Der Unterricht beginnt

„Ihr seid zu spät!“ Olav, ihr Lehrer, schaut Mika und Edda streng an.

„Daran sind wir unschuldig, das ist nur wegen …“, sagt Mika, ehe Edda ihm auf den Fuß treten kann.

„Aber Mika, es gibt doch keinen Regen!“, erwidert ihr Lehrer und schaut prüfend in den Himmel. „Und jetzt lasst uns endlich anfangen, denn heute bringe ich euch alles bei, was ihr über Eier wissen müsst!“

„Eier!“, rufen seine Schüler enttäuscht. Sie hatten gehofft, dass sie heute Kämpfen lernen. Oder zumindest Runen entziffern. Aber nicht so etwas Langweiliges wie Eier!

„Eier sind wichtig für die Ernährung und das Beste ist, man muss sie nicht anpflanzen oder jagen. Man braucht sie einfach nur aufzusammeln“, erklärt Olav.

Den ganzen Vormittag lernen die Kinder, die verschiedenen Eier voneinander zu unterscheiden: Hühnereier von Möweneiern, Papageitauchereier von Trottellummeneiern.

Das ist so schrecklich langweilig, dass Hardy in seinem Korb schon nach wenigen Minuten einschläft. Schon bald ertönt ein lautes Schnarchen unter der Decke. Mika tut so, als wenn er Schnupfen hätte. Er niest ständig, damit niemand das schnarchende Wildschwein hört. Aber keiner achtet auf das seltsame Geräusch, denn auch die Kinder können nur mit Mühe ihr Gähnen unterdrücken und Olav hört sowieso nichts.

Als Hardy nach einer Ewigkeit wieder aufwacht, ist ihr Lehrer immer noch dabei, seinen Schülern die Unterschiede zwischen den vielen Vogeleiern zu erklären. Hardy stirbt in seinem Korb fast vor Langeweile. Er hatte sich die Schule viel spannender vorgestellt. Vor allem aber wartet er auf das Essen, von dem Mika und Edda gesprochen haben.

„Essen wir die Eier jetzt endlich?“, grunzt Hardy in seinem Korb.

„Sei still!“, zischt Mika zurück. „Sonst bist du es, der hier gleich gegessen wird.“

„Pah!“, erwidert Hardy. „Vorher verzaubere ich euren Lehrer in eine Flunder!“

Das hat Olav dann doch gehört. Aber wieder falsch verstanden.

„Das stimmt, Mika!“, sagt ihr Lehrer, denn er glaubt, dass Mika gesprochen hat. „Es ist ein großes Wunder, dass es so viele verschiedene Sorten Vogeleier gibt. Und das ist auch eure Hausaufgabe: Wer mir heute Nachmittag das größte Ei bringt, erhält von mir eine Überraschung!“

Die Wikingerkinder sind alle ganz aufgeregt. Jeder von ihnen möchte gerne die versprochene Überraschung gewinnen. Olav war sein ganzes langes Leben auf Beutefahrt. Seine Hütte ist zwar ziemlich unaufgeräumt, dafür aber voller Schätze und Andenken an seine vielen Reisen.

„Die Überraschung kriege ich“, ruft Ulf. „Mein Vater hat mir von einer seiner Fahrten ein Straußenei mitgebracht. Das ist riesig!“

Ulf breitet die Arme ganz weit aus, um zu zeigen, wie groß sein Ei ist.

„So ein Angeber!“, grunzt Hardy so laut, dass es alle verstanden haben. Alle außer Olav.

„Was hast du gesagt?“ Ulf springt auf und stellt sich vor Mika.

So nah, dass sich ihre Nasenspitzen fast berühren. Ulf ist wütend, weil er glaubt, dass es Mika war, der ihn einen Angeber genannt hat.

„Er hat gar nichts gesagt!“ Edda drängelt sich zwischen die beiden Wikingerjungen.

„Stimmt, aber wahr ist es trotzdem!“, sagt Mika.

„Mika! Lass das sein!“, zischt Edda ihrem Freund zu.

„Er ist ein Angeber und ein Aufschneider und ein Großmaul!“, ruft Hardy aus seinem Versteck.

Ulf ist kurz davor, sich mit Mika zu prügeln.

Vor lauter Wut hat er gar nicht bemerkt, dass es gar nicht Mika war, der da gerufen hat.

„Aufhören! Sofort aufhören!“, ruft Olav und zieht den beiden Jungen die Ohren lang. „In meinem Unterricht wird nicht gestritten.“

„Aber er hat angefangen!“, schreien Mika und Ulf gleichzeitig.

„Zangen? Es ist mir egal, wer von euch Zangen hat. Ich will, dass ihr euch wieder vertragt“, sagt Olav.

„Nie!“, rufen Mika und Ulf erneut wie aus einem Mund.

„Wie?! Indem ihr euch die Hand gebt. Wie denn sonst?“

Mika und Ulf funkeln sich wütend an und schütteln ihre Köpfe.

„Derjenige von euch beiden, der mir heute Nachmittag das kleinere Vogelei bringt, muss dem anderen als Erster die Hand zur Versöhnung reichen“, erklärt Olav und schaut nach der Sonne, um zu sehen, wie spät es ist. „Und jetzt macht euch endlich auf die Suche, so viel Zeit habt ihr nicht mehr!“

Damit ist der Unterricht für den Vormittag beendet. Olav geht zu seiner Hütte, weil es Zeit für seinen Mittagsschlaf ist. Die anderen Schüler laufen in alle Richtungen davon, um Vogeleier zu suchen. Nur Ulf hat es überhaupt nicht eilig. Er schlendert gemütlich nach Hause, um sein Straußenei zu holen. Der Sohn des Dorfobersten ist sich ganz sicher, dass er den Wettbewerb damit gewinnen wird.

Mika und Edda sind die Einzigen, die auf der Wiese zurückbleiben. Sie warten, bis alle fort sind. Dann zieht Mika die Decke von dem Korb, damit sie sich in Ruhe mit Hardy beraten können.

„Wir könnten an der Steilküste suchen. Da brüten ganz viele Vögel in ihren Nestern“, schlägt Edda vor.

„Aber die haben da doch alle nur ganz winzige Eier. Wir brauchen eines, das riesig ist“, erwidert Mika. „Hardy, kannst du uns nicht so eines zaubern?!“

„Könnte schon, aber ich will nicht. Das wäre genauso langweilig wie eure Schule“, erwidert Hardy und gähnt wieder. „Aber ich weiß, wo es gewaltig große Vogeleier gibt.“

„Wo denn?“, fragt Edda.

„Und wie kommen wir da hin?“, fragt Mika.

„Mit unserem Drachenboot ist die Reise ein Kinderspiel“, erwidert Hardy. „Alles, was wir brauchen, ist ausreichend Proviant. Wir treffen uns gleich am Strand und vergesst bloß die Käsebrote nicht!“