Alba 42

Alba hatte nicht damit gerechnet, dass die DSC so kurz sein würde. Als Sevens Augenlider zu flattern begannen, ließ sie rasch seine Hand los. Sie spielte mit den Fingern in ihren Haaren herum und lächelte unsicher.

»Willkommen zu Hause.«

Er schaute sie an, sagte aber kein Wort. Seine Augen hatten einen irgendwie harten und gleichzeitig verstörten Ausdruck. Keuchend schnallte er sich von seiner Erinnerungsmaschine los. Dann erhob er sich schwankend und presste den Kopf zwischen die Hände.

Alba runzelte die Stirn. »Seven? Was ist denn passiert? Was hast du gesehen?«

»Mich«, krächzte er.

Sie biss sich auf die Lippe und beobachtete beunruhigt, wie er im Zimmer auf und ab ging.

»Das Ganze fand wieder in diesem Labor oder an einem ähnlichen Ort statt«, stieß er atemlos hervor. Das Geräusch seiner Schritte mischte sich mit dem Klang des Regens, der draußen immer noch niederprasselte. »Ich bin gerannt, mit einem Baby in den Armen, und hab versucht zu entkommen. Polizisten haben mich verfolgt und auf mich geschossen, aber ich konnte trotzdem fliehen. Draußen hat ein Auto auf mich gewartet, in das ich eingestiegen bin. Jemand hat mir das Baby abgenommen und gesagt … und gesagt, das sei Kandidat sieben.«

»Das Baby warst du?«, flüsterte Alba.

»Es war wichtig, das Baby wegzubringen«, fuhr Seven fort. »Das wusste ich. Das war der Zweck dieser Aktion. Da ich eine Karte hatte, mit der ich die Tür öffnen konnte, muss ich in dem Labor gearbeitet haben. Die ganze Sache war geplant, Alba.«

Sie schüttelte verwirrt den Kopf. »Von wem?«

»Keine Ahnung. Ich hatte ja keine Zeit, jemanden um seine Visitenkarte zu bitten.«

»Aber hat denn niemand gesagt, was das alles sollte?«

»Nein, verdammt noch mal!«, schrie Seven und stürzte so plötzlich zu seiner Erinnerungsmaschine, dass Alba zusammenzuckte. Er riss die DSC vom Kabel ab, warf sie auf den Boden und zertrat sie.

»Seven!«, rief sie und rannte zu ihm, doch er streckte abwehrend die Arme aus und sah sie zornig an.

»Verstehst du denn nicht, Alba? Ich will es nicht wissen. Das war eine absolut blöde Idee. Wen interessiert’s denn, was in der Vergangenheit mit mir passiert ist? Offenbar war ich diesen Leuten nicht wichtig genug, sonst wären sie doch noch hier!« Er stieß ein bitteres Lachen aus. »Wo sind sie denn jetzt, hm? Wo sind all diese Leute, die so hart gekämpft haben, um mich aus dem Labor zu befreien? Am Ende haben sie mich auch nur wie ein Stück Dreck behandelt. Und vielleicht bin ich das auch.«

Seven verstummte schwer atmend. Schockiert stellte Alba fest, dass seine Augen feucht waren.

Auch sie war den Tränen nahe. Als er den Kopf senkte und die Arme schlaff herabhängen ließ, ging sie zögernd auf ihn zu. Sobald sie sicher war, dass er sie nicht wieder zurückweisen würde, streckte sie die Hand aus und fasste ihn am Arm.

Er zuckte zusammen, doch sie ließ ihre Hand, wo sie war.

»Das bist du nicht, auf gar keinen Fall«, sagte Alba. »Ich weiß nicht, was aus diesen Leuten geworden ist, aber ich bin mir sicher, dass sie dich nicht einfach im Stich gelassen hätten, nachdem sie dich unter so großen Schwierigkeiten befreit hatten.«

»Warum bin ich dann allein?«

Sevens Stimme klang so schwach, dass Alba das Herz brach.

»Ich bin doch da«, flüsterte sie.

Zum ersten Mal, seit sie sich kannten, war es Seven, der die Arme ausbreitete und Alba an sich zog. Als sie den Kopf an seine Brust schmiegte, hörte sie, wie schnell sein Herz schlug. Der Minzduft seiner Haut und der seltsame, wunderschöne Geruch nach Junge streiften sie wie ein zarter Kuss.