Kapitel 38

Eine postmoderne Welt

Es ist der 1. Juni 1980. In New York hat soeben die «Times Square Show» eröffnet. Sie unterscheidet sich von allen anderen Ausstellungen in der Stadt, denn sie wurde von der Künstlergruppe Collaborative Projects Inc., kurz Colab, organisiert und findet in einem verlassenen vierstöckigen Gebäude mitten im heruntergekommenen Theaterviertel statt. Mehr als 100 Künstler wirken daran mit. Überall ist Kunst, auf Monitoren laufen Videos, in der Herrentoilette stehen Skulpturen. Außerdem sind Modeschauen, Filmvorführungen und Performances geplant. Es soll eine Nonstop-Party werden, ein Event, das einen Monat lang durchgehend läuft.

160  Colab, Eingang zur Times Square Show, 1980, New York

Colab glaubt an Zusammenarbeit, Vielfalt und Kunst von allen für alle. Es gibt keinen Kurator, der das Sagen hat, und die Exponate gehen ohne Kennzeichnung ineinander über. Wer hat was geschaffen? Ist das Kunst oder ein Graffiti? Wen interessiert das schon! Colab möchte ein Publikum erreichen, das keine Galerien besucht. Im Souvenirshop werden günstige Kunstwerke angeboten, die sich jeder leisten kann. Colab setzt sich vom herkömmlichen Galeriebetrieb ab und fragt: Wer entscheidet eigentlich, was Kunst ist und wo sie präsentiert werden darf?

Es herrscht reger Betrieb in der Ausstellung, die Menschenmenge drängt bis auf die Straße hinaus. Über dem Eingang steht in großen Buchstaben aus Klebeband «Times Sq. Show», und die mitwirkenden Künstler haben das ganze Viertel mit selbst fabrizierten Werbeplakaten zugekleistert. Drinnen verfolgen die Besucher eine Diashow mit Fotografien von Nan Goldin und bewundern Keith Harings Strichmännchen auf den Toiletten. Fab 5 Freddy hat die Fassade des Gebäudes mit Graffiti verziert. Jean-Michel Basquiat – mit seinen 19 Jahren als Straßenkünstler SAMO© bereits eine Berühmtheit – hat sein erstes Bild auf Leinwand beigesteuert, das jetzt hinter dem Catwalk in der Fashion Lounge im zweiten Stock hängt. Die Models ziehen in Kleidern aus Schaumstoff und silbernem Klebeband daran vorbei. Es verspricht ein Wahnsinnsmonat zu werden.

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Die «Times Square Show» wurde von der Wochenzeitung Village Voice als die «erste radikale Kunstausstellung der 80er Jahre» bezeichnet. Sie war ein Sprungbrett für die Karrieren von Jean-Michel Basquiat (1960–1988) und Keith Haring (1958–1990). Innerhalb eines Jahres wurden die beiden jungen Kreativen zu Stars der Kunstszene, die schnell und intensiv lebten und jung starben. Basquiat war mit 15 von zu Hause weggelaufen und schlief bei Freunden im New Yorker East Village auf dem Sofa. In seine Bilder ließ er Graffiti, abstrakten Expressionismus, Bilder aus einem Anatomie-Lehrbuch, schwarze Kultur, Jazz und Hiphop einfließen und schuf mit Sprühdosen, Ölstiften und Acrylfarben großformatige dynamische Werke. Bei seiner ersten Einzelausstellung 1982 verkaufte er sämtliche Bilder, im selben Jahr begann er eine Affäre mit der damals noch unbekannten Madonna. Im Jahr darauf freundete er sich mit Andy Warhol an. Seine Kunst besitzt eine rohe Kraft und fängt nicht nur die chaotische Energie New Yorks in den 1980er Jahren ein, sondern zeugt auch von seinem Leben mit durchtanzten Nächten in Clubs, Graffiti und Drogen. Basquiat starb mit 27 Jahren an einer Überdosis Heroin. Noch heute sind Sammler geradezu verrückt nach seinen aufregenden Werken: Sein Gemälde Untitled aus dem Jahr 1982, das einen schwarzen Totenschädel zeigt, wurde 2017 auf einer Auktion für 110 Millionen Dollar versteigert.

161  Jean-Michel Basquiat, Untitled, 1982, Privatbesitz

Im Gegensatz zu Basquiat wuchs Haring in einem konservativen Elternhaus in Pennsylvania auf, doch als er 1978 zum Studium nach New York zog, war er ganz fasziniert von der Graffiti-Kunst. Kurz nach der «Times Square Show» hatte er in der New Yorker U-Bahn, wo er die besprühten Züge bewunderte, eine geniale Idee. Ihm fiel auf, dass die in der Station angebrachten Werbetafeln bis zur nächsten Nutzung mit mattschwarzem Papier überzogen wurden. Das Papier erschien ihm wie eine Schiefertafel, eine unberührte Oberfläche, auf die er zeichnen konnte. Er besorgte sich rasch weiße Kreide, und nach einer Minute war sein erstes Street-Art-Werk fertig. Fünf Jahre lang schmückte Haring die New Yorker U-Bahn-Stationen mit seinen cartoonartigen Figuren, die sich umarmten, küssten, tanzten und Hula-Hoop-Reifen kreisen ließen, und brachte auf diese Weise seine Ansichten zu Liebe, Tod, Sex und Krieg zum Ausdruck. Er schuf seine Kunst auf der Straße, damit jeder sie sehen konnte. «Man braucht nichts über Kunst zu wissen, um sie zu schätzen oder zu betrachten», sagte er. «Es gibt keine verborgenen Geheimnisse oder Dinge, die man verstehen muss.» Er wurde zum Star und zu einer Ikone der Schwulenbewegung und lieferte mit seiner Kunst auch einen Kommentar zur AIDS-Epidemie ab, die in den 1980er Jahren in den Schwulen-Communitys grassierte. 1990 starb er an den Folgen von AIDS.

162  Keith Haring, We Are the Youth (Ausschnitt), 1987, Mural Arts Program, Philadelphia

Die Kunst der 1980er Jahre wird heute als postmodern bezeichnet, ein Sammelbegriff für alles, was nach den von Clement Greenberg so bewunderten abstrakten Gemälden und minimalistischen Skulpturen entstand. Die Vertreter der Postmoderne kritisierten die Künstler der Moderne für ihren Idealismus und ihren Glauben an abstrakte Wahrheiten. Sie selbst dagegen bezogen ihre Inspiration aus der realen Welt und hinterfragten, was sie sahen. Für ihre Kunst verwendeten sie die Bilder und Stile anderer, bedienten sich in der Vergangenheit wie in der Gegenwart und verwischten historische Grenzen. Es ging um vielfältige Standpunkte und um Diversität; man musste nicht mehr in einem bestimmten Stil oder mit bestimmten Materialien arbeiten.

Die ganzen 1980er Jahre hindurch benutzten amerikanische Künstler die Straße als öffentliche Galerie. Im Jahr 1985 machten die Guerilla Girls, eine anonyme Gruppe von Künstlerinnen, mit Plakaten auf Bussen und Werbetafeln auf den in der Kunstszene immer noch verbreiteten Sexismus und Rassismus aufmerksam. Alle Mitglieder der Gruppe waren erfolgreiche Künstlerinnen, die bei ihren Aktionen Gorillamasken aufsetzten, um anonym zu bleiben. Sie inszenierten sich als «Gewissen der Kunstwelt». In einer ihrer berühmtesten Plakataktionen fragten sie: «Müssen Frauen nackt sein, ums ins Metropolitan Museum zu kommen?» Das Plakat zeigte auf gelbem Hintergrund eine Schwarz-Weiß-Reproduktion von Ingres’ Aktporträt Die Große Odaliske, das wir aus Kapitel 25 kennen. Unter dem Schriftzug lieferten die Aktivistinnen aufschlussreiche Zahlen: Nicht einmal fünf Prozent der im New Yorker Metropolitan Museum of Art gezeigten modernen Künstler waren Frauen, dafür aber waren 85 Prozent der ausgestellten Aktdarstellungen weiblich. (Daran ändert sich nur langsam etwas: Noch heute beträgt der Anteil der Kunst von Frauen in der Abteilung für moderne Kunst nur zehn Prozent.)

Auch Adrian Piper (geb. 1948) arbeitete außerhalb von Galerien. Ihr ging es darum, Reaktionen bei den Rezipienten ihrer Kunst auszulösen. Im Jahr 1986 entwarf sie zwei «Visitenkarten», die sie immer bei sich trug, eine weiße und eine braune. Mit der weißen wehrte sie Männer ab, die versuchten, sie anzumachen. Die braune war für Situationen gedacht, in denen rassistische Bemerkungen fielen. Als hellhäutige Afroamerikanerin wurde sie oft für eine Weiße gehalten, und wenn sie rassistische Äußerungen hörte, die anderen galten, teilte sie die braune Karte aus, auf der stand: «Lieber Freund, ich bin schwarz. Sicher war dir das nicht bewusst, als du diese rassistische Bemerkung gemacht/darüber gelacht/gutgeheißen hast.» Das Überreichen einer solchen Karte war eine Form der Performance, ein Akt der Konzeptkunst, ein ständiges Bemühen, sexistischen und rassistischen Übergriffen jederzeit entgegenzutreten.

Trotz der Erfolge der Bürgerrechtsbewegung in den 1960ern hatten sich die Beziehungen zwischen People of Color und Weißen nicht merklich verbessert. Seit den späten 1970er Jahren macht Carrie Mae Weems (geb. 1953) mit Schwarz-Weiß-Fotografien selbst erlebte und historische rassistische Diskriminierungserfahrungen sichtbar. In ihrem Werk Family Pictures and Stories, das 1978–1984 entstand, beschäftigt sie sich anhand ihrer eigenen Familiengeschichte mit der großen Wanderbewegung der Schwarzen von den Südstaaten in den Norden. Für From Here I Saw What Happened und I Cried von 1995/96 verwendet sie unter anderem Aufnahmen ehemaliger schwarzer Sklavinnen aus dem 19. Jahrhundert. Quer über den Bildern ist aufgedruckt zu lesen, zu welchen Rollen diese unbekannten Frauen gezwungen wurden, vom Kindermädchen bis zur Prostituierten, was uns zum Nachdenken darüber bringt, wen wir da eigentlich betrachten. Indem Weems die Originalfotos hinterfragt, zeigt sie, wie diese Frauen einst von ihren Kolonialherren gesehen wurden. Künstlerinnen wie Weems werfen einen postkolonialen Blick auf die westliche Kolonialgeschichte zwischen dem 16. und dem 20. Jahrhundert, als europäische Mächte Länder vom Kongo bis in die Karibik ihrer Herrschaft unterwarfen. Postkoloniale Studien befassen sich mit dem Erbe dieser Ära, in der Menschen, Güter, Grund und Boden und Dienstleistungen als Eigentum der Kolonisten betrachtet wurden.

Inzwischen experimentierten Kunstschaffende ganz selbstverständlich mit allen möglichen künstlerischen Medien, von Fotografie über Video bis hin zu Visitenkarten und Werbetafeln. Kritiker wie Douglas Crimp riefen «das Ende der Malerei» aus. Doch diese Kunstform war nie ganz verschwunden, und in den 1980er Jahren erlebte sie sogar ein überraschendes Revival. Die Landschaften von Anselm Kiefer und die Porträts von Georg Baselitz (geb. 1938) strotzen vor expressiver Kraft. Die beiden Künstler, die zu den Neoexpressionisten gezählt werden, schöpfen bei ihrer Arbeit aus Erzählungen und Mythen. Sie nahmen 1981 neben ihrem amerikanischen Kollegen Julian Schnabel (geb. 1951) und dem Porträtisten Lucian Freud (1922–2011) an der Ausstellung «A New Spirit in Painting» teil. Die große und einflussreiche Ausstellung in der Royal Academy of Arts in London wollte einen Überblick über die zeitgenössische Malerei bieten. Zu den 38 präsentierten Künstlern gehörten auch Warhol, Bacon und Picasso, aber keine einzige Frau. (Jetzt wissen Sie, warum die Guerrilla Girls auf die Straße gingen.)

Kiefer trieb die Frage um, wie künstlerisches Schaffen im Nachkriegsdeutschland angesichts der deutschen Schuld möglich war. Er malte Architektur, die mit Nazi-Kundgebungen assoziiert wird, und Eisenbahnschienen, die an die Zwangsdeportation von Millionen Juden in die Konzentrationslager erinnern. Auf Eisen-Steig von 1986 verlaufen Eisenbahnschienen durch die Bildmitte und teilen sich dann. Welche Seite führt in den Tod, welche ins Leben? Es ist unmöglich zu sagen. Kiefer befüllt die Leinwand mit derart viel Farbe und zusätzlichen Materialien, dass sie fast plastisch wirkt. Echte Zweige sind mit Bleibändern an die gemalten Schienen geheftet. Bei seinen Bildern spürt man die uralte Geschichte der Erde und die Knochen, die unter ihrer Oberfläche begraben sind.

163  Anselm Kiefer, Eisen-Steig, 1986, Privatsammlung

Gerhard Richter, der sich ebenfalls an «A New Spirit in Painting» beteiligt hatte, nahm vorhandene Bilder als Ausgangspunkt für seine Gemälde. Ihn beschäftigte, wie Fotografien eine Ansicht oder eine Person in eine zweidimensionale Fläche verwandelten, die man in ein gemaltes Bild überführen konnte. Mitte der 1960er Jahre verwendete Richter Fotos seiner Verwandten – Onkel Rudi, Tante Marianne –, um seine komplexe Familiengeschichte zu reflektieren. Onkel Rudi war als Wehrmachtsoffizier 1944 im Kampf gefallen. Richters Porträt basiert auf einer Schwarz-Weiß-Fotografie von dem lächelnden Rudi in Uniform, doch das Motiv ist verwischt, sodass es unscharf bleibt. Im selben Stil malte Richter Tante Marianne. Auf diesem Bild sieht man Richter als Baby mit seiner Tante im Teenageralter. Sie erkrankte an Schizophrenie und wurde später im Rahmen des Euthanasie-Programms der Nazis in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, wo man sie zwangssterilisierte und verhungern ließ. Richters Schwiegervater, der SS-Arzt Heinrich Eufinger, war maßgeblich an dem Euthanasie-Programm beteiligt.

100 x 115 cm

164  Gerhard Richter, Tante Marianne, 1965, YAGEO Foundation, Taipeh, Taiwan

Richters Beispiel folgend wurde die europäische Malerei konzeptueller. Immer mehr Künstler nahmen Zeitungsfotos als Vorlage anstatt lebende Modelle. Sie wollten die Macht von Bildern erforschen, herausfinden, wie diese Macht entsteht und wie Bedeutung vermittelt wird. 1986 malte der Belgier Luc Tuymans (geb. 1958) einen kleinen fensterlosen Raum mit einem Abfluss in der Mitte des Bodens. Das Bild an sich ist unscheinbar, die Farben sind verblichen wie bei einem alten Foto, aber irgendetwas daran wirkt beunruhigend. Erst wenn man den Titel liest, Gaskammer, und begreift, dass die Vorlage ein Foto von einem Konzentrationslager war, wird die Wucht dieses Bildes spürbar.

Die südafrikanische Künstlerin Marlene Dumas (geb. 1953), die in den Niederlanden lebt, arbeitet ebenfalls mit schwierigem Ausgangsmaterial. Wie Tuymans verwendet sie Zeitungsfotos, auf deren Grundlage sie tote Körper, von Krankheit gezeichnete Gesichter, politische Gefangene, Sexarbeiterinnen und Menschen, die gegen ihren Willen festgehalten werden, darstellt. Obwohl die Bilder meisterlich ausgeführt sind, hat man bei ihrer Betrachtung oft ein Gefühl der Beklemmung.

In den 1980er Jahren fanden Maler weltweit Anerkennung. Der Argentinier Guillermo Kuitca (geb. 1961) bildet Stadtpläne auf Matratzen ab, um auszuloten, was wir als unsere Wohnung und unser Zuhause verstehen, während der US-Amerikaner Kerry James Marshall (geb. 1955) das Leben der Afroamerikaner und die Geschichte der People of Color zu seinem Thema gemacht hat. Die portugiesische Künstlerin Paula Rego (1935–2022) lebte und arbeitete in Großbritannien. In ihren Bildern spielt sie gern mit Erwartungen und stellt Frauen oft in Führungsrollen dar, doch ihre Figuren haben kein leichtes Leben. Sie zeigt Frauen von ihrer starken Seite, widerstandsfähige Frauen, die sich auch von illegalen Abtreibungen und Menschenhandel nicht unterkriegen lassen.

In China begannen Künstler, im westlichen Malstil ihre eigene Geschichte darzustellen. Zhang Xiaogang (geb. 1958) wuchs während der sogenannten Kulturrevolution von 1966–1976 auf, als Mao Zedong mit rabiaten Mitteln den Kommunismus zu erneuern gedachte, was zum Tod von Millionen von Menschen führte. Auf der Grundlage alter Familienfotos erforscht Zhang diese Zeit in seinen Gemälden. Seine Figuren im Mao-Anzug wirken unpersönlich, und dennoch scheinen sie vor unterdrückter Emotion schier zu platzen. Oft ist eine der dargestellten Personen rot eingefärbt, in der Farbe der Mao-Bibel, die Anweisungen für das Alltagsleben enthielt wie: «Fest entschlossen sein, keine Opfer scheuen und alle Schwierigkeiten überwinden, um den Sieg zu erringen!»

Zhang Xiaogang (b.1958). A Big Family Series. 1995. oil on canvas. 229x179cm Artwork Location: Christie's Images Limited, ********, ******** Permission for usage must be provided in writing from Scala.

165  Zhang Xiaogang, A Big Family Series, 1995, Saatchi Gallery, London

Nach der Kulturrevolution konnten chinesische Künstler die Kunst anderer Länder studieren, und die westliche Kunstgeschichte übte großen Einfluss auf ihre Arbeit aus. Yue Minjun (geb. 1962) verleiht jeder Figur, die er malt, sein eigenes Antlitz – die Augen zusammengekniffen, ein irres Lachen im Gesicht. Die Wiederholung dieses Elements wirkt verstörend, besonders wenn mehrere Personen gekrümmt vor Lachen auf den Betrachter deuten oder lachend vor einem Erschießungskommando stehen. Yue orientiert sich bei seinen Gemälden oft am westlichen Bildaufbau. Doch indem er jede Figur als halbnackten lachenden Mann darstellt, suggeriert er, dass der Witz auf unsere Kosten geht, dass die Kunst zu einem Bauern im Schachspiel des Kapitalismus geworden ist und ihren tieferen Sinn dem kommerziellen Erfolg geopfert hat.

In Deutschland wandten sich auch Künstler, die in der DDR aufgewachsen waren und dort studiert hatten, nach dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung der figurativen Malerei zu, unter ihnen Neo Rauch (geb. 1960), der als berühmtester Vertreter der «Neuen Leipziger Schule» gilt, und seine Frau Rosa Loy (geb. 1958). Rauch schöpft seine Motive aus der Bilderwelt des Sozialistischen Realismus und vermischt sie mit der deutschen Romantik. Oft wird auf seinen Gemälden die Kreativität unterdrückt oder als schwere Last dargestellt, seine Figuren sind unfähig zu interagieren, verstrickt in ihre Mythologie. Nichts fügt sich richtig zusammen, und die Geschichte, die man gern verstehen würde, bleibt quälend unergründlich.

Basquiats Bilder voll roher Energie, Regos Werke mit ihrer düsteren Ausstrahlung, die konzeptuelle Spurensuche von Richter und Tuymans sowie die verstörenden Erzählungen von Zhang und Kiefer – sie alle trugen in den 1980er Jahren dazu bei, die Malerei wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. Doch die Studenten an den Kunstakademien hatten kaum eine Möglichkeit, ihre Werke öffentlich zu präsentieren. In Großbritannien beschloss eine Gruppe ehrgeiziger junger Künstler, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.