Nach einem kurzen Telefonat mit dem Manager des Impulse, meines Sex Clubs, und einem schnellen Zwischenstopp mit Alex bei Burger King in der Nähe, wo ich schnell etwas zu essen hole, betrete ich das Staatsgefängnis in South of Market. Jetzt schlendere ich durch das Hauptfoyer des Gefängnisses, bewaffnet mit einem Arsenal von Informationen und der Energie, die ich brauche, um das zu tun, was ich jetzt vorhabe.
Der einzige Grund, warum ich das gerade jetzt tue, ist, weil ich weiß, in dem Moment, in dem das FBI in der Stadt ist, um Harrington zu befragen, werde ich keinen Zugriff mehr auf ihn haben.
Als ich die Empfangstheke erreiche, treffe ich einen jungen Mann dahinter an, der gerade telefoniert. Als er auflegt, sage ich: »Ryder Blackwood für Tobias Harrington.« Ich weigere mich, ihn weiterhin Gouverneur zu nennen. Dieses Recht hat er verloren. »Ich wurde von Senator Winters für ein privates Gespräch mit Mr Harrington autorisiert, um Informationen für den Senator zu beschaffen.« Ich reiche dem Vollzugsbeamten die unterzeichneten Dokumente, die mich autorisieren, mit Tobias zu sprechen, und auch meinen Ausweis.
Vorhin habe ich viel mit dem Senator besprochen. Als ich das Krankenhauszimmer verlassen habe, fühlte ich mich so frei wie schon lange nicht mehr. Bald würde das Leben des Senators in den Händen von jemand anderem liegen – nicht mehr in meinen. Jetzt kann ich tun, was ich schon seit so langer Zeit tun will. Mit Alex im Hintergrund arbeiten und nicht mehr an vorderster Front. Der Senator und ich haben uns angesichts der vielen großartigen Jahre die Hände geschüttelt.
»Alles klar, Mr Blackwood, das sieht alles gut aus«, sagt der Vollzugsbeamte, reißt mich aus meinen Gedanken und gibt mir das Dokument und meinen Ausweis wieder. Er nimmt den Telefonhörer. »Bitte Insassen 03673-008, Tobias Harrington, in Befragungsraum B bringen.« Nachdem er den Hörer wieder auf die Gabel gelegt hat, drückt er einen Knopf unter seinem Schreibtisch, und die Tür öffnet sich mit einem Summen. »Es ist das erste Zimmer auf der linken Seite.«
»Danke.« Ich gehe um die Theke herum und drücke die schwere Tür auf. Dahinter liegt der Flur, und ich trete ein. Sofort werde ich von dem Geruch getroffen, der an diesem Ort nie verfliegt, eine Mischung aus Krankenhaus und Müllkippe, und ich kräusle die Nase angesichts des stechenden Geruchs.
Die schwere Tür fällt hinter mir zu, und das Schloss schließt sich wieder; kurz darauf öffnet ein weiteres Summen die Tür zu meiner Linken. Als ich den spärlich eingerichteten Raum mit dem Einwegspiegel, den blassblau gestrichenen Betonwänden und dem Metalltisch mit den beiden Plastikstühlen sehe, die sich gegenüberstehen, gehe ich zu der hinteren Wand und lehne mich mit verschränkten Armen dagegen.
Nur ein paar Minuten später öffnet sich die Tür und Tobias Harrington kommt herein. Er trägt einen orangefarbenen Overall und an Händen und Füßen Handschellen, die an einer Kette befestigt sind. Sein Blick trifft meinen, und zum ersten Mal senkt er nicht als Erster den Blick.
Ich grinse, dieses Kräftemessen ist absurd. Ich habe bereits gewonnen, und wir beide wissen das.
Tobias kommt ins Zimmer geschlurft, und ich warte geduldig, bis die Vollzugsbeamten die Kette am Tisch festgemacht haben, die für meine Sicherheit sorgen soll. Nicht, dass ich mir Sorgen darum machen würde. Der Mann vor mir hat Leute dafür bezahlt, seine Drecksarbeit zu erledigen. Er ist nichts weiter als ein Feigling. Und das ist eine unbedeutende Tatsache, von der ich sicher bin, dass Tobias sich ihrer bewusst ist.
Nachdem die Kette am Tisch festgemacht ist, sieht einer der Vollzugsbeamten mich an, und ich nicke dankend. »Falls es möglich ist, würde ich gerne alleine mit Mr Harrington sprechen.«
»Wir stehen direkt vor der Tür«, erwidert er, und die beiden Männer verlassen eilig den Raum und lassen mich mit Tobias allein.
Ich setze mich ihm gegenüber, lege meine Hände auf den Tisch, aus Angst, dass ich meine Fäuste an ihm ausprobieren werde, wenn ich zulasse, dass meine Hände sich auch nur einmal ballen. Mein Plan für den Abend sieht nicht vor, wegen tätlichen Angriffs verhaftet zu werden.
»Ich hatte nicht damit gerechnet, dich so bald hier zu sehen«, sagt Tobias, verschränkt die Finger ineinander, und die Kette rasselt über den Metalltisch.
»Es wird folgendermaßen ablaufen«, sage ich und weigere mich, auf seine Worte einzugehen. »Ich habe Fragen, und du wirst sie mir beantworten.«
Tobias schnaubt, lehnt sich, soweit es die Handschellen zulassen, zurück. »Und warum bitte sollte ich das tun?«
Jeder hat einen Schwachpunkt. In letzter Zeit habe ich herausgefunden, dass mein Schwachpunkt Hadley ist. Ich lächle Tobias an, in der Hoffnung, er kann zwischen den Zeilen lesen, dass ich seinen kenne. »Du wirst mir alles erzählen, was ich wissen will, denn ich weiß von deiner Schwester.«
Er erstarrt auf dem Stuhl, und das sollte er auch. Ich kann an einer Hand abzählen, wie oft ich bisher schmutzige Methoden anwenden musste. Das passt nicht zu mir. Ja, manchmal schramme ich am Rand des Gesetzes entlang. Aber die meiste Zeit arbeite ich sauber. Aber die Dinge haben sich geändert. Ich muss all die losen Enden in meinem Leben zu einer hübschen kleinen Schleife verknoten, damit sie nicht später wieder auftauchen und zu einem Problem werden.
Offensichtlich nimmt Tobias mich ernst. Seine Augen beginnen sich langsam zu verengen. »Was weißt du über meine Schwester?«
»Ich weiß, sie ist Managerin einer Firma für Finanzplanung und Vermögensverwaltung und steckt ziemlich tief im Insiderhandel.«
»Du weißt gar nichts«, schnaubt er.
Ich schlage mit der Hand auf den Tisch. »Ich spiele keine Spielchen mit dir. Ich habe Beweise für ihre Schuld. Starke Beweise, die dafür sorgen können, dass sie für eine sehr lange Zeit hinter Gittern verschwindet.« Die Lorbeeren hat sich Alex verdient, aber ich würde ihren Namen niemals irgendwem verraten. Sie hat nicht nur die E-Mails entdeckt, in denen die Insidergeschäfte detailliert beschrieben stehen, sie hat auch herausgefunden, dass, wenn Tobias irgendjemandem gegenüber loyal ist, dann seiner kleinen Schwester gegenüber.
Um ehrlich zu sein, war ich nicht sicher, ob das funktionieren würde, aber angesichts der Anspannung in Tobias’ Gesicht bin ich sicher, dass es genau der richtige Ansatz war.
»Was willst du?«, fragt er zwischen zusammengebissen Zähnen hindurch.
»Wie ich bereits sagte, ich will, dass du mir ein paar Fragen beantwortest.«
»Über den Senator?«
»Nein, hier geht es nicht um ihn.«
»Worum geht es dann?«
»Etwas sehr viel Persönlicheres für mich«, erkläre ich, beuge mich vor, komme ein wenig näher, die Arme auf dem Tisch abgestützt. »Lass mich offen sein: Wenn ich das Gefühl habe, du sagst mir nicht die Wahrheit, landet deine Schwester schneller hinter Gittern, als du brauchst, um zurück zu deiner Zelle zu kommen. Ist das klar?«
»Kristallklar«, knurrt Tobias.
Meine Aufmerksamkeit wird von dem Fenster angezogen, wo zwei Vollzugsbeamte einen sich wehrenden Insassen praktisch den Flur hinunterschleifen müssen. Dann wende ich mich wieder an Tobias. »Welche Verbindung hast du zum Gotcha!-Magazin?«
Offensichtlich überrascht ihn meine Frage, denn er hebt die Augenbrauen. »Absolut keine«, erwidert er.
»Kennst du jemanden, der dort arbeitet?«
»Nein.«
»Hast du ihnen Informationen verkauft, weil du auch noch andere Menschen erpressen wolltest?«
»Nein.«
Ich lehne mich auf dem Stuhl zurück, verschränke die Arme und beobachte ihn einen Moment lang. Ich glaube, er sagt die Wahrheit. Er ist zu ruhig, fast schon zu verwirrt. Es ist ziemlich offensichtlich, dass er keine Ahnung hat, wovon ich rede. Aber ich bin noch nicht bereit aufzugeben. »Was ist mit Viktor? Ist es möglich, dass er das Klatschblatt kontaktiert hat?«
»Nein, Blackwood«, sagt Tobias gereizt. »Warum sollte ich mich vor einem gottverdammten Klatschblatt zu erkennen geben? Warum stellst du mir diese lächerlichen Fragen?«
Das ist etwas, worüber ich auch schon nachgedacht habe. Logisch betrachtet ergibt es keinen Sinn, dass er mit einem Klatschblatt zusammenarbeitet. Was mich zurück zu meinem ursprünglichen Verdacht bringt, dass noch etwas anderes vor sich geht, was nichts mit Tobias zu tun hat. »Du hast die Wanzen in O’Keefes Pub platziert, nicht wahr?«
Tobias lächelt bitter. »Die hast du also gefunden, ja?« Ich nicke, verkneife mir jedes weitere Wort, und er fügt hinzu: »Das war Viktors Vorschlag.«
»Warum sollte er so etwas vorschlagen?«, frage ich.
Er schweigt einen Moment lang, und sein Gesicht sieht aus, als würde er gerade in eine Zitrone beißen. Offensichtlich habe ich ihn jetzt bei den Eiern, und das Letzte, was er will, ist, mir die Wahrheit zu sagen. »Na ja, nachdem wir erfahren haben, dass du in dem Pub Stammgast bist und dort auch sehr private Gespräche führst, formte sich ein Plan«, erklärt er. »Auf diese Weise konnten wir nicht nur private Details aus dem Leben des Senators erfahren, wir wussten so auch, wann du frei hast und wann du nicht mehr so aufmerksam bist. Und wir haben darüber auch erfahren, dass Hadley in diesem Club unterwegs ist, was mir eine Weile lang einen Vorteil verschafft hat.«
Ich beiße die Zähne zusammen und frage mich, wer gewusst haben könnte, dass ich regelmäßig in Gabes Pub bin und dort auch private Gespräche führe. Ich weiß nicht weiter. Es ergibt noch immer keinen Sinn, wieso jemand diese Informationen an die Klatschpresse weitergegeben hat. Jemand hat Hadley und mich auf ihrem privaten Balkon fotografiert und dieses Foto an die Klatschpresse gegeben. Es ist exakt diese Person, die ich finden muss, um dieses Problem mit der Klatschpresse ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen. »Ist die Person, die die Wanzen platziert hat, auch Hadley gefolgt?«
»Natürlich.« Tobias lächelt düster, verschränkt die Finger ineinander, lässt das Metall so wieder auf den Tisch knallen. »Ich wollte sichergehen, dass sie meine Drohung ernst nimmt. Als ich erfahren habe, dass ihr beide zusammen seid, nahm ich an, dass ich das geschafft habe.«
Ich atme tief ein, beuge mich vor und sehe Tobias direkt in die Augen. »Also, lass mich das noch einmal zusammenfassen: Du hast jemanden angeheuert, diese Wanzen zu platzieren, um mich im Auge zu behalten, und diese Person ist auf deine Anweisung hin auch Hadley gefolgt, aber du hast demjenigen nie gesagt, er soll irgendwelche Fotos an die Klatschpresse verkaufen?«
Er nickt. »Das ist richtig. Sind wir fertig?« Ich sehe ihn an, aber nichts in seiner Haltung deutet darauf hin, dass er lügt. Er ist entspannt, der Atem geht langsam. Er sieht mir in die Augen, wenn er antwortet. Keine Schweißtropfen auf seiner Stirn. Ich hasse es, das zugeben zu müssen, aber er sagt die Wahrheit.
Wer tut meinen Freunden und mir das dann an, und warum?, hallt es durch meinen Kopf.
Denn warum sollte diese Person, die Tobias angeheuert und bezahlt hat – wahrscheinlich gut bezahlt hat, dessen bin ich mir sicher –, noch einen Schritt weitergehen und die Fotos an die Presse verkaufen? Mir fehlen noch immer einige Puzzleteile in alldem, und das ist etwas, was nicht sein darf. »Noch eine letzte Frage. Wen hast du angeheuert, um die Wanzen zu platzieren?«
Er schnalzt mit der Zunge, als wäre ich ein kleines Kind. »Wirklich, nach allem, was du herausgefunden hat, hätte ich gedacht, dass du mittlerweile von allein darauf gekommen wärst.«
Ich ignoriere den spöttischen Ton in seiner Stimme. »Wer. Ist. Es?«
Seine Lippen öffnen sich, und was er als Nächstes zu mir sagt, schockiert mich so sehr, dass ich nichts darauf erwidere, sondern nur mein Handy aus der Tasche ziehe und Gabe eine Nachricht schicke.
Wir müssen uns treffen. Wir alle. Ich habe einen Namen für dich. Aber ich brauche noch ein paar Stunden. Ich schreibe dir, wenn du zum Firmengebäude kommen kannst.
Gabe antwortet mir: Ich rufe die Truppen zusammen. Wir sind bereit.
»Du wirst dich an dein Versprechen halten und meine Schwester in Ruhe lassen«, sagt Tobias und lenkt meine Aufmerksamkeit damit wieder auf sich.
Manchmal muss man sich im Spiel des Lebens für das kleinere Übel entscheiden. Ich brauchte diese Informationen, nicht nur, um Frieden in mein Leben zu bringen, sondern auch, weil ich meinen Freunden das Versprechen gegeben habe, dass ich herausfinden werde, wer unser Maulwurf ist. »Das werde ich.«