Als ich eine Dreiviertelstunde später zusammen mit den Hunden vom Strand zurück zu meinem Wohnwagen komme, herrscht schon sehr viel regeres Treiben auf dem Gelände.

Vor meinem Camper sitzt die Haas am Tisch und frühstückt. Sie hat Stuutjes mitgebracht und Croissants, kann ich schon von weitem sehen. Daneben steht eine große Platte mit Wurst, Käse und Räucherfisch.

„Moin“, sag ich, während der Zorro, der Nero und der Coco zu ihr rennen, um sie zu begrüßen – und sich dabei die Leckerlis abzuholen, die die Haas auch für sie mitgebracht hat.

„Moin“, grüßt sie zurück. Wie sie mal wieder aussieht, wie aus dem Ei gepellt zu dieser frühen Stunde. Unglaublich! Wie das blühende Leben. Aber ihr Lächeln ist ein wenig angestrengt.

„Sie haben Neuigkeiten?“, frag ich.

Sie nickt. „Thurid hat mal wieder die Nacht durchgearbeitet.“

Ich setze mich ihr gegenüber an den Tisch und schenke mir aus der Kanne einen zweiten Kaffee ein. „Und? Was hat sie herausgefunden?“

„Magda Schröter – oder vielmehr inzwischen Magda Mühlenhof – lebt mit ihrem Mann Oskar auch heute noch in Neubrandenburg, wohin sie damals zusammen durchgebrannt sind. Sie hat drei Kinder, sieben Enkel und erfreut sich mit ihren einundsiebzig Jahren bester Gesundheit.“

Ich breche mir eines der Stuutjes auf und lege ein Stück geräucherten Rotbarsch drauf und eine Scheibe Butterkäse.

Die Haas fährt fort:

„Nele Kraankvogel ist vor dreißig Jahren aus Moskau zurückgekommen und vor zwölf Jahren in Dortmund gestorben.“

„Also ist es Imke…“

Die Haas nickt und sagt:

„Thurid hat auch sie recherchiert. Und nichts gefunden. In dem fraglichen Zeitraum gab es in keinem der Krankenhäuser in Hamburg eine Imke Kalweit – und auch im Geburtenregister keinen Eintrag zu ihrer Entbindung.

Thurid hat sie auch auf keiner Passagierliste der Schiffe nach Amerika gefunden, die in der Zeit zwischen ihrem ersten und ihrem zweiten Brief von Hamburg in die Vereinigten Staaten ausgelaufen sind.

Und die amerikanische Einwanderungsbehörde hat auch keinen Eintrag zu ihr.“

„Also sind die Briefe – wie Sie ja schon vermutet haben – gefälscht.“

Die Haas nickt ein zweites Mal. „Thurid ist in Sachen der Unterschriften der selben Meinung wie ich: Sie sind alle vier dermaßen identisch, dass davon auszugehen ist, dass jemand sie akribisch nachgemacht hat.

Ziemlich sicher ihr Mörder – um die Tat zu vertuschen und die Polizei damals dazu zu bringen, die Suche nach ihr einzustellen.“

„Aber die Poststempel…“

„Sind wirklich aus Hamburg und aus den Staaten“, antwortet die Haas. „Da hat sich jemand richtig viel Mühe gegeben.“

Ich lege das Brötchen wieder beiseite, ohne hineingebissen zu haben. „Was ist mit dem Baby? Ist es noch in…“

Die Haas schüttelt eilig mit dem Kopf. „Ich habe mit Frau Doktor Splanemann gesprochen. Es gab im Uterus der Leiche kein Ungeborenes. Das hätte sie schon beim ersten Röntgen entdeckt. Aber es gibt Anzeichen für eine Schwangerschaft.“

„Also hat sie noch vor ihrem Tod entbunden“, denke ich laut. Wenigstens ein bisschen erleichtert.

„Was die Frage aufwirft, wo das Kind jetzt ist“, sagt die Haas.

Ich nicke zustimmend. „Aber unsere Hauptfrage muss bleiben: Wer hat die Imke ermordet?“

 

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