Er holte sich einen Plastikeimer und einen Stapel Lappen aus Genevas Küche, füllte den Eimer mit Wasser, tat ein paar Spritzer Bleichmittel hinein und klemmte sich die Lappen unter den Arm. Dann ging er hinaus.
Im Licht seiner Scheinwerfer, die sich in der Frontscheibe des Cafés spiegelten, schrubbte er den Fahrersitz des Trucks mit dem Putzwasser ab, saugte mit den Lappen das Blut auf und warf sie auf den Asphalt, wenn sie vollgesogen waren. Er arbeitete schweigend vor sich hin, ein Ohr auf den Highway gerichtet und den 45er Colt an der Hüfte. Er hatte die kaputte Eingangstür arretiert weshalb er Faith nicht herauskommen hörte. Aus dem Augenwinkel sah er eine Bewegung und hatte die Hand an der 45er, bevor er ihre Stimme hörte. »Sie sollten für die Teppiche Ammonium nehmen«, sagte sie. »Aber Sie dürfen es nicht mit Bleiche mischen, weil das Löcher macht. Doch bei Blutflecken auf dem Teppich ist Ammonium besser.«
»Sie sollten nicht hier draußen sein«, sagte er. »Geht es Randie gut?«
»Sie und Großmutter schlafen«, sagte sie, bevor sie sich hinunterbeugte und die Lappen aufhob. Überhaupt nicht zimperlich ging sie an den Rand des Parkplatzes und wrang das übel riechende, rötlich gefärbte Wasser aus. Als sie mit den Lappen wieder zurückkam, blickte sie ihn an und fragte: »Mögen Sie sie?«
»Randie?«, fragte er, obwohl er wusste, wen sie meinte.
»Ich habe noch nie eine so junge Witwe getroffen.«
»Eine schlimme Sache, die da passiert ist«, sagte er und beließ es dabei. Er war sich nicht ganz sicher, wie sie die Frage gemeint hatte, oder was er darauf antworten sollte.
»Ich habe auch noch nie einen Texas Ranger getroffen.«
Darren drehte sich zu Faith um. Sie war ein kleines, zierliches Mädchen mit zarten Gesichtszügen. Der einzige Kontrast waren ihr üppiges Haar und ihre vollen Lippen, was ihr ein puppenhaftes Aussehen verlieh, obwohl sie mindestens achtzehn sein musste, um zu heiraten. Sie kaute auf der Unterlippe, weil sie noch etwas sagen wollte. Er dankte ihr für die Lappen und sie sagte: »Man nimmt Salz und Backpulver, um das Blut aus Kleidungsstücken rauszukriegen. Ich kann Ihre Sachen waschen, wenn Sie wollen.«
»Sie wissen eine Menge darüber, wie man Blutspuren beseitigt, junge Dame«, sagte er.
Er hatte versucht, einen Scherz zu machen, um der Situation die Schwere zu nehmen, doch Faiths Gesichtsausdruck ließ ihn sogleich bereuen, überhaupt etwas gesagt zu haben.
»Wohl wahr.«
Er war sich nicht sicher, ob sie noch etwas hinzufügen wollte und ob er es überhaupt hören wollte.
Stattdessen stellte er ihr eine allgemeine Frage.
»Wohnen Sie bei Ihrer Großmutter?«
»Im Moment, ja. Davor war ich auf dem Wiley College. Das ist in Marshall.«
Er kannte das Wiley. Die meisten Schwarzen in Osttexas gingen auf dieses College. Wiley, Texas A&M sowie die Texas Southern University standen seit Generationen für schwarze akademische Bildung. Seine Onkel hatten die gleichen Bachelorabschlüsse von der Texas A&M; Duke, Darrens Vater, war an der TSU in Houston angenommen worden, hatte das Studium aber aufgeschoben, um in die Fußstapfen seines großen Bruders William zu treten und sich für Vietnam verpflichtet.
»Was haben Sie studiert?«
»Public Relations im Hauptfach«, sagte sie. »Ich wollte nicht für immer hierbleiben. Ich dachte, ich würde irgendwann in Dallas oder Houston landen.«
»Das können Sie noch immer, oder nicht?«, sagte er. Er hatte das meiste von dem getrockneten Blut entfernt, auch wenn es viel Schweiß und Mühe gekostet hatte. Blieben noch die Teppiche, aber er hatte vor, sie erst einmal auf die Ladefläche zu werfen, bis er den Chevy nach Fingerabdrücken untersucht hätte. »Ein Abschluss in PR – damit können Sie überall hingehen.«
»Ich habe keinen Abschluss.«
Er ließ es auf sich beruhen.
Sie war ein nettes Mädchen, doch sie hatte Kleinstadtprobleme, die ihn nicht interessierten, während er mitten in der Nacht Blutflecken aus seinem Truck entfernte. Er wollte keine Geschichten hören. Er bat um etwas zu essen. Es war bald acht Stunden her, dass er außer Bourbon etwas in den Magen bekommen hatte. Faith ging in Richtung Küche und Darren folgte ihr mit Eimer und Lappen und fragte, ob es irgendwo Sperrholz gab, um die Eingangstür zu reparieren. Faith sagte ihm, er solle sich hinter dem Haus umsehen, was er tat, indem er sich durch Gemüsekisten, alte Sodaflaschen und Zeitungsstapel in einem feuchten Pappkarton wühlte. Noch mehr Pappkartons lehnten auseinandergefaltet neben dem Müllcontainer.
Darren nahm einen und eine Rolle Klebeband von dem hohen Regal über der Küchenspüle. Während Faith ein paar Koteletts briet, deckte Darren notdürftig das Loch in der Eingangstür ab, wobei er die Glocke an ihrem Platz ließ, damit sie weiterhin für Genevas Gäste bimmeln konnte. Er roch das Schweineschmalz, das in der Pfanne brutzelte, und als Faith den Teller vor ihm auf den Tresen stellte, machte er sich darüber her. Sie schenkte ihm ein Dr Pepper ein. Er hätte wenigstens gern ein Bier gehabt, betrachtete sich aber als im Dienst und wollte hellwach sein. Faith lehnte sich neben der Kasse an den Tresen und sah ihm beim Essen zu. Als er fertig war, hätte er gern noch einen Nachschlag gehabt, wollte aber dem Mädchen weitere Umstände ersparen. »Diese Frau hat mein Leben zerstört … und das meiner Mama«, sagte sie auf einmal mit einer ordentlichen Portion Drama und Verbitterung. Es schien ihr zu gefallen, Darren als unfreiwilliges Publikum zu haben. »Deswegen will ich mit meiner Großmutter nicht nach Gatesville fahren, falls Sie sich das gefragt haben.«
Hatte er nicht.
Er nahm einen Schluck von der Limonade und stieß auf.
»Als sich in Wiley herumsprach, dass meine Mama meinen Daddy erschossen hat, haben mich die Mädchen von der Uni von der AKA-Warteliste gestrichen, ohne mir eine Chance zu geben, es zu erklären. Das hat mich völlig fertiggemacht, meine Noten haben sich verschlechtert, alles ging den Bach runter. Deshalb habe ich keinen Abschluss gemacht. Ich bin nicht vom College geflogen oder so. Ich hab mich einfach furchtbar geschämt. Es ist schon schlimm genug, Rodney sagen zu müssen, dass nur Großmutter zur Hochzeit kommen wird. Sein Daddy hat angeboten, mich zum Altar zu führen, aber das ist eigentlich nicht richtig.«
Darren legte seine Serviette neben die Knochen auf seinem Teller, sah zu, wie sie sich mit dem Fett vollsaugte und meinte: »Entschuldigen Sie, was haben Sie gesagt?«
»Es stand ein Artikel darüber in der Zeitung in Houston«, sagte Faith und fügte irritiert hinzu, »ich dachte, Sie wüssten es«, als würde ein Einspalter auf der letzten Seite einer Zeitung aus Houston Darrens Aufmerksamkeit erregen.
Vor zwei Jahren, erzählte Faith, hatte sich ihre Mutter, Mary Sweet, an ihren Mann Joe angeschlichen, als der in der Badewanne lag. Es gab nur ein Badezimmer in dem Haus mit den zwei Schlafzimmern, in dem Faith groß geworden war, einem kleinen Holzbungalow, ein paar Minuten Fußweg von Genevas Café entfernt. Lil’ Joe hörte Musik aus dem Kofferradio, das auf dem Stuhl neben der Wanne stand. Mary hatte eine Pistole, einen mächtigen Groll und sie war bereit, eine Rechnung zu begleichen. Was folgte, konnte man nur soweit glauben, wie man einer verurteilten Verbrecherin zu glauben bereit war.
Mary hielt ihrem Mann die Pistole an die Stirn, während sie das Radio an seinem Griff packte. Sie hielt es über die Wanne und vergewisserte sich, dass das Kabel noch immer in der Steckdose steckte. Mit der Waffe in der einen und dem Radio in der anderen Hand sagte sie: »Wie hättest du’s denn gern? Denn ich bin so oder so fertig mit dir.«
Lil’ Joe lächelte seine Frau, mit der er seit zwanzig Jahren verheiratet war, an und missverstand die Situation als Gefühlstheater. Er schlief mit der anderen schon über ein Jahr, und Mary hatte deswegen nichts unternommen, außer hinter seinem Rücken die Fäuste zu ballen. Er hatte ein Zigarillo zwischen die Zähne geklemmt und machte sich nicht die Mühe, es herauszunehmen, als er zu Mary sagte: »Nun, dann erschießt du mich wohl besser.« Er wirkte völlig unbeeindruckt, doch in dem Moment, als Mary das Radio auf den rosafarbenen Badezimmerteppich fallen ließ und die 22er entsicherte, sprang Lil’ Joe aus dem Wasser und stieß Mary um, als er zur Vorderseite des Hauses floh. Er hatte die Haustür fast erreicht, als sie ihm dreimal in den Rücken schoss.
Nachdem man ihre Mutter verhaftet hatte, säuberte Faith weinend auf Händen und Knien den Tatort höchstpersönlich, weil es niemanden gab, der es für sie getan hätte. Geneva war vom Verlust ihres Sohnes so kurz nach dem Tod ihres Mannes so am Boden zerstört, dass sie das Restaurant für eine Woche schloss, etwas, das sie nicht einmal nach Joes Ermordung getan hatte. Nachdem Lil’ Joe und Mary nicht mehr da waren, mussten sie das Haus verkaufen. Und seit sie das College verlassen hatte, wohnte sie im Trailer ihrer Großmutter. »Rodney sagt, dass wir nach der Hochzeit was Eigenes für uns suchen.«
»Warum hat sie das getan?«
»Daddy hatte sich mit einem weißen Mädchen eingelassen«, sagte Faith. »Sie war oft in Wallys Laden, dem Eishaus, bevor die dort einen solchen Hass schoben, dass die beiden rumgefahren sind und sich auf die FM 19 gestellt haben.«
Darren dachte an Huxleys Worte. Aber Lil’ Joe war regelmäßig dort und sehen Sie nur, was mit ihm passiert ist , hatte er gesagt. Dann an Lynns abfällige Bemerkung über Missy, weil sie mit Michael geredet hatte. Manche Leute lernen’s nie .
Das passte zusammen.
»Und das weiße Mädchen?«, fragte er, obwohl er bereits einen Verdacht hatte.
»Missy Dale.«
Faith nahm Darrens Teller und brachte ihn in die Küche. Darren stand auf, ging um den Tresen herum und folgte ihr. Das Wasser im Spülbecken lief und Faith spülte Darrens Teller mit einem alten Schwamm. Ihm fehlten gerade die Worte. »Er hielt sich für schlau, mein Daddy«, sagte Faith. »Manchmal benehmen sich die Männer, als wüssten sie nicht, wer ihre Sachen wäscht.« Sie deponierte Teller und Besteck auf einem Trockengestell und sagte: »Apropos, wenn Sie Hose und Hemd ausziehen, kann ich sie waschen.«
»Kannten Sie sie?«, fragte er. »Missy?«
»Nein. Wir waren ungefähr im selben Alter, sind auf dieselbe Highschool in Timpson gegangen, aber ich habe nie mit ihr geredet. Sie hat mich auch nie angesprochen; unsere Wege haben sich nicht gekreuzt«, fügte sie hinzu, wobei sie die Ironie ihrer Worte entweder nicht bemerkte oder ignorierte. Sie wischte sich die Hände an einem Geschirrtuch ab und dankte ihm dafür, dass er die Tür ihrer Großmutter repariert hatte.
Darren wurde bewusst, dass er noch nie ein Foto von Missy Dale gesehen hatte, nur die blonden Haarsträhnen, die unter der weißen Abdeckung hervorgeschaut hatten, an dem Morgen, als er nach Lark gekommen war. »War sie ein hübsches Mädchen?«, fragte er.
Faith zuckte mit den Schultern und sagte: »Das müssen sie gar nicht immer sein.«
Darren bekam nicht mehr als zwei Stunden Schlaf, weil er und Dennis bis Sonnenaufgang abwechselnd Wache hielten. Als er aufwachte, fand er seine Sachen noch immer warm vom Bügeln über der Armlehne des kleinen Cordsamtsofas. Im Trailer war es völlig still, kein Lebenszeichen von Geneva oder Randie, und der geflochtene Plastikstuhl draußen war leer. Er musste an den kleinen Jungen, Keith Jr., denken, der anscheinend bei Wallace Jefferson wohnte. Jetzt, wo er von der Beziehung zwischen ihrem Sohn und Missy Dale wusste, hatte er ein paar Fragen an Geneva. Dicke dunkelgraue Wolken zogen aus westlicher Richtung auf und kündigten Regen an. Wenn er den Chevy nach Fingerabdrücken untersuchen wollte, dann jetzt. Er hätte es gestern Abend tun sollen; es gab eine Menge Dinge, die er gestern Abend hätte anders machen sollen. Dank der fetten Schweinekoteletts, die er nach Mitternacht gegessen hatte, war er nicht verkatert.
Er benutzte die Ausrüstung, die er im Truck aufbewahrte, ging schweigend um den Chevy herum und bestäubte ihn, wobei er sich auf den Türgriff an der Fahrerseite konzentrierte, vor allem den Bereich um das Schloss herum, das geschickt geknackt worden war. Als er auf die Beifahrerseite ging, fielen die ersten Tropfen. Er verstaute die Ausrüstung und die Kärtchen mit den Fingerabdrücken, die er angefertigt hatte, im Truck und rannte über den Parkplatz zum Eingang. Das Stück Pappe war feucht, hielt jedoch unter dem schmalen Vordach. Drinnen war es voll – es waren mehr Gäste da, als Darren je im Geneva’s gesehen hatte, einschließlich Huxley und Tim, der auf dem Rückweg von Chicago war. Die meisten Gesichter kannte er jedoch nicht. Die Nischen waren alle besetzt, weshalb der einzige freie Platz, den Randie hatte finden können, der Friseurstuhl am anderen Ende des Cafés war. Isaac war nicht auf seinem gewohnten Platz, und auch von Faith war nichts zu sehen. Er fragte Geneva über den Tresen hinweg nach ihr in der Hoffnung, an ihre Unterhaltung vom Vorabend über ihren verstorbenen Sohn und seine Affäre mit Missy anknüpfen zu können.
»Sie schläft«, war Genevas Antwort. Sie hatte alle Hände voll zu tun, brachte eine Bestellung nach der anderen aus der Küche herein, und bis auf ein Nicken in Richtung Eingangstür und ein »Nett von Ihnen, mein Sohn«, ignorierte sie ihn. Es war unmöglich, sie allein zu erwischen, um über etwas so Heikles zu sprechen – außer Darren benutzte seine Marke, um sie dazu zu zwingen. Doch er wollte sich ihr gerne als Freund nähern, dem sie freiwillig von den Affären ihres Sohnes erzählte. Als Randie ihn hereinkommen sah, sprang sie aus dem Friseurstuhl und eilte zu ihm, um ihn zu bitten, sie zum Motel zu fahren, wo sie sich duschen und umziehen wollte. Das Gespräch mit Geneva über Lil’ Joe und Missy würde also warten müssen.
Sobald sie im Truck saßen, dessen Fahrerkabine noch immer nach Bleiche roch, schnallte sich Randie an und fragte: »War das real?« Sie hatte Ringe unter den Augen. »Hat dieser gestrige Abend wirklich stattgefunden?«
»Ganz und gar«, sagte er.
Er ließ sie als Erste duschen. Wenn es sein musste, würden ihm auch ein paar Spritzer kaltes Wasser ins Gesicht und Zahnpasta auf dem Finger genügen. Es gab eine in Plastik eingeschweißte Zahnbürste auf dem Waschbecken, doch Darren wollte sie Randie überlassen. Stattdessen wusch er sich die Hände und rieb sich das Gesicht mit einem kleinen Stück rosa Seife ein, während er sich der Tür zwischen Waschbecken und Bad bewusst war, die sie nicht geschlossen hatte. Er hörte das Wasser hinter dem Duschvorhang und spürte den heißen Dampf, der zu ihm herüberwaberte. Er empfand Dinge, auf die er nicht stolz war, eine Regung, die eher zärtlich als sexuell war und ein Gefühl der Wärme in seiner Brust. Egal ob richtig oder falsch, er schämte sich für seine Zuneigung zu ihr. Er spürte eine genauso große Verpflichtung, sie vor Schaden zu bewahren, wie er den Tod ihres Mannes sühnen wollte. Er wollte, dass sie sich in Texas täuschte, wollte ihr zeigen, dass es kein Ort war, an dem man einen Schwarzen einfach umbringen und damit ungestraft davonkommen konnte. Er trocknete sich das Gesicht mit einem rauen Handtuch ab und legte es wieder ordentlich zusammen, damit Randie es ebenfalls benutzen konnte.
Sein Handy am Rand des Doppelbetts klingelte.
Es war Wilson.
Er hatte Uhrzeit und Treffpunkt für die Befragung von Dale – zwei Uhr im Polizeirevier in Center, wie von Darren gewünscht –, zusammen mit klaren Anweisungen. Darren sollte in der Sache gründlich sein, aber den lokalen Ordnungskräften den gebührenden Respekt erweisen, was bedeutete, Fragen zurückzuziehen, die Sheriff van Horn nicht billigte. Der Mord an Melissa Dale fiel allein in die Zuständigkeit des Sheriffs, bis genügend Beweise vorlagen, die ihn mit dem Tod von Michael Wright in Verbindung brachten. »Wie soll ich die bekommen, wenn ich mit dem Mann nicht reden darf?«, fragte Darren.
»Niemand sagt, dass Sie mit dem Mann nicht reden dürfen. Ich rechne es van Horn hoch an, dass er Ihnen keine Steine in den Weg legt, und Sie schulden ihm was dafür. Denken Sie daran, dass wir mit diesen lokalen Departments auch noch kooperieren müssen, wenn das hier längst vorbei ist. Ranger können es sich nicht leisten, im Ruf zu stehen, eine Behörde nicht zu respektieren. Und wenn ich mich für Sie bei den Vorgesetzten im Hauptquartier in Austin einsetzen soll, dann muss ich denen sagen können, dass Sie nicht aus der Reihe tanzen.«
»Sie sollten mich besser kennen.«
»Ich kenne Sie, das stimmt. Und ich bitte Sie, dort draußen keine Grenzen zu überschreiten. Die Sache mit dem Mädchen ist heikel. Erste Ergebnisse aus dem Büro des Gerichtsmediziners heute Morgen werfen ein etwas anderes Licht auf die Sache.«
»Inwiefern?«
»Es ist mir nicht gestattet, darüber zu reden.«
»Aber Sie wissen was?«
»Wenn der richtige Moment gekommen ist, will van Horn seine Erkenntnisse weitergeben.«
»Haben Sie ihn gelesen?«, fragte Darren. »Den Obduktionsbericht?«
Wilson am anderen Ende verstummte. Darren hörte eine Armatur quietschen, als Randie die Dusche abstellte.
»Es besteht Interesse an Ihrer Verbindung zu der Frau, die das Café für Schwarze dort draußen betreibt. Ginny’s oder Genevieve’s, stimmt’s? Eine ältere schwarze Frau?«
»Geneva. Was hat Missys Obduktion mit ihr zu tun?«
»Wenn der richtige Moment gekommen ist«, erwiderte Wilson. »Van Horn hat’s versprochen.«
Darren beendete das Gespräch in dem Moment, als Randie aus der Dusche kam und so rasch wie möglich nach dem Handtuch griff, das auf dem Waschbeckenrand lag, und sich darin einwickelte, bevor sie aus dem Badezimmer trat. Darren drehte den Kopf weg und murmelte: »Verzeihung.« Randie sagte, sie könne sich im Badezimmer anziehen, doch Darren erwiderte, dass das nicht nötig sei. Er ging hinaus und beobachtete den Regen, der jetzt in dicken grauen Tropfen fiel und in Schnüren vom Dachvorsprung strömte, vor seinem Truck auf den Asphalt platschte und seine Stiefelspitzen vollspritzte. Er wählte Gregs Büronummer beim FBI und lauschte dem Klingeln.
In dem Moment bemerkte er den anderen Wagen auf dem Parkplatz. Es war ein grauer Buick, ein Weißer um die dreißig mit kurz geschorenen braunen Haaren saß am Steuer. Er stand in der Nähe der Lobby, doch die Front des Fahrzeugs zeigte in Richtung der Tür, vor der Darren stand. Er hatte beobachtet, wie Darren aus Randies Zimmer gekommen war, und jetzt wurde die Fahrertür geöffnet. Darren legte die Hand auf den Griff seines Colts und forderte ihn auf, sich nicht weiter zu nähern. Entweder hatte ihn der junge Typ nicht gehört oder es kümmerte ihn nicht, denn er ging einfach weiter. Der Mann trug ein kariertes Button-down-Hemd unter einem braunen Sakko und Rockport-Schuhe. Er hatte eine Brille auf, aber vielleicht war eine Kontrolle beim Optiker überfällig, denn er schien erst ein paar Schritte von Darren entfernt die Waffe und die Marke an Darrens Brust zu bemerken. Der Mann blieb wie angewurzelt stehen und ließ eine abgewetzte, lederne Messengertasche auf den nassen Asphalt plumpsen. Er war jünger, als Darren ursprünglich gedacht hatte, auf keinen Fall über dreißig.
Er griff hinter sich und Darren spürte, wie sein gesamtes Blut in den Finger am Abzug floss. Er spürte das Hochgefühl des Schützen, eine Macht, die sich wie ein Trip anfühlte, die sein Seh- und Hörvermögen schärfte und den Verstand in grauen Dunst hüllte. Er checkte ihn kurz ab: die Messengertasche und die schlecht sitzende Khakihose. Darren ließ die Waffe genau in dem Moment sinken, als der Mann eine lederne Brieftasche aus seiner Gesäßtasche zog. Darren stieß die Luft aus, die er unbewusst angehalten hatte, und spürte, wie sein Herz vor Erleichterung implodierte. Der Mann zeigte seinen Ausweis, bevor Darren danach fragen konnte. Als Randie ein paar Minuten später aus dem Zimmer trat, stellte er ihr Chris Wozniak von der Chicago Tribune vor. Die Welt war in Lark angekommen und sie hatte ein paar Fragen.