51. Kapitel

Der Tag, der so unerfreulich verlaufen war, hatte für Isabelle plötzlich doch noch einen Lichtblick zu bieten: Lieutenant Kadir, der immer mal wieder kleine Wunder vollbringen konnte, wenn es um gesperrte Handys und Computer ging, hatte einen Treffer gelandet.

Er war in der Klinik gewesen und hatte das Handy von Patrick Favre beschlagnahmt. Was kein Problem war, weil der Verdächtige noch angeschlagen von der Narkose war. Kadir hatte die Gunst der Stunde genutzt und den Daumen des erschöpften Patienten kurz auf den Kontakt-Button gedrückt und so das Mobiltelefon entsperrt.

Um 19:15 Uhr erschien Kadir in Isabelles Büro und hielt triumphierend das Handy in die Höhe.

»Weißt du, was das ist?«, fragte er stolz und fuhr fort, ohne auf eine Antwort zu warten: »Das Handy von Patrick Favre.«

»Du hast ihn natürlich gefragt, ob wir das untersuchen dürfen«, sagte Isabelle, die schon ahnte, wie er an das Telefon gekommen war.

»Klar, habe ich gefragt«, behauptete Kadir. »Er hat nix mitbekommen. Hätte ich vielleicht bis morgen warten sollen? Das war ein klassischer Fall von Gefahr in Verzug.«

»Du weißt, wenn es zu einem Prozess kommt, dann sind es genau solche Beweise, die uns um die Ohren fliegen.«

»Willst du jetzt sehen, was ich gefunden habe, oder nicht?«

Isabelle schloss die Tür. »Zeig schon her.« Sie konnte ihre Neugier nur mühsam unterdrücken.

Kadir öffnete im Handy den Ordner mit den Fotos.

»Ist jetzt nicht wahr, oder?« Isabelle starrte auf die Aufnahmen, und Kadir lächelte stolz.

Die Fotos zeigten den Strand von Lavandou. Am westlichen Ende, dort wo sich die Strandrestaurants befanden, lag eine Frau im knappen Bikini auf einem Handtuch in der Sonne. Auf der Vergrößerung war die Frau gut zu erkennen: Es handelte sich um Colette Lambert. Auch bei den anderen Fotos bestand kein Zweifel: Sie zeigten alle dieselbe Person. Colette auf dem Markt, Colette, wie sie in ihr Auto einstieg. Und schließlich Colette nackt am Strand.

»Das muss am Plage du Layet gewesen sein«, sagte Kadir und deutete auf das Foto. »Das erkenne ich an den Felsen.«

Isabelle blätterte die Bilder durch. Colette war nicht die einzige Frau, die Favre fotografiert hatte. Es gab Dutzende von Frauenfotos, vom Typ her immer ähnlich: Alle waren schlank, blond und Anfang zwanzig.

»Die Bilder hat er heimlich gemacht, das kann man sehen«, sagte Isabelle und tippte auf den Link mit den Foto-Informationen. »Die letzte Aufnahme ist zwei Tage vor dem Mord entstanden.«

»Da stellt sich doch die Frage«, sagte Kadir, »was er sonst noch mit ihr angestellt hat.«

»Genau das werde ich ihn fragen«, sagte Isabelle, stand auf und nahm ihre Uniformjacke vom Ständer. »Wen haben wir in der Klinik zur Bewachung von Patrick Favre abgestellt?«

»Peyron«, sagte Kadir, und Isabelle sah ihn fragend an. »Der Neue aus Draguignan.«

»Verdammt«, sagte Isabelle zu Kadir. »Komm mit.«