommen immer in Schwärmen«, erkläre ich. Bonito-Zeit? So ein Quatsch, die ist normalerweise im August. Wir haben aber jetzt November! Die ganze Welt spielt verrückt und der Klimawandel wird uns den Nacken brechen.
Mir ist nach wie vor nicht gut. Was auch immer bei mir Schweißausbrüche und Unwohlsein auslöst, ich hoffe, es bald überstanden zu haben.