Es war, als wäre ein Schalter umgelegt worden. Mrs. Foley hörte auf zu sprechen. Die Schleusentore waren geschlossen, und der Strom der Worte versiegt. Sie brachte weiterhin die Tabletts, Edward ward nicht mehr gesehen, aber sie tat es schweigend. Keine Platituden, keine Wetterberichte, keine abgeschmackten Beruhigungsversuche, sie blieb ausdruckslos und schmallippig. Zunächst entmutigte das Patricia, aber dann wurde sie stärker und wollte Antworten und begriff, dass sie diese nicht von einer Frau bekommen würde, die sich weigerte zu sprechen.

«Ich muss zu Hause anrufen.»

«Wo sind meine Kleider?»

«Wann kann ich gehen?»

Die Wahrheit war, dass Patricia noch immer sehr schwach war. Nachdem sie aufgehört hatte, den Tee zu trinken, betrachtete sie alles auf den Tabletts mit Argwohn. Sie ließ Suppen und Eintöpfe unberührt stehen. Sie knabberte am Brot und bildete sich ein, dass die Butter eigenartig schmeckte. Je weniger sie aß, desto kleiner wurde ihr Appetit. Zwar stand sie gelegentlich auf, aber ihre Schritte waren langsam und unsicher. Bei jeder plötzlichen Bewegung wurde ihr schwindelig. Im Schrank fand

Die Stirn gegen die kalte Scheibe gepresst, träumte sie von ihrer Flucht. Wie sie aus ihrem Fenster auf die Veranda darunter springen würde und dann auf den Boden. Wie sie Mrs. Foley überwältigen und dann die Treppe hinunterstürzen würde, um das Haus durch die Küche zu verlassen. Natürlich würden diese Pläne nie in die Tat umgesetzt werden. Sie wusste, dass sie nicht stark genug war, und falls doch, wie weit würde sie in eine Decke gewickelt und mit bloßen Füßen kommen? Der Pub war zu weit entfernt, und sie kannte den Weg ins Dorf nicht. Sie erinnerte sich daran, wie Edward gesagt hatte, die Foleys hätten die Burg an dieser Stelle erbaut, weil sie so schwer zu erreichen war. Es war schwer hinzukommen und ebenso schwer, wieder wegzukommen. Sie erging sich in Tagträumen über Buncarragh und was sich dort abspielte. Was dachten die Leute, wo sie geblieben war? Kümmerte es überhaupt irgendjemanden, oder waren die Leute so mit ihrem eigenen Leben beschäftigt, dass sie es noch nicht einmal wirklich bemerkt hatten? Seltsamerweise weinte sie nur, wenn sie an Convent Hill dachte. Sie schluchzte, stellte sich die leeren Zimmer vor, die ungegossenen Pflanzen, das Stück Cheddar, dass in der Kühlschranktür dunkel wurde und Risse bekam. Sie sehnte sich danach, in ihr einsames Leben zurückzukehren. Die Einsamkeit, die

Eines Nachmittags lag sie auf dem Bett und döste immer wieder ein, bis ein Geräusch an ihr Ohr drang. Es kam nicht aus dem Haus. Sie lauschte. Es war ein Motor, und es klang nicht so, als befände er sich hinten auf dem Hof. Ein Automotor! Sie sprang vom Bett, stürzte beinahe, ihr Körper war an solche Anstrengungen nicht gewöhnt. Sie zog die Gardine vor dem Fenster zur Seite und reckte den Hals, um einen Ausschnitt der Auffahrt an der Seite des Hauses zu sehen. Hinter der Hauswand blitzte die Kühlerhaube eines Wagens hervor. Es war ein kleiner blauer Fiat. Rosemary hatte so einen Wagen! Patricia presste ihre Wange dichter gegen die Fensterscheibe, um mehr zu sehen. Ein Mantel schlug im Wind. Senffarben. Rosemarys Mantel, der mit dem braunen Samtkragen. Rosemary war gekommen, um sie zu retten! Sie klopfte mit den Knöcheln, so laut sie es wagte, gegen das Fenster. «Rosemary! Ich bin hier oben! Rosemary!», rief sie. Der Mantel blieb dort, wo er war, und blähte sich in der Meeresbrise. Sie schlug wieder gegen das Fenster. «Rosemary. Ich bin’s, Patricia! Hier oben!» Der Mantel bewegte sich, und einen Augenblick lang war das Gesicht ihrer Freundin zu sehen, aber dann winkte sie und duckte sich wieder in den Wagen. Sie fuhr fort! «Nein, Rosemary! Ich bin hier. Ich bin hier oben!» Sie hastete durch das Zimmer und versuchte vergeblich, die Klinke zu betätigen. Noch immer abgeschlossen.

Panisch nahm Patricia den Stuhl neben ihrem Bett, rannte damit zum Fenster und durchschlug mit einem Bein die Glasscheibe. Sie erschrak vor dem Geräusch und der Heftigkeit und blieb einen Augenblick erstarrt stehen,

Sie erwachte mit einem Ruck, als eine aufgebrachte Mrs. Foley mit einem rot-weißen Geschirrtuch in der Hand ins Zimmer platzte. Sie hob den Stuhl auf, der auf dem Boden lag, und stellte ihn zurück ans Bett. Dann wandte sie ihre gesamte Aufmerksamkeit Patricia zu. Mrs. Foleys Gesicht war dunkelrot vor Wut, und als sie ihre Worte ausspie, flog Spucke von ihren Lippen.

«Du lernst dich besser zu benehmen, Fräulein. Noch mehr solche Flausen, und ich binde dich an dieses Bett. Hörst du mich? Mit Händen und Füßen! Dein kostbarer Edward wird dich nicht retten! Hast du verstanden?»

Das war eine Mrs. Foley, die Patricia noch nie zuvor erlebt hatte. Sie wirkte geisteskrank und unberechenbar. Gefährlich. Das Geschirrtuch war fest zwischen ihren

«Ja», flüsterte Patricia und dann ein wenig lauter: «Ich habe verstanden.»

«Gut. Und vielleicht bläut dir das etwas Verstand ein.» Die alte Frau zeigte mit vor Wut zitternder Hand auf das zerborstene Fenster. «Weil ich es nämlich nicht repariere.»

Sie schlug die Tür zu und drehte den Schlüssel um.

Patricia wusste nicht, wie lange man sie allein gelassen hatte oder welche Uhrzeit es war, aber draußen war es dunkel, als die Tür aufging und Edward sich ins Zimmer schob. Er hatte ein großes Stück Pappkarton in der Hand. Sie wusste, dass ihre Augen rot und geschwollen aussehen mussten, aber es war ihr egal.

«Ich komme, um das Fenster zu reparieren.» Er flüsterte. Patricia fragte sich, ob seine Mutter wusste, dass er das tat.

Er durchquerte den Raum und begann, aus dem Karton ein Rechteck herauszureißen.

«Das war meine Freundin Rosemary. Die Leute suchen nach mir. Ihr müsst mich gehen lassen. Ich muss nach Hause, Edward!», flehte Patricia. «Ihr könnt mich nicht einfach hierbehalten. Es ist falsch!» Sie musste ihn dazu bringen, das zu verstehen.

Er drehte sich um und ging auf das Bett zu. «Du darfst Mammy nicht aufregen. Bitte. Du verstehst das nicht, Patricia. Ärgere sie nicht. Es macht für dich alles nur schlimmer.»

 

Die Tage zogen vorüber. Wie viele? Patricia war sich nicht sicher. Es wurde hell, es wurde dunkel, die Tage krochen an ihrem Fenster vorbei. Manchmal pfiff der Wind um die Dachtraufe, oder sie wachte auf und hörte ihn ums Haus heulen und an den Fenstern zerren, aber er schien nie aufzuhören. Patricia versuchte sich mühsam daran zu erinnern, wie sich Stille anhörte. Einmal oder zweimal glaubte sie ein Auto oder Stimmen zu hören, aber es war jedes Mal nur das Brechen der Flutwellen oder der Wind in den Ästen. Sie fand in einem ansonsten leeren Schrank alte Zeitschriften und blätterte sie pflichtschuldig durch. Die People’s Friend. Die Woman’s Weekly. Keine Zeitschriften, von denen sie sich vorstellen konnte, dass Mrs. Foley sie jemals kaufen würde. Sie las die romantischen Erzählungen. Krankenschwestern, die sich in Ärzte verliebten, während sie in Afrika Leben retteten, schottische Stammesfürsten, die sich rothaarige Bauernmädchen griffen und sie grob im Heidekraut niederwarfen, aber alle mit Happy End. Patricia hatte keine Ahnung, welches Ende ihre eigene seltsame Geschichte nehmen würde. Sie konnten sie nicht für immer hier festhalten, und warum sollten sie das auch wollen? Es ergab keinen Sinn.

Eines Morgens kam Mrs. Foley wie üblich in ihr Zimmer und setzte das Tablett auf ihrem Bett ab. Patricia ignorierte sie. Durch Fragen war nichts zu gewinnen. Wie oft hatte sie die alte Frau angebettelt, ihr von Rosemarys

Mrs. Foley zeigte mit dem Finger auf das Tablett. «Da ist Post für dich.» Patricia zuckte vor Schreck zusammen, ihre Stimme zu hören, und brachte Tasse und Untertasse zum Scheppern. Bevor sie einen Gedanken fassen und antworten konnte, war die alte Frau schon gegangen und hatte den Schlüssel im Schloss umgedreht.

Da lagen vier Umschläge. Zwei waren weiß, einer blau und der andere so etwas wie blassgelb. Sie sahen aus wie Weihnachts- oder Geburtstagskarten. Sie öffnete den ersten Umschlag und zog den Inhalt heraus. Vorne auf der Karte befand sich ein Bild von zwei Vögeln, Tauben vielleicht, die mit ihren Schnäbeln einen Knoten in ein langes Stück roter Schnur machten, das mit seinen Kurven und Knicken das Wort «Glückwunsch» buchstabierte. Wie eigenartig. Sie öffnete die Karte. In schwarzen Druckbuchstaben stand darin: «Alles Gute zum Hochzeitstag», und darunter befand sich eine handgeschriebene Notiz. «Wir freuen uns alle sehr für Dich. Herzlichen Glückwunsch an Dich und Edward. Bitte kommt uns besuchen. Alles Liebe von Gillian, Jerry und der ganzen Familie.» Patricia wusste nicht, was sie denken sollte. Sie hatte das Gefühl, verrückt zu werden. Ihr Magen verkrampfte sich, und ihr Atem kam flach und stoßweise. Auf der nächsten Karte waren von Rosen umkränzte Hochzeitsglocken abgebildet, und darin befand sich ein Brief von Carol Daunt. Carol Daunt? Sie waren nicht einmal in der Schule Freundinnen gewesen. Warum sollte sie ihr eine Karte schicken? In der dritten

Das Geräusch von Schritten auf der Treppe, gefolgt von dem vertrauten Drehen des Schlüssels, und Edwards Mutter stand vor ihr. Sie sah trotzig aus. Sie glättete ihre Schürze und erkundigte sich mit vollkommen gefasster Stimme: «Was kann ich für dich tun, meine Liebe?» Patricia wusste nicht, wo sie anfangen sollte. Ihr Mund öffnete und schloss sich, aber es kamen keine Worte. Schließlich griff sie nach den Karten und hielt sie Mrs. Foley vors Gesicht.

«Was ist das? Warum schicken mir die Leute so etwas?»

«Na ja, ich vermute, sie freuen sich für dich.»

«Sie freuen sich? Worüber? Ich bin nicht verheiratet. Sie halten mich hier gefangen. Welche Lügen haben Sie diesen Menschen erzählt?»

«Edward liebt dich sehr, und je früher du das verstehst, desto schneller können wir normal weiterleben.» Sie verstummte, und die Frauen starrten einander an.

«Das ist Irrsinn. Irrsinn! Sie sind ja nicht bei Verstand!», schrie Patricia und dann, atemlos, zerknüllte sie

Die Stunden verstrichen. Weinkrämpfe kamen, dann schlief sie ein, nur um aufzuwachen und wieder zu weinen. Die Dunkelheit brach herein, aber Patricia legte keinen Wert auf Licht. Mrs. Foley hatte es eingeschaltet, als sie das Tablett mit dem Abendessen gebracht hatte, aber Patricia hatte es schnell wieder ausgemacht. Sie zog es vor, vergessen und unsichtbar in der Nacht zu liegen. Ihr Abendessen stand unberührt auf dem Boden. Patricia fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis sie sich zu Tode gehungert hatte. Würden Edward und seine Mutter dabei zusehen? Bestimmt würden sie sie ins Krankenhaus bringen, bevor sie starb? Dann konnte sie Alarm schlagen, und diese Folter wäre vorüber. Vielleicht würden sie den Ärzten einfach sagen, sie wäre verrückt, und je mehr Patricia dann darauf bestünde, dass sie es nicht war, desto verrückter würde sie erscheinen. In Filmen geschah das ständig.

 

Zuerst schenkte Patricia dem Klopfen keine Beachtung. Sie nahm an, dass es Edward mit einem Hammer gewesen sein musste oder Mrs. Foley, die an irgendetwas arbeitete, aber dann hörte sie Stimmen. Die Stimme eines Mannes! Das war nicht Edward. Das Hämmern musste der

«Hilfe!», rief sie und schlug gegen die Tür, so fest sie konnte. Stille. Wie konnte es sein, dass man sie nicht hörte? Sie hämmerte erneut gegen die Tür und rief um Hilfe. Nichts. Hatte sie sich getäuscht? Hatte sie sich die Stimmen nur vorgestellt? Sie legte sich wieder auf ihr Bett.

Kurze Zeit später hörte sie eine Tür und im Flur wieder die Stimme des Mannes. Sie hatte nicht geträumt! Sofort rannte sie zur Tür und begann mit den Fäusten gegen das Holz zu trommeln. «Hilfe! Bitte helfen Sie mir!» Sie wartete, aber der einzige Laut, den sie hörte, war das Schließen der Haustür.

Sie durchquerte das Zimmer zum Fenster und sah einen Priester, der unsicher den schmalen Feldweg zur Straße hinunterradelte. Sie klopfte ans Fenster, wusste aber, es

Erst Stunden später öffnete sich langsam die Tür, und Mrs. Foley setzte eine Tasse Tee behutsam auf ihrem Nachttisch ab.

«Ich dachte mir, du hast vielleicht ein wenig Durst bekommen.»

Patricia konnte sie nicht ansehen.

«Ich hatte da einen netten Besuch von Father Manning. Er ist hergekommen, um Edwards Braut kennenzulernen.»

Gegen ihren Willen starrte Patricia Mrs. Foley entgeistert an. Das war so vollkommen verrückt, dass sie glaubte, ohnmächtig zu werden.

Die alte Frau lehnte sich mit einstudierter Nonchalance gegen den Türrahmen.

«Ich habe ihm erklärt, dass du es schrecklich mit den Nerven hast. Er war sehr mitfühlend. Hatte großes Verständnis. Wir haben zusammen ein kleines Gebet für dich gesprochen. Fühlst du dich ein wenig besser, Patricia?» Höhnische Sorge schwang in Mrs. Foleys Stimme mit.

Patricia wollte sich so weit von dieser Frau entfernen, wie sie nur konnte. Sie rannte zur anderen Seite des Raumes und drückte ihr Gesicht gegen die Wand. Sie knirschte vor Wut und Frustration mit den Zähnen.

Eine leise Stimme von der anderen Seite des Raumes sagte: «Ach, die Kraft des Gebets.» Und dann fiel die Tür mit einem Klicken ins Schloss.

 

Samstag. Es muss Samstag sein, dachte sie. Wie viele Abende hatte sie in ihrem Zimmer in Buncarragh gelegen, während ihre Mutter im Wohnzimmer unten fernsah? In Gedanken sah sie die Gesichter von Menschen, die sie kannte, erleuchtet vom flackernden Licht ihrer Fernseher. Nicht einer von ihnen dachte an sie, wie sie hier allein und hilflos im Dunkeln lag.

Sie musste wieder eingeschlafen sein, denn das Nächste, dessen sie gewahr wurde, war jemand, der ihr sanft auf die Schulter tippte. Als sie zusammenzuckte und die Augen aufschlug, konnte sie sofort Edwards breiten Umriss gegen das Licht ausmachen, das vom Treppenabsatz aus in ihr Zimmer strömte.

«Edward?»

«Pst, sonst hört sie dich», flüsterte er eindringlich. Dann näherte er sein Gesicht ihrem so weit, dass sie seinen Atem an ihrer Wange spüren konnte, und sprach langsam und leise. «Morgen Nacht. Sei bereit. Und iss. Das Essen ist jetzt sicher.» Er richtete sich gerade auf und wandte sich zur Tür. Bevor er sie schloss, steckte er seinen Kopf noch einmal ins Zimmer und wiederholte flüsternd: «Morgen Nacht.»

Patricia starrte in die Dunkelheit. Was würde morgen Nacht geschehen? War es etwas, auf das sie sich freuen, oder etwas, wovor sie sich fürchten sollte? Konnte sie Edward vertrauen? Sie verspürte mehr Unbehagen als in vielen Tagen zuvor.

 

Patricia lächelte, bis ihr einfiel, dass sie keine Invalide war und Mrs. Foley ihre Gefängniswärterin und nicht irgendeine selbstlose Florence Nightingale. Sie drehte sich in Richtung Wand, und die alte Frau verließ ihr Zimmer.

Die Stunden schienen sogar noch langsamer zu verstreichen, wenn sie auf etwas wartete … worauf? Was hatte Edward gemeint? Das Sonnenlicht verschwand vom Himmel, und noch immer wartete sie. Würde es ein Zeichen geben? Konnte sie es verpassen? Sie würde nicht schlafen. Edward hatte ihr gesagt, sie solle sich bereithalten.

Das Abendessen kam und wurde geholt, und nichts geschah. Vielleicht irrte sich Edward, oder etwas hatte sich geändert? Sie saß auf dem Bett und horchte auf etwas, was aus dem üblichen Rahmen fiel.

Trotz ihrer festen Vorsätze schlief sie ein. Als sie aufwachte, hatte jemand ihr Licht ausgeschaltet. Sie machte es wieder an. Die Vorhänge waren zugezogen. Als sie sich aufsetzte, glaubte Patricia Stimmen zu hören. Sie klangen aufgeregt oder bekümmert und schienen aus einiger Entfernung vom Haus zu kommen. Sie sprang vom Bett und eilte zum Fenster, um hinauszusehen. Sie erhaschte einen kurzen Blick auf Mrs. Foley, die sich gegen den Wind stemmte und über ihrem Nachthemd einen Mantel trug. Sie schien jemanden anzuschreien. Patricia schöpfte Mut und drückte sich gegen das Glas. Sie konnte Edwards Stimme von weiter weg hören, und irgendetwas an der Art, wie das Licht seitlich auf das Haus fiel, war eigenartig. Ein unsteter orangefarbener Schein. Mrs. Foley tauchte wieder

Patricia trat hinaus in die kalte Nachtluft. Sie schnappte danach wie eine Ertrinkende, die es gerade an die Wasseroberfläche geschafft hat. Ihr war schwindelig, geradezu beschwingt zumute, weil sie draußen war.

Sie hielt sich nah an der Wand, als sie über den Hof in Richtung Kiesweg strebte. Sie spürte die Hitze des Feuers, bevor sie es sah. Als sie um die Ecke bog, konnte sie erkennen, dass der Brand im Obstgarten loderte. Orangefarbene Flammen schlugen in langen Bahnen in den Nachthimmel. Plötzlich tauchten Edward und seine Mutter auf, sie

Der Pfad wurde schlammiger. Kaltes Wasser schwappte in ihre Schuhe. Sie achtete nicht darauf. Weiterzugehen war ihre einzige Chance. Das scharfe Gras schlug schmerzhaft gegen ihre nackten Beine, aber die Straße konnte nicht mehr allzu weit entfernt sein. Sie hielt an, um sich zu orientieren. Der Schein vom Obstgarten war immer noch zu ihrer Rechten zu sehen, schien aber weiter entfernt, als er ihrer Einschätzung nach sein sollte. Wenn nur ein Auto vorbeikäme und sie die Scheinwerfer sehen könnte, um darauf zuzuhalten! Als sie weitergehen wollte, war sie erstaunt, wie tief sie bereits in den Schlamm

Zuerst roch sie es. Der Geruch von Salz, vermischt mit etwas viel Dunklerem, beinahe Fauligem. Er erinnerte sie an etwas, und dann fiel es ihr ein: das Marschland, durch das sie gefahren waren. Sie begriff, dass sie nicht mehr durch ein schlammiges Feld watete. Der Pfad musste sie zum Meer geführt haben. Sie konnte das Schwappen von Wasser hören. Sie wandte sich um, um den Weg zurückzugehen, den sie gekommen war, aber ihr linker Fuß versank plötzlich bis zum Oberschenkel in kaltem, lehmigem Sand. Sie keuchte auf und fiel nach hinten. Als sie sich aufrichtete, wusste sie nicht mehr, in welche Richtung sie hatte gehen wollen. Eine flatternde Panik ergriff von ihr Besitz, und sie begann zu wimmern. Als sie um sich griff, bekam sie ein Büschel Gräser zu fassen, an dem sie sich festhalten konnte. Sie zog sich daran mit aller Kraft, die sie noch besaß, hoch, und es gelang ihr, ihren linken Fuß zu befreiten, der nun barfuß war. Sie klammerte sich an dem Gras fest und versuchte Atem zu schöpfen. Wenn sie sich umsah, konnte sie in der Ferne nur schattenhafte Umrisse ausmachen, aber nichts, was vertraut aussah oder ihr dabei half zu entscheiden, in welche Richtung sie gehen sollte. Sie nahm ihre gesamte Energie zusammen, stand auf und machte ein paar unsichere Schritte fort von den Meeresgeräuschen, aber dann fand sie sich mit einem schrecklichen Ruck bis zur Hüfte im eiskalten

Sie rief: «Hilfe!» Selbst in ihren eigenen Ohren klang es schwach. «Helft mir!» Sie versuchte lauter zu rufen, aber es war hoffnungslos. Sie zitterte so heftig, dass es beinahe unmöglich für sie war, Atem zu holen. Sie konnte ihre Beine nicht mehr spüren. Ihre wild um sich schlagenden Hände trafen auf nichts als Wasser und noch mehr Wasser. Es herrschte wohl Flut, dachte sie, und der anschwellenden Panik folgte eine tiefe Ruhe. Das würde ihr Ende sein. Sie ließ ihren Körper schlaff werden und noch ein wenig tiefer einsinken. Sie erinnerte sich an die Geschichte von dem Mann auf dem Heimweg vom Pub. Man hatte sein Fahrrad gefunden. Es würde keine Spur von ihr bleiben. Eine große Müdigkeit erfasste sie, und sie fragte sich, ob sie einfach einschlafen könnte, um nie mehr aufzuwachen. Warm, warum war ihr so warm? Sie kämpfte mit den Knöpfen an ihrem Mantelkragen wie eine Betrunkene, die versucht, sich auszuziehen. Das Wasser leckte jetzt an ihren Achselhöhlen. Sie konnte nicht sagen, ob ihre Augen geöffnet oder geschlossen waren. Die Dunkelheit war überall.

Zuerst hielt sie es für ein Geräusch in ihrem Kopf. Ein anhaltendes Grollen. Vielleicht war es der Wind. Ein Auto?

Der Dieselgeruch und die Abgase des Traktors erfüllten die Luft, und dann war da Edwards Stimme.

«Nicht bewegen. Ich hole dich raus. Bleib ruhig.»

Sie sah seinen Umriss, als er an den Scheinwerfern des Traktors vorbeiging, aber dann verschwand er. Ein Klatschen ertönte hinter ihr, dann spürte sie, wie etwas an ihrem Mantel zog. Langsam, ganz langsam, bewegte sich ihr Körper durch den Schlick nach oben. Ihre Brust war frei, und nun hatte Edward seine Arme um sie gelegt und zerrte sie zu sich hoch.

«Ich habe dich. Das war’s. Ich habe dich. Du bist in Sicherheit. Vorsichtig.»

Schließlich hatte er ihren gesamten Körper befreit, und sie stellte fest, dass sie jetzt auf Edward lag. Seine Brust hob und senkte sich nach der überstandenen Anstrengung. Er manövrierte sich unter ihr hervor und schob seine Arme unter sie, hob sie hoch wie eine Braut vor der Türschwelle. Langsam, mit einem vorsichtigen Schritt nach dem anderen, brachte er sie zum Traktor, dessen Motor noch immer lief. Patricia drückte ihr marmorkaltes Gesicht an die Hitze seines Körpers. Durch das Motorengeräusch und den Wind hindurch, der das Meer

«Warum? Warum musstest du diesen Weg nehmen? Wenn du doch nur über die Weide gegangen wärst. Jetzt wird sie dich nie mehr gehen lassen. Niemals.»

Patricia war sich nicht sicher, aber es klang so, als weinte er.