»Die rechte Hand des Präsidenten.«
»Wer?«, fragte Smith.
»Der Stabschef des Weißen Hauses!«
Sofort setzte Smith sich in seinem Stuhl aufrecht und drückte den Rücken durch. Mit eiligen Handgriffen räumte er die Schreibtischfläche frei, legte die Blätter ordentlich zusammen, als könne der Anrufer ihn sehen.
»Frank, wie sieht es aus?«, meldete sich sein Gesprächspartner. Für viele war er der zweitmächtigste Mann in Washington. Derjenige, der heimlich die Strippen zog.
»Nicht gut. Die Bundesstaaten nennen uns stündlich neue Verbreitungsherde. Viele Krankenhäuser sind überfüllt. Wir haben wenig Todesfälle, aber viele Verletzte. Und niemand kann mir sagen, wie wir das Ganze stoppen können.«
»Ich hatte heute ein Telefonat mit den G7 , dort ist man auch nicht schlauer«, entgegnete der Stabschef. »Auch dort hat niemand kommen sehen, dass eine lächerliche Pflanze für die Menschheit zum Problem werden könnte. Terroristen, Viren, Weltkriege, Meteoriten, Nuklearkriege, vielleicht sogar Außerirdische. Das hatten wir alles auf dem Schirm. Aber noch nie eine Pflanze!«
»So wie es aussieht, kommen wir nicht daran vorbei, großflächig Herbizide auszubringen. Gegen Agent Orange hat auch dieses Kraut keine Chance. Man kann den Teufel nur mit dem Teufel bekämpfen!«
»Vergiften wir damit nicht unsere gesamte Bevölkerung?«
»Was haben wir für eine Wahl? Die beste Medizin hat die stärksten Nebenwirkungen.«
»Was ist mit der Idee mit dem Feuer?«
»Das tötet sie leider nicht, sondern lässt nur neue Keimlinge entstehen, die noch aggressiver sind.«
»Rausreißen?«
»Die Wurzeln sind derart stark und tief!«
»Was hat es mit dem weißen Zeug auf sich, das die Pflanze unterirdisch bildet? Mein Stab hat mir davon berichtet, dass die weißen Fäden mittlerweile auch Internetknoten und Stromleitungen besiedeln. Wie riesige unterirdische Spinnennetze.«
»Es ist ein Pilz. Ein sogenannter Mykorrhiza-Pilz. Dessen Sporen befinden sich bereits auf den verschickten Samen. Nach dem Einpflanzen verbreitet er sich unterirdisch, vernetzt die Wurzeln der Pflanzen miteinander und versorgt sie mit Nährstoffen. Mortensen hat mir erklärt, dass wir so etwas auch von anderen Pflanzen kennen.«
»Hat die Polizei Hinweise auf seinen Mörder?«
»Die tappt völlig im Dunkeln, geht immer noch von einem erweiterten Selbstmord aus! Das glaube ich aber nicht. Er war kurz davor, ein Gegenmittel gegen die Pflanzen zu finden. Er hatte es mir persönlich gesagt. Ich glaube, er wurde deshalb umgebracht.«
»Natürlich ist das auch Silvas Werk! Er hat uns alle hinters Licht geführt!«, sagte der Stabschef verbittert. »Wir suchen ihn bereits, aber niemand hat eine Ahnung, wo er steckt. Es gibt noch nicht einmal ein Foto von dem Bastard!«
»Niemand konnte es ahnen.«
»Wir hätten ihn niemals in unserem Kreis aufnehmen dürfen. Es war immer unser Ziel, die Welt zu verändern, zu einem aufgeklärteren und besseren Ort zu machen, aber nicht, die Welt zu vernichten!«
»Ist überhaupt einer von uns Silva je persönlich begegnet?«
»Es hat sich herausgestellt, dass dem nicht so ist. Jeder dachte, jemand anderes würde ihn schon kennen.«
»Wie hat er das angestellt?«
»Es scheint so, als sei er übermenschlich geschickt!«
»Und was weiß er noch?«
»Alles. Er hatte Zugang zu allen Dokumenten der Illuminaten und auch zu den unseren.«
»Dann sind wir alle in Gefahr.«
»Niemand darf jemals erfahren, dass die Samen aus unserer Verwahrung stammen!«
»Das wird auch niemand«, entgegnete Smith.
»Was ist mit Mortensens Verlobter und dem deutschen Botaniker? Mir wurde berichtet, sie haben in China für allerlei Unruhe gesorgt.«
»Ich kümmere mich um sie«, versprach Smith.
»Wir dürfen keinen Fehler mehr machen, Frank.«
»Ja, Sir.«
Das Gespräch wurde beendet. Smith nahm die Zigarette, ging zum Fenster und zündete sie mit zitternden Händen an. Dann ging er zurück zu seinem Schreibtisch und öffnete den Bericht, den er angefordert hatte. Er zeigte eine Aufstellung von Dechambeaus Handydaten, wann sein Telefon sich in welche Funkzelle eingeloggt hatte. Er verglich die Daten erneut mit den Zeiten von Mortensens Ermordung. Es gab keinen Zweifel: Dechambeau war dort gewesen. Er griff zur Maus und öffnete das Programm, das man ihm auf seinen Wunsch hin heute Morgen aufgespielt hatte. Aktuell war Dechambeau noch immer in Deutschland, laut Ortung in Berlin. Er war einer von ihnen. Er hatte ihn zu Homeland Security geholt und seine Einstellung forciert. Aber nun schien es so, als spielte Dechambeau auch noch in einem anderen Team. Und er wusste auch, für wen: Silva.