8. KAPITEL

Als Blossom in ihre Wohnung zurückkehrte, war sie fest entschlossen, sich zu keinen weiteren Treffen mit Zak zu verabreden, bis er endlich akzeptiert hatte, dass sie meinte, was sie sagte. Doch irgendwie funktionierte es so nicht.

In den folgenden Wochen sah sie ihn immer häufiger, manchmal zu recht formellen Verabredungen wie einem Theaterbesuch, einer Tanzveranstaltung oder einem Dinner, und manchmal trafen sie sich einfach nur bei ihr oder bei ihm, um ein wenig zu entspannen. Sie lernte Geraldine und Will besser kennen, und selbst Thor und Titus akzeptierten sie bald als Teil der Familie und rollten sich in ihrer Nähe sofort auf den Rücken, um sich den Bauch kraulen zu lassen oder sie mit sabbernden Küssen zu überschütten.

Als der Sommer allmählich in einen kühlen, frostigen Herbst überging, konnte sie sich kaum noch vorstellen, wie ihr Leben ausgesehen hatte, bevor sie Zak kennenlernte.

Ständig war sie wütend auf sich selbst, weil sie einfach nicht die Kraft aufbrachte, sich nicht mehr mit Zak zu treffen. Er musste nur auftauchen, dann reichte allein der Anblick seiner verschmitzten blauen Augen, um sie wie Wachs dahinschmelzen zu lassen. Er hatte sich viel zu sehr in ihr Leben gedrängt, das wusste sie. Warum wollte es ihr einfach nicht gelingen, die Bindung wieder zu kappen?

Was für ein Chaos … Abrupt stand sie vom Wohnzimmersofa auf und ging in ihre Küche hinüber, wo sie einen benutzten Kaffeebecher spülte. Sie stellte ihn so fest auf dem Abtropfbrett ab, dass er einen Sprung bekam. Blossom hob ihn hoch und betrachtete die beschädigte Oberfläche – es kam ihr wie ein Sinnbild für ihre Situation vor.

Es gefiel ihr ganz und gar nicht, welche Person sie in den vergangenen Jahren geworden war, aber sie konnte nichts daran ändern. Sie hatte es ja versucht, weiß Gott, den ganzen Sommer über. Doch wenn sie ganz ehrlich war, dann wartete sie immer noch darauf, dass Zak ihrer müde wurde. Deshalb war sie nicht bereit, ihm das zu geben, was er sich wünschte. Tief in ihrem Herzen vertraute sie ihm nicht. So einfach war das.

Keinesfalls konnten sie weitermachen wie bisher. Früher oder später würde er es satt haben, auf etwas zu warten, das niemals eintrat, und dann würde es richtig kompliziert werden. Sie würden anfangen zu streiten, und das konnte sie gar nicht ertragen. Besser, es endete jetzt, kurz, abrupt und unwiderruflich. Aber wie? Und würde sie es nachher ertragen?

Der letzte Gedanke ließ sie innehalten. Schluss, aus, Ende, ermahnte sie sich. Du kamst zurecht, bevor Zak Hamilton auf der Bildfläche erschienen ist, und du wirst es auch wieder tun.

Entschlossen ging sie in ihr kleines Arbeitszimmer hinüber, wo sie alle Rechnungen und Papiere aufbewahrte. Aus der untersten Schublade des Schreibtischs nahm sie den Brief, den sie am vorigen Morgen bekommen hatte. Als sie ihn jetzt noch einmal durchlas, wusste sie, was sie zu tun hatte. Heute Abend war sie mit Zak auf einen Drink verabredet, und wenn er sie abholen kam, würde sie es ihm sagen.

Am Nachmittag rief Melissa zu ihrer üblichen wöchentlichen Plauderei an. Seit Blossom mit Zak ausging, hatten sie Melissa und Greg zweimal getroffen. Einmal hatte Melissa sie zum Sonntagslunch eingeladen, ein anderes Mal hatte Zak sie anlässlich Gregs fünfunddreißigstem Geburtstag ins Restaurant ausgeführt. Bei erster Gelegenheit spielte Zak den ganzen Nachmittag mit den Kindern und nahm Melissa auf diese Weise komplett für sich ein.

Seitdem schwärmte ihre Schwester nur so von Zak. Sie war der Meinung, dass jemand, der es fertig brachte, sofort einen Draht zu Harry zu entwickeln, sodass dieser ihm wie ein junger Hund überallhin folgte, ganz einfach authentisch sein musste.

Als sie jetzt mit ihrer Schwester telefonierte, sagte Blossom nach dem Austausch der Neuigkeiten: „Mir ist ein fantastischer Job in Amerika angeboten worden. Es würde bedeuten, dass ich drei Monate fort bin, aber ich würde für einen der absoluten Topdesigner arbeiten – die Chance meines Lebens.“

„Drei Monate?“ Es war ganz eindeutig, dass Melissa gar nichts anderes wahrgenommen hatte. „Aber du kannst nicht drei Monate weg sein, nicht jetzt, nicht mit Zak.“

„Ich werde nicht mit Zak gehen“, versetzte Blossom trocken.

„Du weißt, was ich meine. Du kannst ihn nicht drei Monate allein lassen, Blossom.“

„Er wird während dieser Zeit nicht einsam sein.“

„Genau.“ Eine bedeutungsschwere Pause. „Es wird Frauen wie Sand am Meer geben, die sich darum reißen, in deine Fußstapfen zu treten.“

„Du willst also damit sagen, dass Zak gleich sein kleines schwarzes Buch herausnehmen wird, sobald ich im Flugzeug sitze, ja? Und das ist also der Mann, von dem du behauptest, er sei bereit, Wurzeln zu schlagen und eine Familie zu gründen?“

Diesmal war die Pause noch länger. „Das meine ich nicht damit“, sagte Melissa schließlich. „Es ist nur so …“

Ganz offensichtlich suchte sie nach den richtigen Worten. „Die Versuchung könnte zu groß für ihn sein“, schloss sie schwach. „Drei Monate sind eine lange Zeit.“

„Und deshalb werde ich die Geschichte mit Zak beenden, bevor ich gehe.“ Sie ließ die Ungeheuerlichkeit ihrer Aussage wirken.

„Ich hoffe, das ist nicht dein Ernst“, entgegnete Melissa nach ein paar Sekunden.

„Doch, das ist es.“ Blossoms Stimme klang fest.

Nach einer Pause von mindestens fünfzehn Sekunden sagte Melissa sachlich: „Dieser Job ist nur eine Ausrede, stimmt’s? Ein Fluchtweg, weil du eine Todesangst davor hast, zuzugeben, dass du dein Leben mit ihm teilen möchtest!“

Schwestern. Mussten sie immer den Finger in die Wunde legen? Blossoms Stimme hörte man die ungeweinten Tränen an. „Ich tue es, Mel. Egal aus welchem Grund. Ich gehe nach Amerika, und ich werde Zak sagen, dass er nicht auf mich warten soll. Er wird frei sein wie ein Vogel.“

„Du bist verrückt, das ist mein voller Ernst. Zak ist ein unglaublich attraktiver, unglaublich reicher Mann, der eine Familie gründen will – und nicht nur das, er ist auch noch verrückt nach dir. Das kann jeder sehen. Warum willst du das alles wegwerfen? Du musst über Dean hinwegkommen, Blossom. Er beherrscht immer noch dein Leben. Siehst du das nicht selbst?“

„Ich würde Dean nicht zurückhaben wollen, selbst wenn man ihn mir mit Gold aufwiegen würde.“

„Ich weiß, dass du in dieser Hinsicht über ihn hinweg bist, das meinte ich nicht. Ich meinte …“ Melissa seufzte lang und laut. „Du weißt es ganz genau, auch ohne dass ich es laut ausspreche.“ Und dann tat sie es doch. „Er hat dich verbittert gemacht. Du betrachtest alle Männer nur noch zynisch.“

Blossom bestritt das nicht. Stattdessen wiederholte sie wie eine Litanei: „Ich beende es heute Abend. Ich werde meine Meinung nicht ändern.“

„Es gibt Momente, da würde ich dich am liebsten schütteln.“

Wunderbar. Hundert Prozent Unterstützung von dieser Seite. „Es tut mir leid, Mel, aber ich muss noch einen Brief aufsetzen und ihn heute per E-Mail versenden, um sie wissen zu lassen, dass ich den Job annehme. Ich rufe dich in ein paar Tagen wieder an.“ Sie musste den Job annehmen, ehe sie mit Zak sprach. Auf diese Weise würde sie wenigstens nicht schwach werden.

„Dann mach’s gut“, sagte Melissa unglücklich. „Und, Blossom?“

„Ja?“

„Ich denke, dass du den größten Fehler deines Lebens begehst, und dabei habe ich die Ehe mit Dean schon mitgerechnet. Aber was auch immer du tust, du weißt, dass ich für dich da bin, nicht wahr?“

Erneut stiegen Tränen in ihr auf, und Blossoms Stimme klang gepresst, als sie murmelte: „Vielen Dank. Ich rufe dich bald an.“

Um sieben Uhr hatte sie die E-Mail verschickt, sie hatte geduscht und ihr Haar gewaschen, und sie saß nun auf dem Sofa und wartete darauf, dass Zak kam.

Ganz bewusst hatte sie sich nicht schick gemacht – es gab keinen Grund, denn nachdem sie mit ihm gesprochen hatte, würden sie sicher nirgendwo mehr hinfahren. Ihr war übel, und sie zitterte am ganzen Körper. Als es klingelte, ging sie zur Gegensprechanlage hinüber. „Hallo?“

„Bist du fertig?“ Zaks Stimme klang tief und rauchig, woraufhin sich ihr Zittern noch verstärkte.

„Nicht wirklich. Ich muss mit dir reden. Komm rein.“ Sie drückte auf den Öffner und ging dann zur Wohnungstür hinüber. Als sie sie öffnete, kam er bereits durch die Eingangshalle auf sie zu. Er lächelte, doch nur mit dem Mund, nicht mit den Augen.

Blossom drehte sich um und ging ins Wohnzimmer zurück, ehe er bei ihr war und Gelegenheit hatte, sie zu küssen. Erst als sie hörte, wie sich die Tür schloss, wandte sie sich zu ihm um. Groß und dunkel stand er im Raum, das Haar feucht von dem Regenguss, der draußen herunterkam. Das Wetter passte zu ihrer Stimmung.

Halb erwartete sie, dass er etwas sagen würde, doch sie täuschte sich und hätte es eigentlich wissen müssen – Zak tat nie das, was man erwartete. Nein, er stand einfach nur da und sah sie an.

„Ich muss mit dir reden.“ Sie hasste es, dass ihre Stimme zitterte. Sie musste stark sein.

„Das hast du bereits erwähnt.“ Er hatte die Hände in die Taschen geschoben, jetzt legte er den Kopf zurück und schaute sie aufmerksam an. „Also, was ist los?“

„Setz dich.“ Sie deutete auf das Sofa. „Möchtest du einen Kaffee?“

Er nickte. „Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich ihn brauchen werde“, versetzte er trocken.

Als sie mit dem Kaffeetablett zurückkehrte, stand er am Fenster und schaute in den kleinen Garten hinaus. Den Mantel hatte er nicht ausgezogen.

Blossom stellte das Tablett auf dem kleinen Tisch ab und deutete noch einmal auf das Sofa. „Bitte setz dich“, wiederholte sie, schenkte Kaffee ein und reichte ihm eine Tasse, nachdem er Platz genommen hatte. Hoffentlich bemerkte er nicht, wie sehr ihre Hände zitterten.

Sie selbst setzte sich in einen der beiden Sessel und reichte ihm den Brief. „Das habe ich gestern bekommen“, erklärte sie ruhig.

Zak stellte die Tasse ab, lehnte sich im Sofa zurück und begann, zu lesen. Warum sie ausgerechnet in diesem Moment erkannte, dass sie ihn liebte, wusste sie nicht. Doch als sie sein ernstes Gesicht anstarrte, die langen Wimpern, die so deutlich zu sehen waren, während er las, da durchzuckte sie die Erkenntnis wie ein Blitz.

Sie liebte ihn, und diese Liebe war in nichts mit dem zu vergleichen, was sie für Dean empfunden hatte. Nein, es reichte nicht mal annähernd an die überwältigenden Gefühle heran, die sie in diesem Augenblick durchströmten.

Rasch stand sie auf und murmelte: „Ich habe die Kekse vergessen“, ehe sie in die Küche flüchtete, wo sie die Hände vors Gesicht schlug. Dumm, dumm, dumm. Wie hatte sie nur diese unsichtbare Grenze überschreiten und sich in ihn verlieben können? Sie schlang die Arme um die Taille, wiegte sich leicht hin und her und versuchte krampfhaft, wieder die Kontrolle zurückzugewinnen.

Ungefähr eine Minute später griff sie blindlings nach der Keksdose und schüttete die Hälfte des Inhalts in eine Schale. Dann ging sie ins Wohnzimmer zurück. Bei ihrem Eintreten blickte Zak auf. „Das klingt nach einem fantastischen Angebot“, sagte er ruhig. „Modenschauen in allen größeren Städten, viel Presse, eine Menge bekannter Namen.“

„Ja, das ist es.“ Ihre Beine fühlten sich wie Wackelpudding an. „Die Chance meines Lebens.“

„Dann solltest du es tun. Keine Frage.“

Während sie sich setzte, starrte sie ihn ungläubig an. Es war nicht die Reaktion, mit der sie gerechnet hatte. „Das werde ich auch“, entgegnete sie vorsichtig.

„Gut.“ Er legte den Brief auf dem Tisch ab, griff nach seiner Tasse, leerte sie in zwei großen Schlucken und bemerkte dann: „Schließlich ist Amerika heutzutage gar nicht mehr so weit weg. Nur ein paar Stunden Flug. Wahrscheinlich werde ich die meisten Wochenenden mit dir verbringen können.“

Nein, nein. Was sie fühlte – die Macht, die ihre Liebe ihm über sie verlieh – war furchterregend. „Das wird nicht möglich sein.“ Blossom holte tief Luft, wobei ihr Herz so laut klopfte, dass es ihr in den Ohren rauschte. „Das will ich nicht. Ich würde nicht … ich will es nicht“, wiederholte sie.

Sein Gesicht war völlig ausdruckslos, als er daraufhin fragte: „Was willst du, Blossom? Was willst du mir eigentlich sagen?“

„Ich finde, wir sollten unsere Beziehung beenden. Auf diese Weise bist du …, du bist völlig frei in dem, was du tust, genau wie ich. Es ist das Vernünftigste unter den gegebenen Umständen. Fernbeziehungen funktionieren nie. Sie gehen immer furchtbar schief.“

„Wirklich? Wie viele Fernbeziehungen hattest du, um das beurteilen zu können?“

Die Ruhe in seiner Stimme täuschte sie nicht eine Sekunde. Sie wusste, dass er wütend war, das konnte sie an seinen Augen ablesen, und es war ihm nicht mal zu verdenken. Vorsichtig zuckte sie die Achseln. „Das ist allgemein bekannt.“

„Mir nicht.“ Er sah sie weiterhin aufmerksam an.

„Zak, wir waren uns zu Beginn einig, dass diese Geschichte zwischen uns eine ganz unverbindliche Angelegenheit sein sollte. Ich … ich habe das Gefühl, dass sie ihre Haltbarkeit überschritten hat.“ Wie du dich anhörst, dachte sie verächtlich, du gibst reine Floskeln von dir. So als hätte sich in den vergangenen Wochen gar nichts zwischen ihnen aufgebaut, dabei hatten sie so viel Inneres preisgegeben. Zumindest Zak hatte das getan. Der Gedanke versetzte ihr einen Stich. Sie hatte immer etwas zurückgehalten.

„Ich glaube dir nicht.“ Nicht für eine Sekunde wandte er den Blick ab.

„Was?“ Sie starrte ihn überrascht an.

„Du sagst das Naheliegende, weil sich die Wahrheit nicht so gut anhören würde.“ Er beugte sich vor, seine Stimme klang eindringlich. „Ich bin dir zu nahe gekommen, stimmt’s? Du läufst Gefahr, die Zugbrücke runterzulassen, und das gefällt dir nicht. Die unberührbare Eisprinzessin steht kurz vor dem Schmelzen, und das bereitet dir eine Höllenangst.“

„Das ist verrückt, ich …“

In einer Sekunde war er bei ihr, zog sie in seine Arme und schaute ihr in die Augen. „Weißt du immer noch nicht, dass ich dich nicht verletzen werde, verdammt noch mal? Haben dir die vergangenen Wochen nichts bewiesen? Wir wissen beide, dass es mindestens ein Dutzend Situationen gab, in denen ich dich hätte nehmen können, und du wärst willig gewesen. Aber ich will nicht nur deinen Körper. Ich will alles von dir, Blossom. Alles.“

Er wartete einen Moment, ehe er fortfuhr: „Und wenn dir das Angst macht, dann ist es Pech. Das bin ich. Wenn es mir um eine kurze Affäre gegangen wäre, dann hätte ich in der ersten Woche mit dir geschlafen, und das wäre möglich gewesen, täusche dich bloß nicht. Aber ich will mehr von dir als das. Das war schon immer so. Vom ersten Augenblick unserer Begegnung an.“

Blossoms Herz zog sich schmerzhaft zusammen. „Ich kann dir nicht geben, was du willst. Das musst du doch mittlerweile wissen? Ich kann nicht, Zak.“

„Falsch. Du willst nicht. Das ist etwas ganz anderes.“

Es gab hunderte Frauen, die besser aussahen als sie, die eine bessere Figur hatten, die intelligenter waren und faszinierendere Persönlichkeiten, in jeder Hinsicht erfahrener, um einen gebildeten, kultivierten, starken Mann wie Zak zu halten. Warum ich?

Offensichtlich hatte sie die letzten beiden Worte laut ausgesprochen, denn er antwortete sanft: „Warum du? Weißt du das immer noch nicht? Ich liebe dich, Blossom. Ich habe dich vom ersten Augenblick an geliebt. Warum sonst sollte ich all das hier auf mich nehmen?“

Vollkommen benommen starrte sie ihn an.

„Schau nicht so ungläubig drein. Meinst du, es hat Spaß gemacht, mich Nacht für Nacht schlaflos im Bett zu wälzen und noch vor der Morgendämmerung kalt zu duschen? Mich immer wieder zurückzuhalten, obwohl meine Sehnsucht und mein Verlangen nach dir so groß waren, dass ich hätte schreien können? Aber wenn wir miteinander ins Bett gegangen wären, dann hätte es dir etwas ganz Wichtiges genommen, das weiß ich.“

Er schaute sie eindringlich an. „Ich kenne dich. Im kalten Licht des nächsten Tages hättest du es bereut, doch da du dich nun schon mal auf eine solche Intimität eingelassen hättest, wärest du vielleicht bei mir geblieben. Aber dir wäre die Wahl genommen worden. Die Leidenschaft hätte dich in eine Situation hineinmanövriert, in der du dir meiner nie sicher gewesen wärest.“

Aufmerksam studierte er ihr Gesicht. „Ich habe recht, nicht wahr?“, fragte er sanft. „Wenn du dich dazu entscheidest, mir ganz zu vertrauen, bei mir zu bleiben, endlich anzuerkennen, dass ich nicht so bin wie er, dann darf deine Entscheidung nicht vom Sex geleitet sein. Wir wissen beide, dass wir gut zusammen wären, aber auch mit ihm war es vielleicht okay. Diesmal muss mehr da sein, und du musst die Entscheidung rational treffen.“

Blossom schluckte. „Ich habe meine Entscheidung gefällt, und sie besteht darin, mich nicht zu binden. Ich will dich nicht mehr sehen.“

„Einfach so?“ Als sie sich zurückzog, ließ er sie los. „Ich habe dir gerade gesagt, dass ich dich liebe. Verdient das nicht eine Reaktion, auch wenn es nur ‚nein, danke‘ ist?“

Innerlich stählte sie sich, um das durchzuziehen, was sie sich vorgenommen hatte. Trotzig hob sie das Kinn und entgegnete: „Das würde auch nichts ändern.“

„Das würde auch nichts ändern?“, wiederholte er mit erstickter Stimme. „Verdammt, Blossom, es würde sehr viel ändern!“

„Für mich nicht. Es ist mir nicht neu. Ich habe es bereits …“ Abrupt verstummte sie.

Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Fassungslos starrte er sie an. „Du wolltest sagen, dass du es bereits zuvor gehörst hast, nicht wahr?“, fragte er nur mühsam beherrscht. „Ist das alles, was es dir bedeutet? Nun, dann will ich dir eins sagen – du hast es noch nicht von mir gehört. Genauso wenig wie irgendeine andere Frau, wenn ich ehrlich sein soll. Und wenn du mich nicht gut genug kennst, um zu wissen, dass es mir unglaublich schwergefallen ist, das zu sagen, dann gibt es wirklich keine Hoffnung für uns.“

Ihr Herz schlug wie wild, ein Kloß steckte in ihrer Kehle. Panik, Verzweiflung und Angst strömten gleichermaßen auf sie ein.

„Dein Ehemann war ein Bastard, Blossom.“ Plötzlich trat sein amerikanischer Akzent viel stärker hervor. „Er hat dich behandelt, als wärest du Dreck, und das hast du nicht verdient. Aber es ist mehr als zwei Jahre her.“

„Du willst damit sagen, dass ich mittlerweile darüber hinweg sein sollte, ja?“, griff sie ihn an. Zum ersten Mal fühlte sie Zorn in sich aufsteigen und begrüßte die Empfindung. „Dass ich es hinter mir lassen sollte? Nicht wahr?“

Im ersten Moment sah er so aus, als wolle er es leugnen, doch dann nickte er langsam. „Ja, genau das denke ich. Du hast dich mit den Konsequenzen auseinandergesetzt, jetzt ist es an der Zeit, nach vorne zu blicken und sich nicht länger wie ein Opfer zu verhalten.“

Sie konnte nicht fassen, was er da gerade gesagt hatte. „Opfer?“ Ihr ganzer Körper versteifte sich. „Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden?“

„Weil es die Wahrheit ist. An irgendeinem Punkt im Leben trifft es uns alle, sei es durch Krankheit oder Betrug oder was auch immer. Es ist keine Schande, am Boden zerstört zu sein – wir sind nur Menschen. Aber irgendwann müssen wir die bittere Pille schlucken und weitermachen, verdammt noch mal.“

Er sah sehr ernst aus. „Ich will damit nicht verharmlosen, was dir passiert ist. Ich will damit nur sagen, das war vor zwei Jahren, und jetzt ist jetzt. Wenn du weiterhin in der Vergangenheit lebst, wirst du nie etwas anderes haben.“

„Ich lebe nicht in der Vergangenheit.“ Blossom starrte ihn an. „Und ich blicke nach vorne.“

„Nein, das tust du nicht“, sagte er ohne Empörung, sondern mit einer merkwürdigen Traurigkeit, die sich auch in seinem Gesichtsausdruck widerspiegelte. „Du bist nicht mal bereit, auch nur in Erwägung zu ziehen, dass ich das, was dir passiert ist, wiedergutmachen könnte. Dass ich mit dem Schmerz und der Verletzung umgehen und sie mit meiner Liebe auslöschen kann. Und ich spreche von Liebe, Blossom. Sie hat fünf Buchstaben – L-i-e-b-e, nicht S-e-x. Verwechsle das bloß nicht miteinander.“

Blossom biss sich auf die Unterlippe. Sie musste sich an das klammern, was sie entschieden hatte. Sie durfte nicht schwach werden. Er verwirrte sie, brachte sie dazu, sich selbst infrage zu stellen. Selbstkontrolle war alles, was ihr geblieben war.

„Ich weiß alles über Zurückweisung und Verlust“, erklärte er ruhig. „Sie haben mich durch meine Kindheit bis ins Erwachsenenalter begleitet. Sie haben meinen Vater zu einer Karikatur eines Mannes verkommen lassen, der zu großer Grausamkeit seinem eigenen Sohn gegenüber fähig war. Eine Weile sah es so aus, als würde mich die Angst vor Zurückweisung und Verlust nie verlassen. Aber ich habe mich dazu entschlossen, ihr die Tür zu weisen, und als ich das tat, wurde ich frei.“

Seine Stimme war sanft und zärtlich – sie erzeugte einen so großen Schmerz in ihrer Brust, dass sie es nicht ertragen konnte. Er wirkte stark und kraftvoll und gleichzeitig sehr verletzlich. Es brach ihr das Herz, doch ihr Bedürfnis nach Selbstschutz war größer.

Er mag in allem recht haben, dachte Blossom. Sie sollte vermutlich tatsächlich aufhören, die Vergangenheit wie eine Fessel am Fuß mit sich herumzuschleppen. Sie sollte die Minderwertigkeitskomplexe und Angstgefühle abschütteln, und auch noch die tausend anderen Emotionen, die sie lähmten und ihre Zukunft ruinierten.

Bis zu einem gewissen Punkt hatte sie das auch getan, dafür hatte die Therapie gesorgt. Aber ich will mich nie wieder so fühlen wie damals, als Dean mich verlassen hat. Das würde sie kein zweites Mal überleben, und sie wusste ohne den Hauch eines Zweifels, dass es noch tausendmal schlimmer sein würde, wenn Zak sie verließ.

„Ich glaube nicht, dass du wie Dean bist“, sagte sie langsam. „Aber du kannst auch nicht sagen, wie du in ein paar Monaten fühlen wirst, in einem Jahr, in zwei. Das kann niemand.“ Ihre Stimme zitterte stark, und sie betete darum, ihre Rede beenden zu können, ehe sie zusammenbrach.

Wenn er sie wieder in seine Arme zog, wenn er sie küsste, dann war sie verloren. „Ich habe mich daran gewöhnt, allein zu sein. Da weiß ich, wo ich stehe. Ich trage meine Kämpfe allein aus und löse meine Probleme selbst. Ich bin niemandem Rechenschaft schuldig und von niemandem abhängig. Ich habe mein Zuhause, meine Karriere, Freunde, Familie. Das ist genug.“

„Nein, das ist es nicht.“ Seine Stimme war flach. „Eines Tages wirst du das erkennen, und dann ist es zu spät.“

„Das wird dann ein anderes Problem sein, das ich überwinden muss.“ Es klang so banal, so abgedroschen. Es war nicht ihre Absicht gewesen, und jetzt musste sie zusehen, wie sich seine Miene verhärtete, weil er glaubte, sie reagiere rein flapsig.

„Und wo bleibe ich dabei?“ Zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, starrte er sie voller Zorn an. „Ich liebe dich, und ich weiß, so sicher ich hier stehe, dass das, was du für mich empfindest, keine lauwarmen Gefühle sind. Wenn du es dir selbst nur erlauben würdest, dann würdest du mich auch lieben. Und ich glaube nicht an diesen Mist, dass es für jeden Menschen mehrere Partner auf der Welt gibt, in die er sich verlieben kann. Ich weiß, was ich fühle. Wenn du jetzt gehst, dann verurteilst du uns beide zu lebenslänglich.“

Er zog sie an sich und küsste sie mit all der Verzweiflung, die von seiner Frustration und seiner hilflosen Wut sprachen. Im ersten Moment wäre sie beinahe schwach geworden. So sehr sehnte sie sich nach ihm, dass es unmöglich schien, ihn aus ihrem Leben zu verbannen.

Doch dann riss sie sich von seinem Mund los und stieß mit aller Kraft gegen seine Brust, während sie rief: „Lass mich los, hörst du? Ich will das nicht, ich will dich nicht!“ Hysterie lag in ihrer Stimme.

Zak ließ sie sofort los und schüttelte benommen den Kopf, ganz so wie ein Boxer, der nach einem Knock-out nur langsam wieder zu sich kam.

„Bitte geh.“ Sie hatte sich in eine Ecke verkrochen, um etwas Abstand von ihm zu haben – völlig panisch, dass sie ihm doch noch in die Arme stürzen würde, um ihm zu sagen, dass sie es sich anders überlegt hatte, dass sie ihn liebte, dass sie alles nehmen würde, was er ihr anbot, für so lange, wie es eben halten würde.

„Meine Güte, Blossom, schau mich nicht so an.“ Seine Stimme war ein einziges Knurren. „Für wen hältst du mich? Ich hätte dir nicht wehgetan!“

Doch das hatte er bereits. Sie blieb, wo sie war, atmete ganz flach, das Gesicht kalkweiß, die Augen weit aufgerissen.

Zak holte mehrmals tief Luft. Sie sah, wie er sich mit der Hand durchs Haar fuhr und seinen Mantel richtete. Dann durchquerte er ohne ein Wort den Raum, öffnete die Tür und ging, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Er war fort. Blossoms Beine gaben nach, und sie sank hinunter auf den Teppich, unkontrolliert zitternd. Er konnte nicht gegangen sein, nicht einfach so.

Doch genau das hatte er getan. Sie war allein, so wie sie es sich angeblich gewünscht hatte. Es war das furchtbarste Ende, das man sich vorstellen konnte, und es war allein ihre Schuld.