Stille und ein unheilverkündender Geruch nach Blut schlugen uns aus dem Überwachungsraum entgegen. Viel konnte ich an Adams vorbei nicht sehen, aber das Wenige genügte schon. Im Wesentlichen entdeckte ich Kerle in blauen Uniformen, die vor ihren Monitoren zusammengesackt waren.
Den Mann hinter der Tür bemerkte ich erst, als er sich auf Adams stürzte. Begleitet von einem markerschütternden Schrei riss er ihn zu Boden. Der Gorilla hatte bereits die Faust zum Schlag erhoben, als ich ihn erreichte. Ich hielt die Faust mit den Überresten meiner beiden Hände und wäre trotzdem beinahe mit in die Tiefe gerissen worden. Als ich sprach, klang meine Stimme viel sanfter, als ich erwartet hatte. »Dante, nicht. Komm schon, Großer, das ist nicht dein Job.«
»Job?«, keuchte Dante, hielt aber still. »Das hier hat nichts mit irgendeinem Job zu tun.«
Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Levine wird sich um ihn kümmern.«
Sofort entspannten sich Dantes Muskeln.
Adams lag unter ihm und fing an zu zucken. »Claude? Nein. Nein!« Er versuchte, nach Dante zu schlagen, aber der packte seine Arme, stand auf und zerrte Adams in die Senkrechte. Er schrie, bettelte und fluchte, bis Dante ihm Handschellen angelegt und einen Knebel in den Mund gestopft hatte.
Ich verbrachte die Zeit nicht mit Rumstehen, sondern trat weiter in den Raum und sah mich um. Fünf Uniformierte zählte ich, alle mit einem sauberen Loch im Schädel. Eine Blutspur führte von der Tür zu einem Schreibtisch am Ende des Raumes, als hätte jemand einen Körper dort hin geschleift. Ich folgte der Spur. Als ich Victor erkannte, schloss ich für einen Moment die Augen, um mich zu sammeln.
Ich wollte es nicht sehen. Ich wollte mich umdrehen und mir einreden, dass Victor es aus dem Raum heraus geschafft hatte und irgendwo auf mich wartete.
KIM hieb mir gnadenlos die Fakten um die Ohren. »Hör auf zu heulen. Das kostet Kraft und die hast du nicht. Außerdem lebt er noch.«
Der letzte Satz schenkte mir Hoffnung. Ich ging in die Knie und tastete nach Victors Puls. Er war schwach, aber vorhanden. »KIM, wieso lebt er noch?«
»Das verdankt er seiner KI. Das Verteidigungssystem hat auf einhundert Prozent Selbstschutz umgeschaltet. Oberste Priorität: Stabilisation der Lunge. Sekundärprotokoll: Stoppen der Blutungen.«
Ich sah mich um. »Dante? Hast du ihn hier hergebracht?«
Er nickte. »Wollte ihn nicht bei der Tür liegen lassen, falls der Irre hier noch mal auftaucht.«
Victor bewegte sich. Ein Krampf schüttelte ihn durch. Ich hielt ihm die Hand unter den Kopf, damit er nicht hart aufschlug, und strich ihm übers Haar. »Du hast Hilfe gerufen?«
»Sofort als ich aufgewacht bin. Die müssten jede Minute hier sein.«
KIM hatte recht, mir blieb weder die Zeit noch die Kraft, herumzuheulen, aber ich musste wenigstens in Erfahrung bringen, was passiert war. »Wie hat er euch erwischt?«
Dante hustete und hielt sich die Seite. Unter seiner Hand glänzte es dunkel und feucht. »Victor wollte mit dem Team reden. Die waren alle schon tot. Das Schwein hat uns kalt lächelnd erwartet. Hat erst mich abgeballert und dann Victor.«
Auf meinen fragenden Blick hin zog er am Hemdkragen und schob den Stoff beiseite. »Weste. Man kann ja nie wissen.«
Ich atmete erleichtert auf. »Gute Entscheidung. Trägt Victor auch eine?«
Er hustete wieder und schüttelte den Kopf. »Nein. Hätte ihn nur langsamer gemacht.«
Ich überwand mich und sah Victor an. »Adams muss gewusst haben, dass ihr beide noch am Leben wart. Er ging wohl davon aus, dass Victor es nicht mehr lange machen würde, aber wieso hat er dir keine Kugel verpasst?«
Dante zeigte auf die blutige Hand, die er fest an die Seite gedrückt hielt. »Hat er. Dachte wohl, es wäre lustiger, uns hier langsam krepieren zu lassen, während er unten mit dir plaudert.«
Es fiel mir schwer, mein Versprechen gegenüber Adams einzuhalten. Alles in mir schrie danach, ihm den Schädel einzuschlagen.
»Hast du denn nichts Besseres zu tun?«, fragte KIM.
Mein Blick fiel auf einen der riesigen Überwachungsmonitore. Bisher hatte ich mir nicht den Luxus erlaubt, sie zur Kenntnis zu nehmen.
Ich warf einen letzten Blick auf Victor, strich ihm eine blutverklebte Strähne aus dem Gesicht und richtete mich auf. »Dante, sorg dafür, dass er sich nicht verletzt, wenn er einen Krampf bekommt.«
Er trat Adams in die Kniekehlen. Der sackte zusammen und schlug mit dem Kinn auf einem Schreibtisch auf, bevor er zu Boden ging.
»Du willst weg?«, fragte Dante.
Ich nickte. »Meine Frau und ich müssen zu einer Party.«
Mizuki atmete auf, als sie mich die Treppe herunterkommen sah. »Alles in Ordnung?«
Ich beherzigte KIMs Rat und verzichtete auf ein Kopfschütteln. »Nein, aber das wird wieder. Mach dir keine Sorgen. Was hältst du davon, ein bisschen zu feiern? Heute ist unser Hochzeitstag, wir schulden der Welt noch unseren ersten Tanz.«
Sie ließ die Schwerter sinken und starrte zu mir herauf, als wäre ich ein Ufo, das zur Landung ansetzt. »Drehst du jetzt vollkommen durch?«
Ich überwand die restlichen Stufen und stand neben dem Geländer, an dem Adams mich gefoltert hatte. Dunkle, feuchte Flecke glänzten auf dem Boden. Mein Blick wanderte zur Hintertür des BLUESCREEN.
»Sie sind alle da drinnen. Abgesandte sämtlicher Clans. Alle, die vom Untergang der Minami-gumi profitieren. Sie warten nur darauf, euch fertig zu machen.«
Mizuki sah zu Boden. »Ich weiß. Kyori ist dort.«
»Und weißt du auch, dass jeder in diesem Raum eine Waffe trägt, abgesehen von euch?«
Zuerst schien die Nachricht sie zu schockieren, doch dann fasste sie sich und schüttelte vehement den Kopf. »Egal, wie Adams es auch gedreht haben mag, Kyori hat ganz sicher eine Waffe.«
Ich schritt an ihr vorbei. »Gut zu wissen.«
Sie wurde lauter. »Und du bist im Moment nur mit einer Unterhose und deinem eigenen Blut bekleidet. Jedenfalls das, was von dir übrig ist.«
»Das sind Yakuza, die kommen damit schon klar.«
Sie kam mir hinterher. »Monroe, du kannst da nicht rein gehen! Du kannst ja kaum noch stehen.«
»Sie hat recht«, meldete sich KIM. »Du läufst nur noch auf Adrenalin. Wenn ich deine Schmerzrezeptoren zuschalte, kippst du augenblicklich aus den Latschen.«
»Dann lass es!«, schnappte ich. Etwas versöhnlicher fügte ich hinzu: »In ein paar Minuten wird von der Minami-gumi nur noch roter Nebel übrig sein, wenn ich jetzt nichts unternehme. Verschaff mir noch ein bisschen Zeit.«
Mizukis Stimme schraubte sich in die Höhe. »Bei allen Geistern der Unterwelt, du willst doch nicht wirklich einen Krieg anzetteln!«
Ich schritt auf die Hintertür der Bar zu, blieb aber noch einen Moment stehen. »Wir werden keinen Krieg anzetteln. Wir sagen ihn ab.«