18. Oktober Der regelmäßige Alkohol zieht mich runter. Für mich allein kaufe ich schon lange keinen mehr, da ich die Selbstverständlichkeit, abends zum Gläschen zu greifen, verachte, auch wenn mir der Wein schmeckt. Franz trinkt regelmäßig, mittlerweile langsam und der große Unterschied zu früher: Er bleibt friedlich. Früher konnte ich mit jedem Glas oder Bier seine Aggression wachsen sehen, dahinter blieb die Angst der Disharmonie. Das ist heute anders. Das Alter macht zahnlos und stimmt milder, ich begrüße es.

»Wollen Sie unsere ›Spionin‹ werden? Sie bringen uns die Promi-News, wir verteilen diese an sämtliche Zeitungen und Sie bekommen dafür …. nichts.« Zugespitzt zusammengefasst das Angebot einer Promi-Nachrichtenagentur. Unfassbar, wie die Arbeits- und Zahlungsmoral gesunken ist. Gerade im Kunst-, Kultur- und Showbusiness. Franz meint, »es umgeben mich lauter Nassauer, die sich an meiner Gutmütigkeit bedienen«.

Das Wetter ist schön, das Meer tobt bedrohlich. Die friedliche Playa mutierte über Nacht zum Ungetüm. Zwischen Einkaufen, sehr gutem Essen, ich koche gern und üppig, und langen Gesprächen tut sich nicht viel. Die gemeinsamen Spaziergänge sind kurz und von vielen Pausen unterbrochen. Das Knie. Früher rannte er die Berge rauf und ich kam kaum hinterher. Heute ist es eine Slow-Motion-Rallye im Zweiertakt. Verständlich, er hat Schmerzen.

Er erkennt meine Not, mein Stagnieren in unwichtigen beruflichen Dingen, wenn ich mich festbeiße wie ein Dackel in der Wade und mich keifend wehre gegen die erneuten Ablehnungen, die mir widerfahren. Dabei bin ich doch so »gut« – zumindest fühle ich mich so. Statt den Stinkefinger zu zeigen, Forderungen zu stellen, Zähne zu zeigen und den Rasierklingenblues anzustimmen. Ihr Nassauer! Aber ich Arschloch lasse mir lange Zeit alles gefallen und wehre mich nicht. Bis ich plötzlich weg bin. Den Punkt überschritten, komme ich nicht mehr zurück.

Das war auch in der Ehe so. Und tschüss. Umso erstaunlicher ist es, dass wir uns heute gut verstehen. Brüderlich, geschichtlich, freundschaftlich.

Jedenfalls je stärker ich in meiner eigenen Moral versauere, desto mehr will er die Reise machen. Uns herausreißen, beide, neue Eindrücke. Sein Knie sei ihm dabei wurscht. Daheim warte nur eine OP. Und er zahle, alles. Eigentlich ein Träumchen. Ich sollte Luftsprünge machen. Wenn nicht Simone de Beauvoir Hausfrauen mit Prostituierten gleichgesetzt hätte. Obwohl: Die können auf Lohnsteuer arbeiten und sind gesetzlich versichert. Alter Gag, die Hausfrauenrevolution gibts nun auch schon zwanzig Jahre. Nix hat sich verändert.

Nach fünf Tagen hat sich eingeschlichen, dass ich den Abwasch mache. Zwar kommt ab und an ein zartes »lass stehen, ich mach das später«, aber das Später ist dann so viel später, dass ich die Anzucht tanzender Cucarachas scheue. Noch was stößt mir auf: der Klodeckel! Dass ein Mann im Stehen pinkeln muss und dabei rundherum alles vollspritzt, ist zwar gewöhnungsbedürftig, aber okay. Aber warum muss ich, seit ein Mann im Haus ist, mehrfach täglich mit Fingerspitzen die Klobrille wieder runtertun, damit ich mich draufsetzen kann? Das frage ich mich.