29. November Zeitlos. Man wird zeitlos auf dem Schiff. Ich erhole mich. Den halben Tag liege ich faul im Liegestuhl, genieße die Sonne und lese. Franz sitzt daneben und döst. Wenn der Seegang rauer wird, wird mir schlecht. Trotz Reisekaugummi. Mein Hirn kommt mit dem rauf und runter nicht zurecht. Orientierungslos wanke ich zum Buffet in der Hoffnung, der Magen würde sich durch Nahrung beruhigen. Eine undefinierbare Spargelsuppe als Vorspeise gibt mir den Rest. Franz geht es gut, ihm schmeckt es.
Schräg gegenüber sitzt ein Mann mit einem rundlichen Gesicht. Er erinnert mich an das Faultier aus Zoomania. Mit vorgehaltener Hand stochert er genüsslich in seinen Zähnen herum. Mir wird schlecht. Der Reinigungsakt dauert sicher zehn Minuten. Mein Blick wandert immer wieder zu dem Typen, ob ich will oder nicht. Er zieht sein Zahnreinigungsbürstchen raus, schaut es an, schmiert die Reste in die Serviette und verstaut es zufrieden in seinem Täschchen. »Den müsste man malen können«, meint Franz zu mir, »der hat so ein ausdrucksstarkes Gesicht. Wenn man den vorne auf der Bühne hinsetzen würde, während ein Schauspieler einen Monolog spricht, die Blicke der Zuschauer wären nur bei ihm.«
Es läuft Fußball und der Zahnstocher-Mann kommentiert alles mit Gesten im Gesicht. »Jetzt weint er gleich«, flüstere ich, als er die Mundwinkel surrealistisch nach unten parkt. Er ist unser Fernsehprogramm geworden und als er geht, sind Franz und ich uns einig, dass wir ihm eigentlich ein paar Euro auf den Tisch hätten legen sollen für diese Top-Unterhaltung. Der Kellner mit den hektischen Flecken am Hals nimmt endlich das Tablett mit. Er wirkt dürr, redet kein Wort und macht seine Arbeit. »Das Büblein. Ich möchte nicht wissen, wie viele Menschen Mangel an Liebe, Zuneigung und Fürsorge leiden«, meinte Franz, als er den Kellner das erste Mal sah.
Ich wackle den Gang zur Kajüte entlang und bin froh, endlich die Horizontale aufsuchen zu können. Morgens halb acht kommen wir an. Ein neuer Reiseabschnitt beginnt.