Abenteuer auf der Dracheninsel

„Und? Wo sind jetzt diese riesigen, unglaublich großen Vogeleier?“, fragt Mika. Bis jetzt hat er auf der Insel noch nicht ein einziges Ei und noch nicht einmal einen Vogel gesehen.

„Die sind hier überall versteckt“, erklärt Hardy. „Das ist ein bisschen wie Ostern. Ihr müsst sie nur suchen!“

„Wir?“, fragt Edda. „Und was ist mit dir?“

„Ich kann mich doch unmöglich um alles kümmern! Ich habe euch doch schon hierhergeführt“, erwidert Hardy. „Aber falls ihr etwas zu essen findet, sagt mir Bescheid und rührt nichts an, ehe ich bei euch bin, um euch zu helfen.“

Während sich Mika und Edda in der Gegend umsehen, macht Hardy in seinem Korb erst einmal ein Nickerchen.

„Er ist so unfassbar faul“, schimpft Mika, als er mit seiner Freundin unter Blättern und Sträuchern nach Vogeleiern sucht. „Ich kenne kein Wildschwein, das fauler ist als er.“

„Wie viele Wildschweine kennst du denn außer ihm?“, fragt Edda.

„Keines“, gibt Mika zu. „Aber er könnte uns ruhig ein bisschen helfen!“

„Solange er schläft, schreit er wenigstens nicht nach Käsebroten“, erwidert Edda. „Und jetzt lass uns weitersuchen, damit wir schnell wieder hier wegkommen. Diese Insel gefällt mir nicht!“

Die beiden kleinen Wikinger durchkämmen die halbe Insel. Aber es scheint fast so, als wären sie und Hardy die einzigen Lebewesen weit und breit. Sie schauen unter jeden Busch und jeden Stein, doch Eier finden sie keine.

Noch nicht einmal ganz winzige, geschweige denn die unglaublich großen, die Hardy ihnen versprochen hat. Mika klettert sogar auf die Bäume, aber selbst dort sind keine Nester. Vögel können sie auch nirgendwo entdecken, nicht am Boden und am Himmel auch nicht. Ab und zu ist ein fürchterliches Brüllen zu hören, das von weit her kommt. Wer oder was auch immer da brüllt, muss auf der anderen Seite des Berges leben. Nachdem sie noch eine ganze Weile weitergesucht haben, geben Mika und Edda enttäuscht auf und laufen zurück zu Hardy, der immer noch in seinem Korb vor sich hin schnarcht.

„Aufwachen!“, ruft Mika sauer und rüttelt Hardy an der Schulter. „Wach schon auf!“

„Was ist denn los?“, grunzt Hardy verschlafen. „Habt ihr etwas zu essen gefunden?“

„Nein“, antwortet Edda. „Wir haben überhaupt nichts gefunden. Hier gibt es gar keine Vögel und deswegen gibt es auch keine Eier.“

„Habt ihr auch überall gesucht?“, fragt das Wildschwein.

„Wir haben jedes Blatt auf dieser Seite der Insel umgedreht“, sagt Mika. „Hier ist nichts.“

Hardy lacht. Noch lauter als vorhin auf dem Schiff.

„So findet ihr sie natürlich nie!“, kichert Hardy. „Die Eier sind in der Erde verbuddelt! Der Boden hier ist so warm, da braucht man sie nicht auszubrüten. Die werden hier einfach vergraben, den Rest erledigt der heiße Sand.“ Hardy schaut die beiden Wikinger an und schüttelt mitleidig den Kopf. „Euch muss man auch wirklich alles erklären!“

Er springt aus dem Korb und beginnt mit seinen Hufen ein wenig in der Erde zu scharren. Weil sie im Schatten der Bäume sind, ist der schwarze Sand hier nicht ganz so heiß wie am Strand. Warm ist er trotzdem. Das Wildschwein braucht gar nicht tief zu graben, da stößt es auch schon auf das erste Ei.

Es ist wirklich unglaublich groß, genau wie Hardy gesagt hat, und es schillert in allen Farben des Regenbogens.

„Wow, ist das riesig!“, staunt Mika.

„Und so schön!“, schwärmt Edda.

Mika gräbt noch ein bisschen weiter und stößt gleich auf das nächste Ei und daneben ist noch eins und noch eins und noch eins.

„Hier sind ganz, ganz viele“, ruft Mika und buddelt aufgeregt weiter.

„Mika! Lass das sein!“, sagt Edda. „Wir brauchen doch nur ein einziges!“

„Wenn wir zwei mitnehmen, könnten wir aus einem davon unterwegs ein Riesen-Omelett braten“, bemerkt Hardy, dem das Wasser bei dem Gedanken daran im Mund zusammenläuft.

„Untersteh dich!“, schimpft Edda. „Die sind viel zu schön, um sie zu essen. Wir nehmen uns nur …“

„Hast du das auch gehört?“, unterbricht Mika seine Freundin. „Da war wieder so ein Brüllen. Aber diesmal ganz nah!“

Mika, Hardy und Edda lauschen und richtig, jetzt hören die anderen es auch. Zwischen den Bäumen ertönt ein grausiges Brüllen, das schnell, sehr schnell näher kommt.

„Was ist das?“, fragt Edda.

„Wahrscheinlich die Mama von dem Kleinen da.“ Hardy deutet auf das Ei und springt schnell zurück in den Korb. „Schnell weg hier!“

„Du läufst!“, kommandiert Mika. „Den Korb brauchen wir für das Ei!“

„Und wie soll ich über den Strand kommen, ohne Brandblasen an den Hufen?“, fragt Hardy empört.

„Lass dir was einfallen und jetzt raus da“, drängelt Edda.

Beleidigt klettert Hardy aus dem Korb und klopft mit seinem Vorderhuf an einen Baum. Er will sich Schuhe zaubern, aber das klappt nicht so recht. Statt zwei Paar robuster Wanderstiefel hat er plötzlich vier rosafarbene Pantöffelchen mit Glitzersteinen an seinen vier Hufen.

„So kann ich mich unmöglich sehen lassen“, ruft Hardy verzweifelt. „Ich muss mir zwei neue Paar Schuhe zaubern.“

„Keine Zeit! Wir müssen los!“, schreit Mika, weil das Brüllen jetzt schon ganz, ganz nahe ist. Er und Edda schnappen sich den Korb mit dem Ei und rennen zwischen den Bäumen zum Strand, wo sie ihr Schiff zurückgelassen haben. Hardy stolpert in seinen Pantöffelchen hinter ihnen her und schreit: „Wartet auf mich! Ich kann in diesen blöden Schuhen nicht so schnell!“

Als sie den Korb an Bord hieven, ruft Mika plötzlich: „Guckt mal da vorne!“

Vor Schreck rutscht ihm das Ei aus der Hand. Doch zum Glück kann Edda es festhalten. Weil sie in der Werkstatt ihres Vaters so viel mit Holz bastelt, sind ihre Finger immer ganz klebrig vom Harz. Da rutscht ihr das Ei nicht weg.

Erst jetzt schaut sie sich um. Zwischen den Bäumen steht ein Drache. Er sieht schrecklich wütend aus und spuckt Feuer in ihre Richtung. Zum Glück sind sie noch zu weit weg, sodass sein Feuerstrahl sie nicht erreichen kann. Mit einem Riesensatz springt Hardy an Bord und Mika und Edda rudern los. So schnell, wie noch nie in ihrem Leben.

„Mach doch was, Hardy!“, brüllt Mika, weil die Funken des Drachenfeuers immer näher kommen.

Aber Hardy ist noch damit beschäftigt, seine peinlichen Schuhe auszuziehen. Erst als er sie alle vier abgestreift und über Bord geworfen hat, rennt er zum Mast ihres Bootes und klopft gegen das Holz. Kurz darauf ist auch der Wirbelwind wieder da, der sie in die Höhe hebt.

„Hoffentlich kann der Drache nicht fliegen“, ruft Mika und schaut über die Reling.

Anscheinend kann er es nicht, denn der Drache bleibt unter ihnen zurück und schickt ihnen nur sein markerschütterndes Gebrüll und ein paar züngelnde Feuerflammen hinterher.