Bottego. Tja, Bottego. Schwierig, nicht an ihn und unsere beiden Leben zu denken, die fünf Jahre lang entgegengesetzt und parallel verliefen. Von 1892 bis 1897, wie ich schon am Anfang dieser Geschichte genauestens festgehalten habe.

Und da bin ich nun wieder. An meinem Schreibtisch, nach drei Wochen in einem Krankenhauszimmer, dessen Beschreibung ich mir spare, weil solche Zimmer alle gleich sind. Weiß, mit sauberem Bettzeug, darin ich, rundum gehegt und gepflegt, wie man so sagt. Neben meinem Bett hing an einem Gestell eine Flasche, aus der durch einen dünnen Gummischlauch eine Flüssigkeit für mein Herz tropfte. Denn trotz meiner eifrigen Spaziergänge zwischen Schreibtisch und Gartenmauer hat mir das Leben, so formulierten es die Ärzte, die Quittung für meine Bewegungsarmut präsentiert.

Nun zeigt die Gartenmauer kurze, flüchtige und mit jedem Tag lichtärmere Bilder, die ich vom Fenster meines Arbeitszimmers aus betrachte, mit dem Rücken zu Bottegos Foto über dem Bücherschrank. Ich werde auf eine kleine Leiter klettern, dieses Foto mit der unwillkürlichen, demütigenden Vorsicht von der Wand nehmen, wie sie den Bewegungen alter Menschen eigen ist, und es, zusammen mit Bottegos Tagebüchern, der Geographischen Gesellschaft zurückgeben. Sie wird beides mit dem Fiat abholen lassen, der vor einigen Jahren die alte Pferdekutsche aus Bottegos Zeiten abgelöst hat. In die Tagebücher kann ich dann natürlich keinen Blick mehr werfen. Doch mir genügen die kurzen, eindringlichen, wenn auch mit jedem Tag lichtärmeren Bilder, die die Gartenmauer aussendet, um mich an das zu erinnern, was erinnernswert ist.

Bilder, so vielgestaltig und unvorhersehbar, als wäre Bottego es mit seiner Hartnäckigkeit, der sie an der Gartenmauer befehligt. Und was ich sehe, ist schnell erzählt. Angefangen bei seiner Ankunft in Uniform in der Geographischen Gesellschaft mit sowohl den Plänen zur Erforschung des Juba in seiner Ledermappe als auch mit den Briefen von General Gandolfi, Scarfoglio und der Serao, und dazu ich, dreißig Jahre alt wie er, und dazu bestimmt, der heimliche Beobachter seines Lebens zu werden, das so wild war wie die Flüsse, die er erforschte.

Und da sind noch andere, immer häufiger wiederkehrende Bilder dieser Geschichte. Etwa die großen Eisberge am Himmel über Rom vor der Expedition zum Omo, von der Bottego nicht wiederkehren sollte. Weil er auf dem Daga Roba umkam. Und noch einmal die mir übertragene Entscheidung über sein Schicksal vor seinem Aufbruch zum Juba, als er mich zwischen Kopf und Zahl der Münze wählen ließ, die er in seinem Büro in der Geographischen Gesellschaft in der Hand hielt. Und noch einmal sein Armdrücken mit Sacchi. Und Sacchi, der es gewann und dessen Leben in einem nie genau bestimmten Winkel Afrikas ein Ende fand. Und noch einmal Bottegos zwei Frauen, Batula und Delia Montenero. Die eine auf dem Daga Roba bei dem Versuch ums Leben gekommen, ihn vor den Gewehrschüssen der Schoas zu schützen, indem sie sich auf ihn warf; und die andere ihr einsames Leben in Afrika beschließend, mit Grixoni und ohne das Elfenbeinarmband, das sie in Port Said gekauft und im Hafen von Massaua ins Meer geworfen hatte. Und schließlich auf der Gartenmauer noch einmal meine abenteuerliche und unnütze Reise nach Addis Abeba. Die Delia Montenero dazu brachte, mit Grixoni in Afrika zu leben. Beide zerstört, weil sie Bottegos Wege gekreuzt hatten und von ihm mitgerissen worden waren. Und dann …

Nichts mehr. Nur noch meine Gedanken an ihn und die Frage, ob er wohl kurz vor seinem Tod den Atlantik gesehen hat, den er nicht mehr erreichte, weil er auf dem Daga Roba getötet wurde und — nach fünf Expeditionen in die Danakil-Wüste, zum Juba und zum Omo — mit siebenunddreißig Jahren zur Erforschung jener weiten, unbekannten Welt aufgebrochen ist, aus der kein Mensch je zurückkehrt … Und das Ganze in diesem zwanzigsten Jahrhundert, das mit seinen Neuerungen, mit seinen Mussolinis und seinen Hitlers an der Macht, mit seinen Frauen, die sich die Haare kurz schneiden und sich aufreizend kleiden, und mit seinen Automobilen anstelle der Pferdekutschen jede Vergangenheit auslöscht. Das alles zeigen die mit jedem Tag lichtärmeren Bilder an der Gartenmauer. Und bestätigen eine verflucht simple Tatsache.

Es wird Nacht.