So weit, so gut, doch kommen wir nun, in meinem Arbeitszimmer, wo ich vor allem mir selbst von Bottegos kurzem, wilden Leben erzähle, zu den Auswirkungen, die die Lektüre seiner Reisetagebücher, geschrieben auf dem Weg durch Berge und Wüsten, auf mich haben. Ich rede von meinem Versuch, seine Reisen nachzuempfinden, indem ich der zunehmenden Langsamkeit meiner greisenhaften Bewegungen mit regelmäßigen Spaziergängen, einem pro Stunde, zwischen meinem Schreibtisch und der Gartenmauer trotze.

Und kommen wir, zwischen meinen sportlichen Reaktionen auf die Lektüre seiner Tagebücher, zu seiner Rückkehr in die Heimat. Nach mehr als anderthalb Jahren, in denen wir in der Geographischen Gesellschaft keinerlei Nachricht von ihm erhalten hatten, hörten wir endlich wieder etwas von ihm. Nach der letzten Meldung über die Flucht der Karawane aus Berbera, mit der sie die Hindernisse umging, die die Engländer der Expedition in den Weg gelegt hatten, war nicht eine Nachricht mehr gekommen, weder von den Engländern noch von den italienischen Behörden in Eritrea. Nur verschiedene, wenig glaubwürdige Gerüchte, die von der Massakrierung der Karawane durch Galla-Stämme über die Behauptung von Karawanenreisenden reichten, Bottego sei bei der Elefantenjagd und beim Horten von Elfenbein gesehen worden, bis hin zu der Aussage, er habe in der Wüste des Ogaden an einer Wegkreuzung ein Fort angelegt, um sein eigenes Sultanat zu gründen und von den Karawanen Wegzoll zu fordern. Bottego war demnach, einem dieser wenig glaubwürdigen Gerüchte über ihn zufolge, so etwas wie ein afrikanischer Häuptling geworden. Alles unzuverlässige Nachrichten, denen Grixoni bei seiner Rückkehr nach Italien mit der Aussage ein Ende machte, die Expedition habe den Juba erreicht und nichts weiter. Die Gründe für seinen Rückzug aus der Expedition blieben undurchsichtig. Grixoni beschränkte sich darauf, in einem Interview mit Scarfoglio gegen die Unvereinbarkeit ihrer Charaktere zu wettern und Bottego als einen darzustellen, der Dörfer plünderte, die Ureinwohner auspeitschte und von der fixen Idee besessen war, die Quellen des Juba zu finden, ein besonders für ihn aussichtsloses Unternehmen, litt er doch häufig unter den Attacken des afrikanischen Fiebers.

Weshalb, Grixoni zufolge, Bottego als Opfer dieser fixen Idee auch tot sein konnte. Durch diese Behauptung setzte sich nach und nach die Überzeugung durch, Bottego könne irgendwo in Afrika umgekommen und die Expedition gescheitert sein.

Dann, nach weiteren Monaten absoluter Funkstille, die Ankunft eines kurzen Telegramms vom italienischen Konsul beim Sultan von Sansibar an das Außenministerium mit den folgenden, sparsamen Worten: »Bottego telegraphiert aus Brava geglückte Erforschung des Juba stop Wird übermorgen in Sansibar erwartet stop.«

Diesem kurzen Telegramm folgte zwei Tage später ein ausführlicheres, diesmal von Bottego selbst: »Juba von der Quelle bis zur Mündung erforscht stop Alles Material und Vieh verloren stop 35 Mann tot 4 verletzt stop.«

Den Wortlaut dieses Telegramms schickte die Presseagentur Stefani an alle Zeitungen, so dass sämtliche Titelseiten unter Verwendung des eindrucksvollen Namens »Der Löwe vom Juba« über ihn berichteten und das ganze Land, das in Bottegos Erfolg nach dem Scheitern der Ruspoli-Expedition eine enorme Aufwertung Italiens gegenüber den anderen in Afrika vertretenen europäischen Staaten sah, von Begeisterung und Stolz erfüllt war.

Diese Begeisterung teilte auch König Umberto, weshalb er sogar ankündigte, man werde Bottego den Orden für wissenschaftliche und militärische Verdienste in Gold verleihen. Das gab der König vor allem mit der heimlichen Absicht bekannt, Menelik eins auszuwischen, den er bei Hof nach wie vor als Afrikanischen Affen bezeichnete und den er hasste, weil Menelik wegen eines Fehlers in der italienischen Übersetzung aus dem Amharischen den Vertrag von Uccialli abgelehnt und so das italienische Protektorat über Eritrea annulliert hatte.

Was nun Bottego auf dem Schiff anging, das ihn mit dem, was von der Expedition noch übrig war, von Sansibar zurück nach Massaua brachte, so hatte ihn ein unbezwingliches Gefühl der Leere erfasst, seit das Schiff auf seinem Weg an der afrikanischen Küste entlang die Mündung des Juba passiert hatte. Über eine Länge von zwei Kilometern erstreckte sich ein schlammiges Meeresgebiet mit Unmengen von Treibgut, mitgeführt vom Fluss auf seinem unaufhaltsamen Weg durch Gebirge, Wälder und die Dörfer der Einheimischen. Halb versunkene Äste und Baumstämme, dümpelndes Strauchwerk und Abfälle aller Art, die die Uferbewohner ins Wasser geworfen hatten. Kaputte Strohkörbe, dunkle, zerrissene Flusspferdhäute, Teile von maroden hölzernen Landwirtschaftsgeräten. Das war nun das Ende seines geliebten Juba.

Bei diesem trostlosen Anblick hatte auch er sich wie ein Stück Treibgut des Flusses gefühlt, und ihn überkam diese unbezwingliche Leere.

Als er in Massaua von Bord ging, wurden die Dinge auch nicht besser. Die Trinksprüche und Glückwünsche, mit denen ihn die Offiziere der Kaserne feierten, während sie ihm die Titelseiten der Zeitungen aus Italien zeigten, die von seinem Abenteuer berichteten, verstärkten sein Gefühl der Leere noch, machten ihn gleichgültig gegen alles und weckten den großen Wunsch in ihm, Afrika nicht zu verlassen. Daher blieb er, nachdem Dal Seno und Borchardt nach Italien abgereist waren, zusammen mit Mohamed, den er nach Italien mitnehmen wollte, noch fast einen Monat in der Kaserne von Massaua. Aber während er seine Rückkehr in die Heimat Schiff um Schiff verschob und in aufwühlenden Nächten im Halbschlaf glaubte, noch immer das Rauschen des Juba zu hören, erschien ihm die Kaserne morgens stets wie ein unwillkommener, zu enger Hafen.

So weit Bottego in Massaua. In sich selbst zurückgezogen wie ein wildes Tier, das man gefangen und in einen Käfig gesteckt hatte. Ihm wurde alles egal. Auch das telegraphisch vereinbarte Treffen mit General Gandolfi in der Kaserne von Asmara, obwohl dieser zwei Jahre zuvor doch mit ihm zusammen in seinem Zelt den Plan zur Erforschung des Flusses ausgetüftelt hatte.

Mit diesem Gefühl der Leere schiffte er sich einen Monat später, ohne den General getroffen zu haben, zusammen mit Mohamed nach Italien ein. Dessen Anwesenheit in den Mannschaftsquartieren mit seiner herausragenden Bedeutung für die Expedition gerechtfertigt wurde und den Bottego als ein Stückchen Afrika betrachtete, das er nach San Lazzaro hinüberretten und für weitere Expeditionen zur Verfügung haben wollte, weshalb er ihn, den einsamen Wanderer, aus der Wüste geholt hatte. Denn nur diese eine Aussicht hatte ihn am Ende veranlasst, das Schiff nach Italien zu besteigen: so schnell wie möglich eine neue Expedition zu starten.

Nun also er mit Mohamed an Deck des Schiffes, das im Hafen von Neapel angelegt hatte, bestürmt von einer begeisterten Menge und von den Fotografen, die alle nur auf ihn warteten, den Löwen vom Juba. Die Begeisterung wurde durch die Anwesenheit Mohameds im weißen arabischen Gewand neben ihm noch zusätzlich angefacht.

Ganz und gar nicht erfreut über Mohamed an Bottegos Seite war König Umberto eine Woche später während der Verleihung des goldenen Ordens im römischen Quirinale. An der Zeremonie nahmen Königin Margherita teil, die in ihrer kolonialistischen Afrikaliebe zu Tränen gerührt war, und Premierminister Rudinì, der in seiner antikolonialistischen Afrikaliebe alles andere als gerührt war, dazu viele Würdenträger des Hofes, Politiker und Ehrengäste wie Doria und der Unterzeichnete als sein Sekretär.

König Umberto war also verärgert über die Anwesenheit Mohameds im Quirinale mit seinem weißen Gewand und dem zur Feier des Tages mit einem Handschuh kaschierten Armstumpf. Als er Bottego den Orden verliehen hatte, was er auf Wunsch der Fotografen mehrfach wiederholen musste, fragte er ihn deshalb, warum er sich denn von einem Abessinier begleiten lasse.

Das beantwortete Bottego, indem er seinen Arm um Mohameds Schulter legte und erläuterte, man habe es nicht mit einem Abessinier, sondern mit einem Araber zu tun, dem er sowohl sein Leben als auch den erfolgreichen Ausgang der Expedition verdanke.

»Aha, ein afrikanisches Maskottchen«, so Umbertos kühler Kommentar, »ich verstehe.«

Was Bottego dazu trieb, entgegen der Hofetikette unaufgefordert das Wort an den König zu richten, um hinzuzufügen, dass die Afrikaner seinen vollen Respekt genössen, da sie es verstünden, ihr Land tapfer zu verteidigen. Sein Verstoß gegen die Etikette löste im ganzen Saal Befremden aus und bescherte Bottego eine höfliche, doch geringschätzige Verabschiedung durch König Umberto.

Dieser Verstoß gegen die Hofetikette, den alle Zeitungen zusammen mit den Fotos von Bottego veröffentlichten, der seinen Arm um Mohameds Schulter gelegt hatte, brachte die dann folgenden, unvorhersehbaren Ereignisse ins Rollen.

Deren erstes ein großes Theater mit vielen Menschen füllte, in dem Bottego einen Vortrag über seine Forschungsreise hielt. Das Interesse und die Neugier der Anwesenden waren enorm. Und während er auf der Bühne saß, mit Doria und Mohamed, der reglos auf seinem Stuhl hockte, verstört durch das auf ihn gerichtete Blitzlichtgewitter der Fotografen, waren im Parkett Politiker und Militärs, viele Geographen, Bottegos Eltern, Sacchi aus San Lazzaro und Delia Montenero aus Florenz versammelt.

Lang und packend war Bottegos Vortrag. Am Ende gab es viel Applaus, nach dessen Abklingen sich aus dem Publikum allerdings eine sarkastische Stimme erhob, die ihn zum allgemeinen Erstaunen fragte, wie er denn beweisen könne, dass er bis zu den Quellen des Juba vorgedrungen sei.

Da hatte das durch den Saal schweifende Scheinwerferlicht auch schon Grixoni eingefangen, der zwischen den Sitzen stand und seine Frage wiederholte. Also welche Beweise gebe es? Etwa die Fotos von drei Wasserfällen, die zu jedem beliebigen Fluss in Afrika gehören könnten? Die folkloristische Ausstellung eines einarmigen Arabers? Wie habe er ihn denn dazu gebracht, zu behaupten, sie hätten die Quellen des Juba gefunden? Habe er ihn bezahlt oder habe er ihn ausgepeitscht, wie er die Männer der Expedition ausgepeitscht hatte? Er habe sich das alles doch nur ausgedacht.

Bottego auf der Bühne schwieg. Und sah ihn nur verächtlich an. Aber gerade sein Schweigen entfachte den Protest der Kolonialismusgegner im Saal. Die, wie übrigens alle, sowohl über seinen an König Umberto gerichteten Satz über die Afrikaner im Bilde waren als auch über seinen Arm um die Schulter dieses Vorzeigearabers.

Also wie sei das nun, wollten die Kolonialismusgegner wissen, peitsche er die Schwarzen aus oder umarme er sie?

Die Reaktion der Kolonialisten folgte auf dem Fuß, die Lage spitzte sich blitzschnell zu. Kolonialisten und Antikolonialisten gerieten sich in die Haare, ohne Bottego die Gelegenheit zu einer Erwiderung zu geben, weshalb er Mohamed am Arm packte, mit ihm aus dem Saal stürzte und einen einsamen, fassungslosen Doria zurückließ.

Unbeschreiblich das Tohuwabohu im Theater. Hitzige Auseinandersetzungen im Saal, Journalisten und Fotografen geteilt in solche, die blieben, um das Geschehen zu verfolgen, und solche, die in die Redaktionen stürzten, um als Erste über den Streit zu berichten. Von Letzteren hatten einige am Theaterausgang Bottegos Eltern ausgemacht, belagerten sie nun, um eine Stellungnahme zu dem, was sich gerade im Saal abspielte, zu ergattern, und wurden sowohl von den Protesten der in Tränen aufgelösten Delia Montenero verjagt als auch von Sacchis athletischem Körperbau.

Die folgenden Tage waren sehr schwer. Die Zeitungen spalteten sich in die Anhänger und die Gegner Bottegos, aber vor allem waren König Umberto und das Parlament außer sich darüber, dass das Land durch diese Affäre an Ansehen in der Welt verlor.

Bottego war mit Mohamed nach San Lazzaro gefahren. Voller Zorn, der ihn vollkommen verstummen ließ, während Mohamed seinem Vater bei der Arbeit auf dem Hof half. Sein Zorn war so unbändig, dass er eines Tages auf einem Jagdausflug mit Sacchi in der Stille der Natur, die sich für den Angriff des Winters wappnete und nur von den Schüssen auf das Wild gestört wurde, aus seiner düsteren Schweigsamkeit auffuhr.

Natürlich habe er bei den Männern der Karawane die Peitsche eingesetzt, platzte er unerwartet heraus. Das sei die einzige Möglichkeit für ihn gewesen, zu verhindern, dass sie in der Wüste, in den Wäldern oder in den Bergen starben oder, schlimmer noch, desertierten. Denn wisse Sacchi überhaupt, was es heiße, eine Expedition anzuführen? Schwieriger als das Kommando über ein Schiff sei das, denn von einem Schiff könne man nicht desertieren. Aber Desertionen aus einer Expedition und die damit verbundenen Viehdiebstähle könnten eine Karawane komplett zugrunde richten. Ja, schlimmer noch als im Krieg sei es auf einer Expedition. Denn man habe es nicht mit einem sichtbaren Feind zu tun, sondern kämpfe allein gegen verborgene Kräfte, die den Einflüssen der Zivilisation feindlich gegenüberstünden. Aber gerade das liebe er so an Afrika. Sein dunkles Herz, das den elementaren Wert des Lebens hochachte. Das Überleben. Jedenfalls werde er dorthin zurückkehren, sobald Grixonis niederträchtige Unterstellungen die Öffentlichkeit nicht mehr erschütterten.

Das waren seine Worte.

»Und ich komme mit«, erklärte Sacchi, gerührt und aufgeregt durch Bottegos unerwarteten Ausbruch aus seinem gewohnten Schweigen, in der Stille der Landschaft, die sich für den Angriff des Winters wappnete. Worte, die für beide dramatische Folgen haben sollten.

Nach einem Intermezzo von zwei Jahren.