Kapitel 15

 

Kaum stand ich vor der Tür und spürte den Nachgeschmack des Sommerregens auf der Zunge, sehnte ich mich nach einer Zigarette. Das Bedürfnis zu rauchen überfiel mich nur selten. Jetzt war einer dieser Momente. Ich beschloss, mir eine Schachtel Kippen zu besorgen, um mich zu beruhigen.

Dante und Victor würden nicht mehr sehr lange im Steak & Bier bleiben, oder besser gesagt im Suteekitobiru, wie sich das Lokal tatsächlich nannte. Die Schriftzeichen konnte ich zwar im Moment nicht entziffern, aber zum Glück hatte ich mir die Untertitel nicht eingebildet, von denen es hier wimmelte.

Wenn dies hier das Touristenviertel war, dann ließ sich sicherlich auch ein Taxifahrer auftreiben, der Englisch sprach.

Während ich die Straße entlang lief, hielt ich Ausschau nach einem Kiosk oder Tabakladen. Ein beiger Toyota am Straßenrand lenkte mich ab.

Der Kerl am Steuer sah sich hektisch nach einer Lücke im dichten Verkehr um, in die er einscheren konnte. Während er den Kopf aus dem geöffneten Fenster steckte, erfasste eine leichte Windböe seinen albernen Hut. Er fing ihn auf, achtete dabei aber nicht auf die Straße.

Empörtes Hupen setzte ein. Als er sich danach umsah, hatte ich längst die Beifahrertür geöffnet und mich in den Sitz fallen lassen.

Penetranter Gestank nach abgestandenem Zigarettenqualm reizte meine Lunge. Damit hatte sich mein Bedürfnis nach Sargnägeln komplett erledigt. »Sie sollten wirklich nicht im Wagen rauchen, das hält ja keiner aus!«

Den Schreck über mein plötzliches Auftauchen steckte er rasch weg. »Immer noch gesünder als ne Bleivergiftung. Aber Sie haben es überlebt, wie ich sehe. Gratuliere.«

Ich richtete meinen Zeigefinger auf seinen Rückspiegel. »Da ist eine Lücke.«

Er nutzte sie. Die Beschleunigung, mit der Special Agent Adams aus der Parklücke schoss, presste mich in den Sitz. Er hupte ein Taxi an, das genau vor ihm stehengeblieben war.

Ich klappte die Sonnenblende herunter. Üblicherweise waren diese Dinger mit kleinen Spiegeln ausgestattet. Der Seitenspiegel war hilfreich, zeigte mir aber nicht alles, was ich sehen wollte. »Fahren Sie mich zu Nakamoto.«

Er sah über seine rechte Schulter und setzte den Blinker. »Warum sollte ich das tun?«

Der Blick in den Schminkspiegel zahlte sich aus. Die Rostschüssel von Adams war nicht das einzige Fahrzeug, das es eilig hatte, auf die Straße zu kommen. »Weil Sie mich ohnehin verfolgen.«

»Sie wirken nervös.«

»Könnte sein, dass Sie zu viel reden.«

Mein Vorwurf schien ihn anzuspornen. »Der Oyabun unterhält ein paar Büros im Minami-Bezirk. Eines wurde kürzlich polizeilich geschlossen, nachdem dort von Unbekannten ein Brandanschlag verübt worden war. Es lag direkt an der Grenze zum Territorium der Chinesen. Wenn Sie mich fragen, sollten Sie Ihren Serienkiller dort suchen.«

Ich ersparte mir die Frage, woher er wusste, dass ich auf der Jagd nach dem Killer war. Offenkundig überwachte er mich nicht erst seit heute. »Hab ich schon. Anschließend standen Sie an meinem Bett und haben dumme Fragen gestellt.«

»Ich finde, Sie sollten nichts überstürzen. Was halten Sie davon, wenn ich Sie mitnehme? Sie genießen auf dem Revier eine schöne Tasse Kaffee und erzählen mir in Ruhe alles über den Täter.«

Der Verfolger ließ sich zurückfallen. Ein neuer tauchte nicht auf. Das bedeutete, sie wussten, wo ich hinwollte.

»Zunächst mal wäre es das einzige Revier auf der Welt mit genießbarem Kaffee. Außerdem wäre ich gerne im Haus, bevor Ihre Kollegen dort aufkreuzen und alles auseinandernehmen.«

Adams quälte das Vehikel die Serpentinen hinauf, die zum Anwesen von Nakamoto führten.

Kaum hatte er angehalten, lag meine Hand auch schon auf dem Türöffner.

»Eines noch!« Adams hielt mich zurück. »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann wollen Sie einen Killer zur Rede stellen, der mindestens sieben hartgesottene Gangster auf dem Gewissen hat.«

»Am besten fahren Sie rückwärts raus und wenden auf der Straße, das geht schneller.«

Er ließ sich nicht beirren. »Hier. Im Haus von Makoto Nakamoto, dessen Tochter Sie morgen heiraten werden.«

Der Gedanke an die bevorstehende Hochzeit mit Mizuki versetzte mir einen Stich. Sie stand so kurz bevor, dass ich ihr praktisch schon auf den Schleier trat.

Unerbittlich fuhr er fort. »Das heißt, Sie sind entweder in zwei Minuten mausetot oder in zwei Tagen verheiratet.«

»Danke für die Freifahrt. Kommen Sie gut heim. Am besten gleich. Die Jungs, die da aus dem Haus stürmen, wirken ziemlich gestresst.«

»Wollen Sie nicht doch lieber mit mir mitkommen?« Beide Türen wurden aufgerissen. Die zwei Kerle lehnten sich halb aufs Chassis, halb auf die Türen und kläfften uns an. »Was habt ihr Wichser hier zu suchen? Los, raus da!«

Willkommen zurück, liebe KI. So genau hatte ich nie wissen wollen, was die Jungs zu erzählen haben.

Bevor ich einen Fuß auf den Boden setzen konnte, angelte der Gangster bereits nach meinem Revers. Ich griff nach seinem Ärmel und zog. Sein Schädel kollidierte mit dem Wagendach. Anschließend schuf ich mir mit einem satten Tritt in seine Weichteile Platz und stieg aus.

Der andere reagierte schneller, als ich erwartet hatte. Er hielt bereits eine Waffe in der Hand und legte auf mich an, als mein Gegner zu Boden ging. Plötzlich stöhnte er und krümmte sich zusammen. Adams Gesicht erschien über dem Wagendach. »Los!«, rief er. »Rein in den Wagen! Das waren bestimmt nicht die Einzigen.«

Da gab ich ihm recht. Vermutlich lauerte im Haus noch ein ganzes Rudel von Nakamotos Nestschützern. Allerdings sollten sie längst begriffen haben, wer ich war. Genügend Kameras, die jeder meiner Bewegungen folgten, gab es jedenfalls. Sie waren also nicht wegen mir so aufgeregt, sondern wegen Adams.

»Danke fürs Mitnehmen. Und jetzt hauen Sie endlich ab, ich kann nicht ständig auf Ihren Arsch aufpassen.«

Er schnaufte. »Na schön, wie Sie wollen. Ich such dann schon mal einen hübschen Sarg für Sie aus.« Er stieg ein und wendete mit durchdrehenden Reifen.