33. Kapitel
Das war wirklich ein Anfang. Von was ganz Großartigem. Malte und ich, das ist einfach super. Das passt zusammen. Wie nasse Katze und warmer Ofen. Wie Donald Duck und Daisy Duck. Wie Grillhähnchen und kühle Cola. Nee, im Ernst. Das ist Kitschalarm hoch hundertzehn. Malte hat so viele durchgeknallte Interessen und dabei noch viel Spielraum für all meine durchgeknallten Interessen, dass es uns zusammen nicht langweilig wird. Selbst wenn wir mal gerade nicht knutschen oder Händchen halten und so weiter, was allerdings, vor allem am Anfang, nur selten vorkam …
Entsprechend war Pias Kommentar dazu nur »Kitschalarm hoch hundertzehn«. Auweia, Pia hatte es nun echt nicht leicht. Denn sie musste sich nun angucken, wie ich ständig mit Malte rumhing und ansonsten mit vor Happiness verblödetem Gesicht herumlief. Während sie erst mal keinen Freund hatte. Und ich hatte wegen Malte auch viel weniger Zeit für sie. Obwohl ich versuchte, da bewusst gegenzusteuern, denn wenn eine weiß, was die beste Freundin wert ist, dann ich.
Also Pia trug das alles mit Fassung. Und sie latschte sogar mit einer Engelsgeduld mit mir von Optiker zu Optiker, bis ich endlich das ideale neue Brillengestell gefunden hatte: stabil genug für meine starken Gläser, aber trotzdem schön. Malte hockte unterdessen zu Hause und schmollte ein bisschen, weil er gern mitgekommen wäre zum Brilleaussuchen. Aber nö. So was ist Frauensache.
Thema Frauensache. Meine Mutter und ich verstehen uns besser. Klar fliegen zwischendurch mal die Fetzen, aber eben nicht mehr jeden Tag. Sie macht auch Fortschritte im Kampf gegen ihren Schönheitswahn und war letztens das erste Mal in Gummistiefeln beim Einkaufen. Sie, die sonst nur in superschicken Pumps oder allerhöchstens in den neuesten Designer-Joggingschuhen das Haus verlässt. Was ihren Mut beflügelt hat, war der sintflutartige Regen, der die ganze Stadt tagelang knöcheltief unter Wasser gesetzt hatte, aber ich war trotzdem sehr stolz auf sie. Die Gummistiefel waren übrigens meine, aber sie erwägt, sich jetzt selbst ein Paar zuzulegen. Seit Tagen recherchiert sie im Internet unter den Suchwörtern »Gummistiefel« und »trendy« … Ganz kann sie’s dann doch nicht lassen.
Die nächste Herausforderung, die meine Beziehung zu Malte bestehen musste, war dann quasi beruflicher Natur. Denn zu Beginn des neuen Schuljahres wurde ich stellvertretende Klassensprecherin! Anstelle von Malte, der das ja bisher gewesen war. Das war eine verdammt heikle Situation. Malte freute sich für mich. Theoretisch. Aber ganz klar: Er war auch neidisch und angepisst. Ich war schon drauf und dran, das Amt wieder abzugeben, damit die dicke Luft zwischen uns weggeht, aber Pia machte mir klar, dass das Schwachsinn wäre. Erstens muss man den Wählerwillen respektieren und die Wähler wollten mich und nicht Malte, zweitens hatte ich super Lust darauf, zweite Klassensprecherin und damit Mitglied der SV zu sein, und drittens kann man sich als moderne Frau ja nicht in seinem Ehrgeiz bremsen lassen, nur weil der Freund schmollt! Als ich ihm das freundlich, aber klar gesagt hatte, schmollte er auch nicht mehr allzu lange.
Erste Klassensprecherin wurde übrigens Pia und so sind Pia und ich nun beide in der SV, wodurch wir wieder eine wunderbare Gemeinsamkeit haben. Wir sind da ein Spitzenteam. Dominik macht in der SV übrigens kaum den Mund auf und entpuppt sich generell als ziemlicher Schnarchsack. Wie der auf die Tour Mittelstufensprecher geworden ist, bleibt mir ein Rätsel. Im Ernst, ich frage mich immer wieder, was ich eigentlich in ihm gesehen habe. Ach ja … Es war einfach jugendliche Verblendung! Amors Pfeil hatte mich aus Versehen nicht ins Herz, sondern in die linke Arschbacke getroffen. Immerhin, Dominik ist als Mittelstufensprecher zwar schnarchig, aber er tut, was man ihm sagt. Und ich habe geackert, gekämpft und den Direktor genervt, bis wir an unserer Schule wirklich und wahrhaftig und noch vor den Herbstferien einen - jetzt bitte lauten Trommelwirbel - neuen und viel größeren Fahrradschuppen bekamen! Ich habe wirklich erreicht, dass da Gelder umgewidmet wurden! Statt Beeten mit Knallerbsen gibt es jetzt den Fahrradschuppen. Und die herrenlosen Fahrräder kamen rigoros auf den Schrottplatz. Bis auf die, die so alt waren, dass Malte sich daranmachte, sie zu restaurieren. Das macht er unglaublich gut. Ich fahre jetzt ein königliches, weißes Hollandrad, Baujahr 1964. Die anderen antiken Fahrräder verkauft Malte mit beachtlichem Erfolg im Antiquitätenladen meines Vaters.
Und außerdem gibt es in dem neuen Fahrradschuppen auf unserem Schulhof eine sehr lauschige Ecke, wo ich mich in den Pausen oft mit Malte treffe, um …
… na, das kann man sich ja jetzt denken!