Prolog

»Lasst uns anstoßen.« Andreas Förstner erhob sein Glas und prostete seinen Gästen zu, die es ihm gleichtaten. Die Gesichter seiner Angestellten, Freunde, Bekannten und Kollegen aus der Stadt blickten ihm entgegen. Sie waren alle gekommen, um seinen Erfolg mitzuerleben. »Wir können stolz auf uns sein. Durch meine Unterstützung konnte die Goldthaler Bank zur Bank des Jahres gewählt werden. Das wollen wir feiern. Seid meine Gäste und habt eine gute Zeit.«

Mit einem selbstzufriedenen Grinsen nickte er der Menge zu. Sein Blick suchte seine Frau, die in der Masse von Menschen unterging, anstatt in der ersten Reihe zu stehen und ihm zu applaudieren.

Der alte Winter war ebenfalls erschienen. Mein Gott, wie er diesen Kauz hasste. Sein einziger Lichtblick war der Anblick von Svenja, die ihm mit ihrem süßen Schmollmund zulächelte. Verdammt, war sie sexy!

»Andreas, wir müssen reden.« Schumacher, schon wieder. Wie ein nerviges Insekt kreiste er den ganzen Tag um ihn.

»Nicht jetzt, du siehst doch, ich habe zu tun.«

Schumacher rang nach Worten. »Ich … ich bin dein Stellvertreter und verlange … ja, ich verlange, gehört zu werden.«

Förstner hob eine Augenbraue. »So mutig heute?«

Schumacher schluckte und setzte zu einer Antwort an, wurde aber unterbrochen.

»Jaja, wir sprechen später.« Förstner scheuchte ihn mit einer Handbewegung weg und konzentrierte sich auf die Presse, die nur wenige Meter entfernt stand.

Mit einem Handzeichen gab er der Reporterin zu verstehen, dass sie näher kommen sollte. »Ich wäre so weit, wir können beginnen.« Förstner hatte sich neben einem Stehtisch positioniert, auf dem sich sein heiß geliebter Preis für die Bank befand.

»Am besten fotografieren Sie mich von links, das ist meine Schokoladenseite.« Er gab ein kurzes Lachen von sich und setzte ein gewinnendes Lächeln auf. Die Reporterin hatte ihre Kamera gezückt und begann Bilder von Förstner und dem Preis, den er wie ein Baby im Arm hielt, zu knipsen.

»Phantastisch.« Entzückt strahlte die Reporterin ihn an und hielt abrupt mit dem Fotografieren inne.

Förstner folgte ihrem Blick, der zur Eingangstür führte, und traute seinen Augen nicht. Nikolaus, einer seiner Kunden, kam mit einer Bierflasche bewaffnet schwankend durch die Eingangstür. Dieser Nichtsnutz würde seine Veranstaltung sprengen.

»Du bleedr Segl! Wie kosch du überhaupt no schlofa! Na warte, dir zoig i gloi, wo dr Bartl d’ Moschd hold!«

Nikolaus schwenkte aufgebracht seine Bierflasche. Die umstehenden Menschen hatten ihre Gespräche unterbrochen und starrten in Richtung Eingang. Förstner biss die Zähne zusammen und machte eine Faust. Warum stoppte niemand diesen Idioten?

»Heilig’s Blechle, Wilfried!« Quiekend kam seine Frau herbeigerannt und blieb neben ihm stehen. »Wilfried, was tust du da?«

»Dr elendige Mischtkärl had unser Haus eikassiert. Mir send heimadlos. Hörsch, Bärbel? Heimadlos!« Anklagend richtete Nikolaus seinen Finger auf Förstner.

Förstner versuchte sich an einem Lächeln. Das Getuschel ignorierte er. »Das ist weder der richtige Ort noch Zeitpunkt für solche Gespräche, Herr Nikolaus. Sie sollten erst einmal nüchtern werden.«

»Rudsch mir doch dr Buggl nondr, du Grasdaggl, du verreggdr!« Nikolaus nahm einen Schluck aus seiner Flasche.

Förstner kannte diese Reaktion von Nikolaus bereits und hatte weiß Gott andere Sorgen. Was sollten nur die Leute über ihn denken? Er zuckte kurz mit den Schultern, als würde ihn das ganze Thema nichts angehen, schließlich war dieser Idiot selbst schuld. »Wer seine Raten nicht zahlen kann, muss eben dafür bezahlen. Das sind die Spielregeln, ganz einfach. Auf Wiedersehen, Sie sehen ja, wir haben eine geschlossene Gesellschaft.« Er deutete auf die Menschenmenge.

»Lass uns nach Hause gehen.« Liebevoll, als hätte sie ein bockiges Kind im Arm und nicht einen betrunkenen Mann, schob Frau Nikolaus ihren Mann zum Ausgang. Ohne Protest ließ er sich zur Tür bugsieren und wirkte wie ein geprügelter Hund, der den Tränen nahe war.

»I mach di kalt!«, schrie Wilfried Nikolaus. Er schwang die leere Flasche bedrohlich um sich, als wollte er seiner Drohung Taten folgen lassen.