Ihre Blutzuckerwerte sind noch nicht so, wie sie sein sollten? Dann ist der Zeitpunkt für den letzten Baustein des „Ich-darf-alles-Konzepts“ gekommen.
Es ist kein persönliches Versagen, wenn Ihr Arzt Ihnen ein Diabetesmedikament vorschlägt. Sie haben schließlich eine Menge getan: an einer Diabetesschulung teilgenommen, Ihre Ess- und Trinkgewohnheiten angepasst und versucht, mehr Bewegung in Ihr Leben zu bringen. Gut, es hat nicht alles so geklappt, wie Sie und Ihr Diabetesteam es sich vorgestellt haben, aber Diabetesmedikamente haben ihre Vorzüge. Oft bewirken sie nämlich schnelle Erfolge. Nutzen Sie diese Möglichkeiten, denn die Folgen von dauerhaft erhöhten Blutzuckerwerten können Ihr Leben stark beeinträchtigen. Und so weit sollten Sie es nicht kommen lassen.
Auch bei der Entscheidung für ein geeignetes Medikament sind Sie miteingebunden: Ihr Diabetesteam wählt mit Ihnen zusammen ein geeignetes Medikament aus, je nachdem wie weit Sie Ihre Blutzuckerwerte senken möchten.
Die Wirkung von Diabetesmedikamenten reicht jedoch noch viel weiter: Sie sollen Schäden an Augen, Nieren, Nerven, Herz und Gehirn verhindern.
Alle Diabetesmedikamente senken den Blutzucker. Manche Diabetesmedikamente können aber noch mehr. Sie werden heutzutage nicht nur zur Senkung von Blutzuckerwerten eingesetzt. Wenn Ihnen Ihr Arzt ein oder mehrere Medikamente vorschlägt, können auch noch andere Überlegungen mitspielen.
Überraschende Vorteile
Studien zeigen, dass einige Diabetesmedikamente andere Erkrankungen positiv beeinflussen können. Wenn bei Ihnen zum Beispiel eine Herzerkrankung vorliegt oder Sie bereits einen Herzinfarkt hatten, könnten Sie noch ein zweites Diabetesmedikament bekommen. Und das beeinflusst vorrangig nicht den Zuckerspiegel, sondern kann weitere Herz-Kreislaufbeschwerden verhindern.
Viele Menschen haben Angst vor Nebenwirkungen, wenn ihnen ihr Arzt ein neues Medikament verschreibt. Ein Blick in den Beipackzettel kann zudem erschrecken. Aber ist diese Sorge begründet? Tatsächlich kann jedes Medikament, das eine Wirkung hat, auch Nebenwirkungen verursachen. Welche das sein können, verrät Ihnen der Beipackzettel. Sie können dazu auch jederzeit Ihren Arzt oder auch Ihren Apotheker befragen. Aber wie kommen diese Nebenwirkungen in den Beipackzettel?
Bevor ein neues Medikament in Deutschland auf den Markt kommt und von den Krankenkassen bezahlt wird, durchläuft es eine lange Untersuchungsphase. Der Hersteller muss in einer Vielzahl von Studien die Wirksamkeit seines neuen Medikaments demonstrieren. Vor allem muss er dessen Sicherheit nachweisen. Medikamente dürfen keinen Schaden verursachen.
Die Wirkung und Sicherheit neuer Wirkstoffe werden zunächst an Mäusen oder Ratten ausgetestet. Erst danach werden Studien an gesunden Probanden gemacht. Ist das Medikament dann immer noch unbedenklich, sind im nächsten Schritt erkrankte Menschen an der Reihe, um den Wirkstoff zu testen. Ein neues Diabetesmedikament wird daher zum Beispiel nicht zugelassen, wenn es den Blutzucker sehr gut senkt, aber dann einen Herzinfarkt oder Schlaganfall verursacht. Nutzen und Schaden werden hier sehr gründlich abgewogen. Der Nutzen für eine bestimmte Patientengruppe muss groß und der Schaden, also Nebenwirkungen durch ein Medikament, so gering wie möglich sein. Die Wissenschaftler und Studienleiter dokumentieren während dieser Studien alle Beschwerden der Probanden. Es kommt hier nicht darauf an, ob sie durch das Medikament verursacht sind oder nicht. Alles muss an den Hersteller gemeldet werden. Zum Schluss prüft dann die zuständige Behörde, ob eine Zulassung erteilt werden kann.
Kopfschmerzen sind in fast jedem Beipackzettel als mögliche Nebenwirkungen zu finden. Da Kopfschmerzen bei vielen Menschen hin und wieder auftreten, ist es nicht verwunderlich, dass davon auch Studienteilnehmer berichten. Das muss aber nichts mit dem Medikament zu tun haben. Hier sollten Sie mit Ihrem Arzt genau prüfen, ob die bei Ihnen auftretenden Kopfschmerzen auch eine andere Ursache haben können oder ob ein unmittelbarer Zusammenhang etwa mit einem neuen Medikament besteht.
Nebenwirkungen werden manchmal als unerwünschte Arzneimittelwirkungen (kurz UAW) bezeichnet. Apotheker kennen aber auch den Spruch: „Was keine Nebenwirkungen hat, hat auch keine Hauptwirkung.“ Wichtig ist, dass Sie darüber informiert sind.
Fragen Sie also nach, wenn beispielsweise bei einem Blutdruckmedikament im Beipackzettel steht, dass sich der Diabetes verschlechtern kann. Erhöht ein Blutdruckmedikament wirklich den Blutzucker und wie hoch? Es steht zwar auf dem Beipackzettel, dass sich die Blutzuckerwerte bei einigen Diabetespatienten verschlechterten. Aber das muss nicht an dem Medikament liegen. Vielleicht haben sich diese Studienteilnehmer weniger bewegt als vorher oder ihre Essgewohnheiten geändert. Für die veränderten Blutzuckerwerte können noch andere Umstände ursächlich sein, die auch ohne dieses Studienmedikament eingetreten wären. Die Reaktionen auf Medikamente sind so individuell, wie es jeder Mensch ist.
Beschwerden, die direkt nach Beginn der ersten Einnahme auftreten, sind sehr wahrscheinlich auf das Medikament zurückzuführen. Nun stellt sich die Frage: „Sofort absetzen?“ Hier werden Sie um Mithilfe gebeten. Sie müssen entscheiden, ob Sie die Nebenwirkung aushalten können.
Ein Beispiel: Metformin senkt den Blutzucker sehr stark und hat noch viele andere Vorteile (siehe Kapitel „Metformin: Das Mittel der ersten Wahl“, S. 125). Bei 1 von 10 Patienten kann es jedoch am Anfang Magen-Darm-Beschwerden (zum Beispiel Durchfall) hervorrufen. Was für den einen kein Problem ist, bedeutet für den anderen eine starke Einschränkung der Lebensqualität. Sie müssen abwägen, ob der Nutzen den Schaden überwiegt. Eventuell hilft es, die Dosis des Metformins zu reduzieren, um die Beschwerden zu vermindern.
Wenn Sie seit der Einnahme eines neuen Medikaments Nebenwirkungen verspüren, sollten Sie zeitnah mit Ihrem Diabetesteam sprechen. Auf jeden Fall ist es wichtig, nicht eigenständig die Dosis zu reduzieren oder das Medikament ohne Rücksprache mit dem Arzt einfach abzusetzen. Lassen Sie sich beraten, was Sie tun können und ob sich nicht eine bessere Alternative finden lässt. Hier haben Sie gute Chancen, weil es eine Vielzahl an Diabetesmedikamenten gibt.