Er hatte die ganze Sache mit angesehen. Wie Keith Dale Michael aus dem Wagen zerrte und ihm die ersten Schläge verpasste, und wie Missy zu kreischen anfing, als wäre der Teufel hinter ihr her, und Keith ihr befahl, sofort damit aufzuhören. Er hatte das Blut gesehen, wie Michael ins Taumeln geraten war, hatte gesehen, wie Keith zu seinem Truck gegangen und das Kantholz herausgenommen hatte, was schlagartig alles änderte. Isaac hatte alles durch die Bäume zwischen Landstraße und Rückseite des Eishauses hindurch beobachtet, im Schutz der Dunkelheit und ebenfalls geschützt von dem Umstand, dass niemand aus Lark, der aussah wie er, sich in der Nähe einer Spelunke für weiße Arschlöcher wie dem Jeff’s Juice House herumtrieb. Es war nicht immer so gewesen. Als er noch ein junger Kerl gewesen war, konnte man da reingehen und sich eine Cola kaufen, wenn man Lust darauf hatte. Sie hatten Nehi Grape sogar dann noch, wenn das Geneva’s keins mehr hatte. Es war nicht wirklich einladend oder so, aber man hatte auch nicht das Gefühl, gehäutet zu werden, nur weil man da war. Es waren die Weißen mit den Tattoos und rasierten Schädeln, die Isaac eine Heidenangst einjagten. Doch er wusste, dass Wally über den Mann, der im Geneva’s gewesen war und Fragen über Joe Sweet gestellt hatte, Bescheid wissen wollte. Deshalb war er zum Hintereingang des Eishauses gegangen: Um Wally zu sagen, dass die Probleme aus der Welt geschafft werden könnten, wenn sie sich beeilten.
Dass er selbst über das personifizierte Problem gestolpert war, das bereits halb tot am Boden lag, war ein Zufall, eine Gelegenheit, die beim Schopf zu packen war. Er sah vom Straßenrand aus zu, verborgen im Unterholz, als Keith Dale das Kantholz über Michaels Kopf hob, und er hörte Michael keuchen: »Ich wollte sie nur nach Hause fahren, Mann.« Und als Keith das Holz noch immer nicht sinken ließ, schrie Missy: »Wenn du das tust, musst du mich ebenfalls umbringen. Du kannst vielleicht einen Toten erklären, aber ich weiß, dass du nicht schlau genug bist, um mit zweien davonzukommen. Denn ich werd’s melden – bild dir bloß nicht ein, dass ich das nicht tue.« Keith ließ das Kantholz fallen und stürmte, mit Missy im Schlepptau, zu seinem Truck. Er schleuderte sie beinahe auf den Vordersitz, bevor er zur Fahrerseite ging, während er die ganze Zeit vor sich hin fluchte. In Sekundenschnelle waren sie verschwunden.
»Was haben Sie gemacht?«, fragte Darren.
Er war wieder in dem winzigen Befragungsraum im Sheriffbüro von Center. Isaac hatte sich zuerst nicht setzen wollen, so als verdiente er es nicht, als könnte er sich selbst bestrafen. Doch die Befragung sowie die Schwere dessen, was er zu gestehen hatte, hatten ihn ausgelaugt, und er war in einer Ecke des Raums zu Boden gesunken, den Rücken an zwei schmutzige Wände gepresst. Darren war vor ihm in die Hocke gegangen, um ihm in die Augen schauen zu können.
»Er lag schon am Boden, als ich ihn gefunden habe«, sagte Isaac und legte Darren langsam seine krausen Gedanken von dem Abend dar. Er war sich nicht sicher, ob er Zeit hätte, sagte er, zu Fuß zu Wally zu gehen, um ihn über Michaels Fragen zu unterrichten. Er schien zu wissen, was sie getan hatten, das Geheimnis zu kennen, das Wally und er jahrelang gewahrt hatten. Was, wenn Michael in der Zeit, die er, Isaac, bräuchte, um Wally zu holen, zu sich kam und direkt zum Sheriff in Center fuhr? Wally würde bestimmt Isaac die Schuld geben, dass er es vermasselt hätte, und wer wusste, was dann passieren würde? Er war genauso besorgt darüber, dass Geneva es herausfinden könnte, wie darüber, ins Gefängnis zu müssen. Geneva war für ihn wie Familie; der Job in ihrem Laden war alles, was er hatte.
Also beschloss er, rasch zu handeln.
Er nahm das Kantholz, das Keith im Gras zurückgelassen hatte. Michael war noch bei Bewusstsein. Er hatte anscheinend Isaacs Schritte gehört und versuchte gerade aufzustehen, als Isaac die Holzstange mit aller Kraft auf seinen Kopf heruntersausen ließ. Michael erschlaffte wie eine Stoffpuppe. Isaac schlug noch einmal zu. In Panik wegen dem, was er getan hatte, schleifte er ihn von der Landstraße den ganzen Weg bis zum Attoyac Bayou und stieß ihn mit den Füßen ins flache Wasser. Irgendjemand würde bestimmt glauben, Keith hätte es getan. Doch als er zur Landstraße zurückkam, wurde ihm klar, welchen Fehler er begangen hatte, dass er, wie schon so oft, nicht bei klarem Verstand gewesen war. Er wusste, dass ihn die Leute für schwer von Begriff hielten und hinter seinem Rücken die Augen verdrehten. Und er bekam eine riesige Wut auf sich selbst. Er hatte den Wagen vergessen. Er stand noch immer auf der Landstraße, mit im Leerlauf tuckerndem Motor und eingeschalteten Scheinwerfern, die Nachtfalter anzogen. Isaac blieb nichts anderes übrig, als ihn verschwinden zu lassen. Er fuhr direkt zu Wally, der, sobald er begriffen hatte, was geschehen war, zu Isaac sagte: »Ich übernehme das jetzt.«
Sie waren schon einmal an dem Punkt gewesen, sie beide, die seit langer Zeit eine Lüge verband.
Isaac hatte Todesangst vor Wally, beschämt wegen dem, was er vor vielen Jahren getan hatte, wegen seiner schrecklichen Schwäche. Doch er brauchte ihn auch. Nur gemeinsam konnten er und Wally dafür sorgen, dass Geneva nie die Wahrheit erfuhr.