Ich kann es nicht ausstehen, wenn die Leute immer über das britische Gesundheitssystem meckern, aber während wir vierzig, fünfzig, fünfundsechzig Minuten vor Dr. Morus Sprechzimmer sitzen und warten, warten, warten, endlich hineingerufen zu werden, beginne ich vor Wut langsam zu brodeln wie ein giftiges Gasgemisch. Ich versuche, mich mit dem Nachruf auf einen ehemaligen Abgeordneten zu beschäftigen, eingeschickt von einem unserer Mitarbeiter aus Westminster, aber ich bin viel zu fahrig und fertig, um mich zu konzentrieren. Über den stummen Fernseher, der von der Decke des Wartezimmers hängt, flimmern Aufnahmen vom Haus der Rothschilds, einem hübschen alten Reihenhaus in Highbury, die zeigen, dass dort rein gar nichts geschieht.
Emma sitzt ganz still neben mir und starrt reglos auf ihr Handy.
Inzwischen sind ihre Haare gut sechs Zentimeter lang. Sie hat immer recht kurze Haare gehabt, kurz und lockig umspielten sie ihr Kinn, aber es werden wohl noch Monate vergehen, bis sie wieder so lang sind. Heute trägt sie einen schmalen schwarzen Clip in den Haaren. Selbst nach Monaten hochgiftiger Medikamente und Mörderstrahlen, die auf ihren Körper abgefeuert wurden, nach endlosen Bluttests und Tränen und Telefonanrufen und stiller Todesangst ist sie immer noch bildschön.
Ich beuge mich zu ihr hinüber, um ihr das zu sagen, aber mein Blick bleibt an ihrem Telefon hängen.
»Was zum Teufel?«, flüstere ich aufgebracht.
Sie ist doch tatsächlich gerade auf Amazon und sieht sich Särge an.
»Ich möchte einen geflochtenen Weidensarg«, flüstert sie zurück. »Wenn ich sterbe. Und ein naturnahes Begräbnis.«
Wie gelähmt starre ich auf das Display. Der Weidensarg, den sie sich gerade anschaut, geziert von einem bunten Wildblumenstrauß, kostet knapp fünfhundert Pfund und steht in einem sonnigen Wald voller wild wuchernder Glockenblumen.
»Emma, nein!«, sage ich. »Hör sofort auf damit.«
»Das Futter ist aus Biobaumwolle«, erklärt sie zu ihrer Verteidigung. »Aber es wird alles gut. Ich sehe mich bloß ein bisschen um.«
»Süße«, wispere ich und reibe mir die Stirn. »Bitte nicht.«
»Wir werden alle irgendwann sterben, Leo. Besser, man hat seine Schäfchen im Trockenen.«
»Ich … Okay. Tu, was du tun musst.«
Ein heißes Loch öffnet sich in meiner Brust. Ich könnte sie verlieren. Ich könnte sie wirklich verlieren.
Emma, die vermutlich merkt, was das mit mir macht, legt das Handy beiseite und schiebt ihre Hand in meine, aber ich halte das nicht mehr aus. Erbost marschiere ich zur Anmeldung, und just in dem Moment wird ihr Name aufgerufen.