Patricia läutete das Glöckchen und hörte nicht damit auf, bis sie den Schlüssel im Schloss hörte. Mrs. Foley trat ins Zimmer. Sie schien nicht im Geringsten überrascht davon, dass Patricia auf dem Bett stand, den Rücken an die Wand gepresst, und auf den Korb auf dem Boden zeigte.
«Ein Baby? Woher haben Sie …? Ich verstehe nicht. Ein Baby. Warum ist ein Baby in diesem Korb?» Ihre Stimme war kaum mehr als ein heiseres Krächzen.
Mrs. Foley stand ganz still da und antwortete ruhig: «Das ist die kleine Elizabeth. Sie wird bald etwas zu essen brauchen. Ich bringe eine Flasche herauf.» Und bevor Patricia noch irgendetwas sagen konnte, war die Tür wieder geschlossen und verriegelt. Sie sprang vom Bett und hämmerte mit der Faust gegen die Tür.
«Edward! Edward! Wo bist du?» Er musste ihr die Lösung dieses Rätsels verraten. Wo hatte die verrückte alte Spinatwachtel ein Baby gefunden? Patricia stellte sich eine arme Mutter da draußen in der Welt vor, die jetzt vor Angst außer sich war und sich fragte, wohin ihr Kind verschwunden war. Hinter ihr quäkte es leise aus dem Korb. Sie hämmerte noch etwas länger gegen die Tür, aber dann wurde das Krähen lauter. Patricia beugte sich zu dem Korb hinunter und sah zum ersten Mal das Gesicht des Babys. Es war jetzt vom Schreien ganz verzerrt, hielt aber inne, als Patricias Gesicht in sein Gesichtsfeld schwebte. Die großen blauen Augen starrten zu ihr auf, und dann wedelte das Kind mit den Armen, als dirigierte es ein Orchester. Patricia spürte das Verlangen, das kleine Menschlein hochzunehmen und an sich zu drücken, aber sie hielt sich zurück. Dieses Baby musste dorthin zurück, wo es hergekommen war, und das bedeutete, dass sie nicht in Mrs. Foleys Falle tappen durfte. Wenn sie zurückkam und sah, dass Patricia das Baby fütterte, würde es viel schwieriger werden, sie dazu zu bringen, es seiner rechtmäßigen Mutter zurückzugeben. Sie stand auf und ging zurück zur Tür.
«Edward! Ich brauche Hilfe!» Die Tür prallte gegen ihre Faust, als Mrs. Foley sie öffnete und hereintrat. Sie hielt eine Nuckelflasche voll Milch in die Höhe.
«Hier, bitte. Und vergiss nicht, hinterher mit ihr Bäuerchen zu machen.»
Patricia hielt ihre Hände dicht am Körper und weigerte sich, die Milch zu nehmen.
Mrs. Foley starrte sie einen Augenblick an und stellte die Flasche dann auf den Nachttisch. «Hier steht sie, bis du bereit bist. Ach, und Edward ist bei der Arbeit, du kannst mit dem Gebrüll aufhören.» Die alte Frau wandte sich um, als wollte sie gehen, doch stattdessen holte sie eine gepolsterte, mit kleinen rosa Rosen bedeckte Tasche vom Treppenabsatz. «Hier drin sind noch mehr Windeln und Creme und Puder.» Sie legte sie unter den Stuhl auf den Boden. Patricia starrte darauf hinunter, und als sie wieder aufsah, schloss sich gerade die Tür, gefolgt von dem vertrauten Klackern des Schlüssels.
Sie setzte sich aufs Bett, ratlos, was sie als Nächstes tun sollte. Ein Teil von ihr wollte das kleine Bündel im Korb füttern, aber sie wusste, das sollte sie besser bleibenlassen. Es war nicht ihr Baby. Jemand anders hatte für dieses Kind gesorgt, es geliebt. Es war kein Neugeborenes. Patricia vermutete, dass das Baby mindestens drei oder vier Monate alt war, vielleicht älter.
Sie hoffte, dass Edward zum Mittagessen zurückkommen würde. Vielleicht konnte er seine Mutter zur Vernunft bringen. Das hier war eine ernste Sache. Vielleicht würde sich die Polizei einschalten. Der Gedanke an ein Polizeifahrzeug, das draußen vor dem Haus vorfuhr, erfüllte sie plötzlich mit Hoffnung. Wenn sie kamen, um das Baby zu retten, konnten sie auch sie retten. Ihre Gedanken wurden davon unterbrochen, dass das Baby schrie. Ein paar zaghafte Schreie, gefolgt von einem Brüllen aus voller Kehle. Patricia blieb bewegungslos sitzen. Wenn sie den Säugling lang genug schreien ließ, würde Mrs. Foley schließlich kommen und die Lage prüfen müssen.
Minuten vergingen. Dieses Wartespiel würde schwieriger werden, als sie es sich vorgestellt hatte. Es war eine Tortur, das Elend dieser kleinen Maus mit anhören zu müssen. Vielleicht würde das Baby einfach aufgeben und aufhören zu weinen, doch wenn sie ehrlich war, klang es gar nicht danach, als würde das in nächster Zeit passieren. Das ganze Zimmer schien vom verzweifelten Schreien dieses winzigen Wesens erfüllt. Die kleinen Hände schlugen wild bis über den Rand des Korbs. Wo war Mrs. Foley? Wie konnte sie sich das anhören? Patricia begriff, dass dies ein Test war, welche von ihnen zuerst einknickte. Sie beschloss, dass sie es nicht sein würde. Sie setzte sich auf ihre Hände für den Fall, dass sie eigenständig handeln und nach der Milchflasche greifen würden.
Weitere Minuten vergingen, und noch immer schrie das Baby. Patricia beugte sich vor und sah in das kleine Gesicht. Es brach ihr das Herz. Ein winziger Mund, das brüllende Zentrum dunkelroter Züge. Sie konnte es nicht ertragen. Patricia verfluchte Mrs. Foley, griff nach der Nuckelflasche und beugte sich zu dem Korb hinunter.
Sie versuchte dem Kind den Gummisauger in den Mund zu stecken, aber der schien es in diesem Moment nicht mehr zu trösten. Schreien schien wichtiger zu sein als Essen. Patricia versuchte die Flasche zu schütteln, um ein paar Tropfen Milch in den Mund fallen zu lassen und das Kind daran zu erinnern, worum es bei all dem Geschrei eigentlich ging. Das Baby wandte den Kopf von rechts nach links. Es schien an der Flasche nicht das geringste Interesse zu haben. Patricia begann sich Sorgen zu machen, dass die richtige Mutter vielleicht gestillt hatte. Was sollte sie dann machen? Würde Mrs. Foley den Säugling verhungern lassen, bevor sie einen Arzt rief? Panik kroch in ihr hoch. Sie griff in den Korb und hob das Baby heraus, legte es in ihre Armbeuge. Das Schreien hörte nicht auf, aber die Not schien etwas gelindert. Patricia versuchte es einmal mehr mit der Flasche. Nach ein paar Fehlstarts entschied der kleine Mund, dass der richtige Zeitpunkt jetzt gekommen war. Das Baby nahm den Sauger an und begann hungrig zu saugen. Patricias Erleichterung war unendlich. Sie starrte auf den kleinen Menschen in ihren Armen hinab. Seine Gesichtsfarbe war beinahe wieder normal, und die Zufriedenheit, die von dem geräuschvollen Nuckeln ausging, war ansteckend.
«Ist das gut, Elizabeth? Ja? Magst du das gerne? Das ist lecker, was?»
Patricia saß nun auf dem Bett und hielt das warme Bündel im Arm. Zwei Lebewesen, die gegen ihren Willen in diesem Raum gefangen waren. Hoffentlich machten sich noch mehr Menschen um die kleine Elizabeth Sorgen. Eine Mutter würde niemals aufhören zu suchen, und das hieß bestimmt, dass sie eines Tages beide gerettet werden würden. Sie blickte in das kleine Gesicht, das nichts anderes wahrnahm als die Flasche, an der es hing. Konnte es sein, dass dieses Baby die Antwort auf ihre Gebete war?
Der Säugling trank beinahe die ganze Milch aus, bevor er den Mund von dem Sauger löste und in Patricias Arme zurücksank. Sie hatte Mütter darüber reden hören, dass man das Kind nach dem Füttern aufstoßen lassen sollte, und so legte sie sich das Baby über die Schulter und begann ihm mit ihren Fingerknöcheln sanft über den Rücken zu streichen, so wie sie es bei anderen gesehen hatte. Bald blubberten ein paar kleine Bäuerchen an die Oberfläche. Reichte das? Sie war sich nicht sicher, beschloss aber, dass es das Beste wäre, das Baby weiter zu tätscheln. Sie spürte, wie sich die Rundung des Bauchs an ihrer Schulter bewegte, gefolgt von einem milchigen Rülpser, der auf den Fußboden platschte. Patricia hob das Baby hoch und sah in sein Gesicht. Es schien äußerst zufrieden mit sich. Patricia konnte nicht anders, als zu lachen, und sie küsste das Baby auf die Stirn. Sie dachte an all den Tee, der in ihrem alten Zimmer in den Teppich gesickert war, und stieg über den Milchfleck zu ihren Füßen hinweg.
Bald war Elizabeth in Patricias Armen eingeschlafen. Als sie das Baby in den Korb zurückzulegen versuchte, zuckte Bestürzung über das kleine Gesicht, und es gab einen warnenden Laut von sich. Patricia drückte es an ihre Brust und setzte sich mit ihm ans Fenster. Wolken jagten über den Himmel, und Pfützen aus Sonnenlicht hoben einzelne Flecken im Meer in silbernem Blau hervor. Eine einsame Möwe schien im Kampf gegen den Wind in der Luft stillzustehen, doch dann, als hätte sie ihre Absicht geändert, drehte sie ab und ließ sich landeinwärts wehen. Patricia dachte daran, wie schön sie diesen Ausblick gefunden hatte, als sie zum ersten Mal hierhergekommen war. Jetzt war er eine dauernde Erinnerung daran, wie isoliert und allein sie war. Sie umarmte das Baby fester.
Ungefähr zwanzig Minuten später sah sie Edward oben über die Weide vor dem Haus gehen. Sie löste eine Hand, um gegen das Fenster zu schlagen. Er schien sie nicht zu hören, und so schlug sie kräftiger gegen die Scheibe. Dieses Mal schien er das Geräusch zu bemerken. Er blickte sich um, als wolle er herausfinden, woher es gekommen war. Patricia winkte mit ihrer freien Hand, um seinen Blick auf sich zu lenken. Es klappte. Edward blickte direkt zu ihrem Fenster auf. Patricia stand auf, hielt das Baby hoch und zeigte darauf. Sie konnte sich nur ausmalen, wie schockiert er beim Anblick dessen sein würde, was sie da hielt, doch stattdessen war es Patricia, die vor Verblüffung fassungslos war. Edward hielt ihr seinen gereckten Daumen entgegen, lächelte und winkte ihr zu, bevor er weiterging. Sie trat vom Fenster zurück und legte ihre Hand beschützend auf den Kopf des Babys. Er war genauso verrückt wie seine gestörte Mutter.